Antifee-Interview: Badkat

„Get to know yourself“
von am 7. Juni 2014 veröffentlicht in Antifee, Gespräche, Titelstory
Badkat am Freitagabend auf dem Antifee 2014
Badkat am Freitagabend auf dem Antifee 2014

Dubstep-Breakbeat meets Hip Hop. Die Hip Hop Künstlerin Badkat kommt aus Florida, USA und wohnt seit sechs Jahren in Berlin. Nach ihren Auftritt auf dem Antifee 2014 am Freitagabend sprach sie mit uns über Queerfeminismus, linken Hip Hop und warum es wichtig ist „to get to know yourself“.

Monsters: Wie kam es, dass Du dieses Jahr auf dem Antifee aufgetreten bist?

Badkat: Durch Springstoff, das Kollektiv das Sookee auch mit aufgebaut hat und durch meine Bookerin Anna. Ich bin aber auch in den letzten drei Jahren auf vielen Konzerten in der linken Szene hier in Deutschland aufgetreten. Das hat einen großen Teil meiner Liveshows ausgemacht.

Sookees Texte haben ja einen stark queerfeministischen Fokus. Wo würdest Du dich in Sachen Queerfeminismus verorten?

Seit ich 1994 mit Rappen angefangen habe war es für mich immer von großer Bedeutung, dass ich eine queere Frau in der Hip Hop Szene war. Ich wusste, das war die Szene in der ich sein wollte, in der ich eine Plattform hatte, um über verschiedene politische Themen zu sprechen. Seit zwei Jahrzehnten bin ich eine queerfeministische „Politikerin“ im Hip Hop. Tatsache ist, dass ich in meiner Musik theoretisch zu einem männlich-privilegierten Publikum spreche, ein Publikum, das auf welche Weise auch immer im Vergleich zu mir privilegiert ist.

Machst Du das ganz bewusst?

Auf jeden Fall. Deswegen rede ich worüber ich rede, es geht nicht nur darum zu sagen „Das ist ein Problem“, sondern ich sage: „Hey, Du! DAS ist ein Problem und so sehe ich die Situation, im Vergleich dazu, wie Du das vielleicht siehst innerhalb der Wirklichkeit, in der wir beide uns befinden“.

Hat sich da was geändert, wenn Du mal deine Erfahrungen im Hip Hop vor 20 Jahren mit denen von heute vergleichst?

Nun, zwischen dem Eastcoast und auch Southern Hip Hop, in dem ich aufgewachsen bin und dem Hip Hop in Deutschland liegen auf jeden Fall Welten. Vor allem, was die soziale Bedeutung angeht, die Hip Hop in den USA erfüllt. Da gibt’s ein paar Unterschiede zu Deutschland. Natürlich ist Hip Hop hier und in den USA ein nützliches politisches Instrument, aber ich denke, dass es viele Leute daheim in den USA ziemlich schwer haben. Sie kämpfen meistens gegen einen Berg von Problemen an.

Du meinst die sozialen Verhältnisse in den USA?

Ich glaub wirklich, dass es dort viel härter ist, vor allem wenn es um Minderheiten in verarmten, städtischen Gegenden geht. Sowas siehst Du hier einfach nicht zu oft wie in den USA. Ich sehe ein paar Parallelen zu der Situation der Refugees hier oder vielleicht sogar bei den migrantischen Teilen der Bevölkerung. Da gibt es gewisse Ähnlichkeiten, aber in der linke Szene in Deutschland finde ich davon eigentlich nichts. Die linke Szene hier, das sind zum größten Teil Intellektuelle, denen meiner Meinung nach mehr Wege offen stehen als anderen Gruppen. Es gibt also Unterschiede, wenn wir über Hip Hop in der linken Szene hier sprechen und Hip Hop von anderen, unterdrückten Gruppen.

Deine Beobachtung ist also, dass Migranten nicht wirklich Teil der linken Hip Hop-Szene in Deutschland sind?

