Spekulationsverluste und Geldreserven

Universität auf glattem Börsenparkett
von am 17. Januar 2011 veröffentlicht in Unipolitik

SymbolbildDie Fraktion DIE LINKE im niedersächsischen Landtag hat einen Gesetzentwurf eingebracht, der Unis Anlagen mit Spekulationsrisiko verbieten will. Die SPD beklagt zu wenig Ausgaben und Gebührenhamsterei. Hintergrund ist eine kleine Anfrage, die ergeben hatte, dass Unis nach spekulativen Anlagen Buchverluste ausweisen mussten und viel Geld auf der hohen Kante horten.

Buchverluste
Buchverluste sind genausowenig „echte“ Verluste, wie Geldanlagen „echtes“ Geld sind. Nach der Anlage wird ein fiktiver Wert für die Anlage in den Büchern geführt. Dabei orientiert man sich daran, was eine Realisierung, also ein Verkauf, der Anlage an Geld bringen würde. Gerade bei Terminanlagen ist dies ein lediglich geschätzter Wert, der sich allerdings am Anlagemarkt orientiert. Muss dieser Wert einer Anlage nach unten korrigiert werden, spricht man von „Buchverlusten“.

Anfang September 2010 hatte der Linke-Landtagsabgeordnete Victor Perli eine Anfrage gestellt, die Höhe, Art und Entwicklung von Geldanlagen durch Universitäten in Erfahrung bringen sollte. Die Antwort kam im November (Landtags-Drucksache 16/3054) und ist detailliert nach Universitäten aufgeschlüsselt. Danach horten die niedersächsischen Universitäten eine Menge Geld. Ausgewiesen sind auch die Anteile, die auf Studiengebühren entfallen. Zum Jahresende 2009 hatte die Universität Göttingen inklusive der Universitätsmedizin (die getrennt haushaltet) „Überhänge“ aus Studiengebühren in Höhe von etwa 12,5 Millionen Euro angelegt – grob die Summe, die die Universität in einem Jahr an Studienbeiträgen einnimmt. In der Antwort, verfasst vom Ministerium für Wissenschaft und Kultur, ist aber von einer „ausgewogenen Anlagestrategie“ und andererseits „Buchverlusten“ die Rede, Worte, die aufhorchen ließen.

Auf weitere Nachfrage Perlis, die sich speziell auf die Universität Göttingen bezog, werden diese Buchverluste konkretisiert. Eine Anlagenkombination, die beim Erwerb auf ca. 4,5 Millionen Euro taxiert wurde, musste im Rahmen der „Finanzkrise“ zum Jahresabschluss 2008 um knapp 1,3 Millionen niedriger bewertet werden. Hierbei allerdings handelt es sich um eine Momentaufnahme: die Antwort auf die Nachfrage fügt an, daß zum 30. November 2010 der Buchverlust nur noch gut 390.000 Euro betrug. Zudem dreht es sich auch nicht nur um Anlagen aus Studiengebühren: Hier geht es um einen Anlageposten, der in Bezug auf alle Anlagen der Universität zu sehen ist. Die Landesregierung sieht hier keinen Handlungsbedarf.

