Friedland bekommt ein selbstorganisiertes Beratungszentrum
Gegen die Isolation des Lagersystems
von Coşka am 9. Mai 2014 veröffentlicht in Gespräche, Migration, TitelstorySo sah es noch vor wenigen Wochen aus. Heute öffnet das BAZ.
Diesen Freitag eröffnet das Beratungs- und Aktionszentrum Friedland die Pforten. Monatelange Arbeit sowohl mit der Gründung des Trägervereins als auch der Suche und Renovierung geeignetet Räumlichkeiten liegen hinter den Leuten vom BAZ. Wir sprachen kurz vor der Eröffnung mit einem Aktivisten der ersten Stunde über die kommenden Aktivitäten in Friedland.
Wie schaut es aus bei euch, alles fertig?
Ja vor allem wir sind fertig. Aber auch Glücklich. Fast drei Monate Arbeit liegen nun hinter uns allein an Renovierungsarbeit. Wir haben den laden komplett neu gemacht und sind zufrieden, dass es nun fast so aussieht wie wir uns vorgestellt haben. Natürlich ist noch nicht alles komplett wie es sein sollte, aber es ist ein großer Schritt getan und wir können hier nun aktiv werden.
Was ist denn die letzten Monate so passiert?
So einiges. Der Laden auf den wir uns zuerst eingestellt hatten, wurde uns dann doch versagt. Als wir die Finanzierung endlich zusammen hatten, fiel der Vermieterin ein, dass sie „solche Leute“ doch nicht in ihrem Haus haben will und, dass sie sonst noch einige rassistische Stereotype auf Lager hat. Nach diesem Rückschlag haben wir fast schon aufgegeben einen festen Raum in Friedland zu finden.
Wenige optimistische Leute in der Gruppe haben sich nochmal auf die Suche nach einem geeigneten Raum gemacht. Und siehe da, wir konnten uns im Endeffekt zwischen zwei Räumen entscheiden.
Ende Februar haben wir dann den Mietvertrag in der Heimkehrerstraße 10a unterschrieben und uns ans Renovieren gemacht. Die größte Herausforderung auf dem Weg zur Eröffnung war die Tapete von der Wand zu kriegen, da die sieben Schichten nochmal mit Lack übermalt waren. Beinahe hätten sie uns zum Aufgeben gebracht, aber als die Wand vom letzten Fitzel befreit war, konnte uns nichts mehr aufhalten und so können wir nun eröffnen.
Was erwartet uns mit dem BAZ?
Wir werden hier Beratungen für Menschen durchführen, die im Lager Friedland sitzen.
Für die Spätaussiedler aus Russland meinst du?
Nein, wahrscheinlich eher nicht. Friedland ist zwar eng mit der Geschichte von Vertriebenen und Spätaussiedlern verbunden, doch die momentan größte Bewohner_innengruppe sind geflüchte Menschen, die in der BRD einen Asylantrag stellen. Es ist immer noch nicht so recht präsent, dass eine Bahnstation südlich von Göttingen seit 2011 die niedersächsische Erstaufnahmestelle ist. Wir haben hier ein Lager, wenn auch mit einigen Besonderheiten. So werden bspw. die Leute erst in ein anderes Lager verlegt, bevor ihnen ihr Abschiebebescheid zugestellt wird. Dann sitzen die Leute aber oft schon in abgeriegelten Orten wie dem Lager Brahmsche. Deshalb ist es wichtig, hier vor Ort in Kontakt zu kommen.
Das BAZ freut sich über finanzielle Unterstützung Bankverbindung
Verein zur Unterstützung geflüchteter Menschen in der Sammelunterkunft Friedland e.V.
Konto-NR: 56036528
BLZ: 260 500 01
Sparkasse Göttingen
weitere Infos hier
Sprecht ihr denn alle arabisch um die ganzen Syrier_innen zu beraten?
Nein leider nicht. Aber das ist sowieso immer schon in Friedland ein Problem gewesen, dass die Leute nicht immer überall Übersetzungsmöglichkeiten bekommen. Aber einige von uns sprechen arabisch und wir können ständig Leute gebrauchen, die mit der Sprache helfen können. Wir hoffen, dass durch unsere offenen Strukturen sich vielleicht auch Studierende der Uni angesprochen fühlen und mit ihren Fähigkeiten das BAZ unterstützen werden. Und wir brauchen bei weitem nicht nur Leute, die arabisch sprechen, sondern zahlreiche weitere Sprache: Kurdisch, Urdu, Panjabi um nur einige zu nennen.
Das heißt ihr werdet helfen, den Ablauf des Lagerbetriebs zu unterstützen?
Uns geht es nicht um den Betrieb von Lagern, uns geht es um die Leute, die hier um ein Aufenthaltsrecht kämpfen. Wir sind mit unserem Support direkt zu dem Ort gegangen, wo die Leute leben müssen. Auch wenn Friedland vielleicht recht offen und sympathisch wirkt, so sind die Leute trotzdem gegen ihren Willen hier. Die deutsche Gesetzgebung zwingt sie hier zu sein. Ein Kernbestandteil des deutschen Lagersystems ist, dass die Leute nicht ausreichend oder gar nicht über ihre Rechte informiert werden. Ist ja auch klar, ein Staat, der das Recht auf Asyl dank brennender Häuser und Morde faktisch abgeschafft hat, der will auf jeden Fall niemandem helfen, der_die vor Krieg geflohen ist. Dementsprechend wirken wir dem Lagersystem eher entgegen, indem wir die Leute informieren und sie unterstützen, ihre Rechte zu erkämpfen.
Ihr steht dem Lager also eher kritisch gegenüber?
Das deutsche Lagersystem zwingt die Leute auch zu einem Alltag mit möglichst wenigen Abwechslung. Denn es geht hier ja primär um Isolation. So gibt es nur wenige Freizeitaktivitäten, meistens muss man rumsitzen, es gibt kaum Möglichkeit ins Internet zu kommen oder sonst wie in Kontakt mit anderen Menschen außerhalb des Lagers zu kommen. Auch dagegen will das BAZ angehen.
Und wie soll das aussehen?
Das BAZ ist nicht nur als Beratungszentrum gedacht, wir sind ja keine Behörde. Uns geht es vor allem auch darum in Aktion zu kommen. Wir wollen diesen Ort als ein soziales Zentrum für die Menschen im Lager Friedland aufbauen, an dem man sich treffen, reden, austauschen kann. Wir haben deshalb den größten Teil des BAZ auch für ein Internetcafé vorgesehen. Denn das Internet ist für Menschen, die tausende von Kilometer, teilweise schon seit Jahren von ihren Familien getrennt sind, enorm wichtig. So versuchen wir eben der Isolation entgegen zu wirken und Kontakte und Informationen zu vermitteln die ein Fundament legen sollen für einen gesicherten Aufenthalt in Deutschland.
Aber auch unser Garten soll bald schon dazu einladen hier eine gute Zeit verbringen zu können. Am Freitag wollen wir das auch gleich ausprobieren. Wir laden alle Interessierten Leute ein, ab 14 Uhr ins BAZ in der Heimkehrerstr. 10a zu kommen zur Eröffnungsfeier. Hoffentlich sehen wir uns da!