Ich sehe auf jeden Fall nicht, das beide Seiten zusammenkommen. Ich glaube, die Migranten haben ihre eigene Hip Hop Szene, vielleicht sogar ihre eigene linke Hip Hop Szene, aber eine Vermischung sehe ich nicht. Das fehlt und in den letzten Jahren habe ich versucht herauszufinden, was eigentlich fehlt, um diese Lücke zu schließen. (lacht)

Anfang der Neunziger gab es „migrantischen“ Conscious Rap in Deutschland, Advanced Chemnistry zum Beispiel haben die Brandanschläge gegen Asylunterkünfte thematisiert. Ein Massenpublikum hat dann allerdings der kommerzielle Hip Hop der biodeutschen Mittelschicht bekommen. Kommerziell erfolgreicher „migrantischer Rap“ kommt heutzutage vor allem als ätzender Gangsta-Rap à la Bushido daher.

Im Hip Hop wo ich herkomme gab es eine Menge Conscious Rap, um Menschen beim Kampf gegen Unterdrückung zu helfen. Genauso gibt es in den USA Rapper, die einfach ihren Frustrationen Ausdruck verleihen. Ich versuche nicht, den Zugang zum Selbstausdruck zu beschränken. Ich denke was auch immer jemand rauslassen muss, muss raus, auch wenn ich damit nicht übereinstimme. Aber sobald jemand alles rausgelassen hat, bekommt er oder sie genug Raum zum Nachdenken und Reflektieren. Ich kann nicht sauer auf einen 16jährigen sein, der sich noch ausprobiert und vielleicht nicht das große Ganze sieht. Aber wenn er 22 ist, wenn er sechs Jahre Zeit hatte sich Ausdruck zu verleihen, lernt er dazu und ich denke jeder und jede braucht diesen Raum, um zu wachsen. Die Idee von Hip Hop ist, dass Du dich so umfassend ausdrücken kannst, um Dir selbst näher zu kommen.

Wenn Bushido nun aber seine machomäßigen, gewaltverherrlichenden und sexistischen Texte verbreitet und dann im Interview sagt, er spielt da ja nur eine Rolle und das sei alles sowieso nur ein Rollenspiel, ist das dann eine schlechte Ausrede oder ein akzeptables Rollenspiel für Dich?

Ich akzeptiere auf jeden Fall nicht, wenn jemand gegenüber Kindern und Jugendlichen negative Inhalte immer weiter fortführt. Es ist mir egal, wie diese Inhalte begründen werden, Du hast eine Verantwortung für dein Publikum. Gleichzeitig scheint Bushido ja einen Selbstzweck zu erfüllen. Möglicherweise aus finanziellen Gründen. Viele Leute spielen in den Medien gewisse Rollen, vor allem um dadurch in den Medien zu bleiben. Wer bei diesem Spiel mitmacht, macht mit: Unterstütze ich das? Nein! Kauf ich mir sein Album? Nein! Werd ich ihm sagen er soll die Fresse halten? Nein! Der Punkt ist: Jede Kunstform bietet die Möglichkeit alles auszudrücken, das Gute und das Schlechte. Ich hoffe für Bushido, er macht das alles, um sich selbst näher zu kommen und nicht wegen der Promotion. Ich mache auf jeden Fall keine Promotion, denn ich bin nicht in den Medien (lacht). Ich möchte, dass ich mich besser kennen lerne, bevor ich irgendwann sterbe.

Und Du willst auch, dass dein Publikum sich selbst besser kennenlernen soll. Du hast diese Textzeile „They don’t want you to get to know yourself“. Wen meinst Du mit „They“?

Damit meine ich diejenigen, die Geld an der übermäßigen Unsicherheit von Menschen verdienen. Ich denke, es gibt viele Industriezweige, die daran verdienen, dass Du dich schlecht fühlst. Die Autoindustrie, die Modeindustrie, die Medienindustrie, das Fernsehen – alle versuchen Dir einzureden: „Du bist schlecht!“. Denn so kaufst Du weiter den ganzen Kram, von dem Du glauben sollst, dass es Dir dann besser geht. Und wenn wir einkaufen gehen, weil wir gerade einen schlechten Tag haben, dann ist das nicht der richtige Weg.

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