Kommentar

„The low hanging fruit“, so heißt das im Englischen. Scheinbar offensichtliche Mißstände werden hier mit recht durchsichtigen politischen Manövern angegangen. Dabei ist doch völlig klar, dass es immer einen gewissen „Gebührenstock“ geben wird: Direkt, nachdem die Studierenden frisch geschröpft wurden, liegt alles auf einem großen Konto. Dann wird es langsam ausgegeben. Bei der Universitäts-typischen haushaltspolitischen Über-den-Daumen-Peilerei ist es auch kein Wunder, dass zum Semesterende noch Geld übrig ist. Dieser Puffer wird dann mit ein paar Buchungen wiederum als Startkapital für das geplante Lernzentrum und ähnliche Projekte verwendet.
Wirklich erschreckend ist nun aber, dass weder SPD noch Linke die Gelegenheit nutzen, um überhaupt und grundsätzlich Stellung zu Studiengebühren zu beziehen. Wenn die Parteien nun nur noch zu kritisieren haben, dass zu wenig davon ausgegeben wird oder dass ein Bruchteil in riskantere Anlageformen gesteckt wird, dann kommt das einer Aufgabe des Widerstands gegen Studiengebühren gleich. Die SPD konnte mangels Distanzierung von ihrem eigenen politischen Kind auch bisher nur selten als Studiengebührengegnerin überzeugen. Dass aber der Fraktion der Linken nur einfällt, Spekulationen anzuprangern, erschreckt. Schlimm, dass die Gebühren parlamentarisch unwidersprochen bleiben und sich die Parteien nur noch als Sachwalter der braven Gebührenzahler_innen sehen. Denn eigentlich deutet nichts darauf hin, dass sich an den wirklichen Problemen mit den Studiengebühren, zuallererst ihrer unsozialen Auslesefunktion, etwas geändert hätte.
Addendum: Die Fraktion DIE LINKE hat nach wie vor das Langziel Abschaffung der Studiengebühren vor Augen, wie Kommentar 1 richtig stellt.

Dennoch entzündet sich an der Antwort politische Empörung: Die niedersächsische SPD ärgert sich vor allem darüber, dass das Geld nicht ausgegeben werde. Gabriele Andretta, Hochschulpolitik-Expertin der SPD-Fraktion, nennt dies gegenüber dem Göttinger Tageblatt „Betrug an den Studierenden“, da die Studierenden erwarteten, dass das Geld zeitnah zur Verbesserung der Lehre verwendet werde.

Die Fraktion der Linke hat indes einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der darauf zielt, das Niedersächsische Hochschulgesetz zu abzuändern, dass den Universitäten verboten wird, Anlagerisiken einzugehen. Dies soll jedenfalls für Studiengebühren und andere Drittmittel gelten. Konkret soll dazu regelmäßig der Satz „Anlagen, die ein Verlustrisiko des eingesetzten Kapitals durch Wertminderung beinhalten, sind nicht zulässig“ in das Gesetz aufgenommen werden. In der begleitenden Pressemitteilung verlangt Victor Perli: „So etwas müssen wir in Zukunft ausschließen“. „Wie riskant Börsengeschäfte sind, sollte spätestens seit der letzten Krise klar sein“, fügt er an und verweist als mögliche Anlageform auf Termingeldkonten.

Das Symbolbild zum Artikel stammt von Stéfan und steht unter der Creative-Commons-By-Attribution-Sharealike-Lizenz (CC-BY-SA). Danke!

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3 Kommentare auf "Universität auf glattem Börsenparkett"

  1. Harvey sagt:

    Ok, da möchte ich dann auch ehrlich bekennen, dass ich das so noch nicht kannte. Das ist sehr tröstend. Dann verstehe ich das taramtamtam wegen der Spekulationen nur begrenzt, bin aber sehr beruhigt, dass das Thema noch nicht da angekommen ist, wo ich befürchtet hatte. Stände auch den größeren Parteien gut zu Gesicht, aber immerhin.

  2. Studiengebührenzahler_in sagt:

    Dieser Fall zeigt einmal mehr, dass Studiengebühren nicht geeignet sind als Finanzierungsmittel für die Unis. Vielmehr verleiten sie zu so riskanten Aktionen, weil man gar nicht genua weiß wohin mit dem Geld. Das ist in der öffentlichen Diskussion viel zu wenig präsent. Überhaupt müssten wir viel mehr über Studiengebühren informieren. Die aktuelle Spiegelstory ist Volkskrankheit burn out. Studiengebühren tragen ihren Teil dazu bei, dass die Menschen schon in der Uni so stark unter Druck stehen, dass sie nach dem BA erst mal in die Kur müssten.

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