Göttinger Perspektiven auf den G20-Gipfel in Hamburg. Zweiter Teil
von am 7. August 2017 veröffentlicht in Diskussion, Gespräche, JuZI, Titelstory

In Hamburg hat es heftig geknallt. Seither wird über Ursachen und Konsequenzen debattiert. Wir haben Menschen getroffen, die sich an Protesten gegen den G20-Gipfel beteiligt haben und sie nach ihren Motiven für den Protest und nach ihrem vorläufigen Fazit gefragt.

Nachdem wir im ersten Teil ein Interview mit der redical M geführt haben, beantwortet im zweiten Teil das Offene Treffen Göttingen unsere Fragen. Ihr Transparent, das unter dem Label „Jugend gegen G20“ zu Protesten in Hamburg aufrief, hing schon Wochen vor dem Gipfel für Passant_innen gut sichtbar am Jugendzentrum Innenstadt (JuzI).

monsters: Warum habt ihr zum G20-Gipfel nach Hamburg mobilisiert?

Offenes Treffen Göttingen: Gründe gegen G20 zu demonstrieren gibt es viele, z.B. dass der Gipfel eine reine Inszenierung der zwanzig stärksten Wirtschaftskräfte der Welt ist, unnötig viel Geld kostet und dass Menschen wie Trump, Putin und Erdogan Menschenrechte mit Füßen treten.

Dorthin mobilisiert haben wir, weil wir möglichst viele Menschen dazu bewegen wollten gegen den Gipfel zu demonstrieren. Außerdem wollten wir Menschen Raum bieten organisiert zu protestieren, auch wenn sie noch nicht so viel Erfahrung hatten.

Der G20-Gipfel und eine radikale Kritik war in Göttingen in den Wochen vor dem 7./8. Juli kaum zu vernehmen. War es schwer in Göttingen für die Gipfelproteste zu mobilisieren?

Transparenz am JuzI

Ja, es war schwer Menschen zu mobilisieren. Wir glauben es lag daran, dass in Göttingen andere Themen in der Mobilisierungsphase präsenter waren, deshalb ergab sich keine wirkliche Aufbruchsstimmung. Außerdem liegt die Vermutung nahe, dass die Einschüchterungstaktik der Polizei, vor allem bei Menschen ohne Demoerfahrung funktioniert hat.

Zu welchen Protestaktionen gegen der Gipfel in Hamburg gabt ihr aufgerufen?

Aufgerufen haben wir vor allem zur Hafenblockade, weil wir dadurch Kritik am System üben wollten und nicht nur an den Repräsentanten. Aufmerksam gemacht haben wir jedoch zu allen Aktionen und haben die Menschen, welche mit uns nach Hamburg gereist sind, frei entscheiden lassen an welchen sie sich beteiligen wollen. Außerdem waren wir ein Teil der „Jugend gegen G20“ Mobilisierung.

Würdet ihr den Verlauf eurer Aktion als Erfolg werten? Inwiefern musstet ihr spontan auf Ereignisse und Dynamiken vor Ort reagieren?

Eine eigene Aktion hatten wir nicht, fanden aber besonders die Hafenblockade erfolgreich. Leider sind bei den meisten Aktionen die politischen Inhalte aufgrund der Berichterstattung untergegangen. Natürlichen mussten wir spontan sein und wir haben die Tage als sehr chaotisch empfunden. Bei der Anreise wussten wir noch nicht mal wo wir schlafen können, hierbei ein großes Dankeschön an den FC St. Pauli. Die Situation wurde aber super von den Strukturen vor Ort aufgefangen. Am Ende des Gipfel kann man sagen: Wir sind um einige Erfahrungen reicher!

Wie habt ihr das polizeiliche Auftreten wahrgenommen? Inwiefern ist es richtig von einer neuen Dimension von Polizeigewalt zu sprechen? Und müsste die Linke nicht auch stärker in den Blick nehmen, dass die Polizei immer stärker als eigenständige politische Akteurin auftritt?

Das Verhalten der Polizei haben wir als aggressiv, gewalttätig und übertrieben empfunden, außerdem waren Provokationen von Seiten der Polizei von Anfang an zu spüren. Um dies als neue Dimension bezeichnen zu können haben wir zu wenig Erfahrung, da es sich bei uns eher um eine Gruppe jüngerer Menschen handelt. Allerdings war das Wissen, dass, durch den SEK-Einsatz, erschossen werden in nächste Nähe gerückt ist, neu für uns.

Wir können hier nur für uns sprechen, aber wir haben diese Entwicklung schon länger beobachtet. Dies zeigt beispielsweise auch der wiederholte Staatsschutzskandal in Göttingen. Für uns ist es wichtig sich nach wie vor kritisch mit der Polizei auseinanderzusetzten.

Medien und Polizei haben Gewalt in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt. Inwiefern muss die Linke dazu Stellung beziehen?

Sicher ist wichtig, dass man sich damit auseinander setzt, wir selbst diskutieren darüber noch kontrovers. Unser Eindruck ist jedoch, dass die Gewaltfrage absichtlich von der Öffentlichkeitsarbeit der Polizei in den Vordergrund gestellt wird, damit politische Ziele dahinter verschwinden.

Wie wichtig war der G20-Gipfel für euren Protest? Wie sähe ein guter Gipfel aus.

Es gibt keinen guten G20-Gipfel. Zwanzig Repräsentanten können nicht gut über das Weltgeschehen entscheiden.

Ist der Verlauf des G20-Gipfels und das Fehlen linker Deutungshoheit in einem Großteil der Medien und der Zivilgesellschaft eine große Gefahr für eine bereits marginalisierte politische Linke?

Ja die Gefahr besteht, z.B. dadurch dass das Schließen Linker Zentren diskutiert wird. Dies liegt aus unserer Sicht aber nicht direkt an den Protesten, sondern an dem allgemeinen Rechtsruck in Deutschland. Außerdem besteht die Forderung härter gegen Linke vorzugehen schon länger und wird nun noch einmal neu aufgewärmt.

Engagement gegen Rechtsruck. Proteste der Gruppe gegen eine AfD-Kundgebung

Wie geht es mittel- oder langfristig mit der Linken weiter?

Hoffentlich gut. Spaß beiseite, wie es weitergeht liegt an uns selbst. Wir werden uns nicht einschüchtern lassen, weiter aktiv bleiben und treffen uns dafür jeden Donnerstag um 17 Uhr im Juzi.

Danke für das Gespräch.

Bilder: https://www.facebook.com/Offenes-Treffen-G%C3%B6ttingen-595264137350575/

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