Polizei bei Facebook

Wachtmeister 2.0
von am 19. Juni 2013 veröffentlicht in Hintergrund, Polizei & Justiz, Titelstory

Facebook-Präsenz der Göttinger Polizeidirektion mit 1.949 „Gefällt mir“-Angaben (Foto: MoG)

Die Polizei sucht den Anschluss an die digitale Gesellschaft und macht sich zunehmend bei Facebook breit. Das Potenzial ist enorm: aktuelle Bürgerinformationen, Werbung in eigener Sache, „Facebook-Fahndung“. Schöne neue Welt also? Ein kritischer Überblick über die Web 2.0-Aktivitäten der Polizei, zweiter Teil.

In Hannover kann man bereits seit rund zwei Jahren beobachten, wie die Polizei die Internet-Öffentlichkeit für ihre Zwecke benutzt. Hier veröffentlichte sie erstmals Fahndungsaufrufe auf Facebook, und forderte ihre Fans zum „teilen“ auf. Acht Fälle will man dank der neuen Methode gelöst haben. Warum, das ist schnell erklärt. Die klassischen Medien für Fahndungsaufrufe, insbesondere das Radio, werden von der überwiegend jungen Facebook-Gemeinde kaum noch genutzt. Fahndungsaufrufe erreichen weite Teile der Bevölkerung so gar nicht mehr. Nun haben die Kumpel der Missetäter die Polizei als Facebook-Freunde, was die Erfolgschancen erhöht.

Auch die Göttinger Polizeidirektion nutzt ihren Fuß in der digitalen Welt mittlerweile zur Personenfahndung. Kürzlich teilte sie ihren Aufruf, Hinweise auf die Täter zu melden, die einen bayerischen Verbindungsstudenten mit einem Baseballschläger angegriffen und verletzt haben sollen. Außerdem wurde eine Belohnung für entscheidende Hinweise ausgesetzt. Diese Fahndungsaktion blieb bisher ohne Erfolg.

Probleme der Facebook-Fahndung

Was aber sollte schlimm daran sein, wenn die Polizei versucht, die Identität von Straftäter_innen über Facebook zu ermitteln? Schließlich fahndet sie auch so mit Hilfe der Bevölkerung, und das auch nicht erst seit gestern. Der §131 der Strafprozessordnung regelt die Öffentlichkeitsfahndung nach Personen und Sachen und stellt dieses Vorgehen auf eine rechtliche Grundlage. Dennoch wirft das Thema Fragen auf, die sich im Kern um Datenschutz und negative Folgen für Betroffene drehen.

Da es sich bei Facebook um ein Privatunternehmen mit Sitz und IT-Infrastruktur im Ausland handelt, ist vor allem die Übermittlung sensibler Daten durch deutsche Behörden fragwürdig. Dieses Problem wird mittlerweile umgangen. Die Polizeibehörden teilen nur noch entsprechende Links, laden aber keine persönlichen Daten ausgeschriebener Personen mehr hoch.

Es bleibt jedoch die Gefahr einer dauerhaften Rufschädigung, die letztlich auch Verdächtige treffen kann, die sich im Nachhinein als unschuldig herausstellen. Hier beugt die Polizei in gleicher Weise vor. Indem sie die Daten auf eigenen Servern belässt, wo sie sie kontrollieren kann. Das Fahnden via Web 2.0 erscheint der Polizei also nicht nur erfolgversprechend, es ist auch weitgehend rechtlich abgesichert.

Neutralität: Fehlanzeige

Allerdings fällt auch hier die Parteilichkeit ins Gewicht. Wenn es etwa darum geht, wie kritische Polizeieinsätze verhandelt werden, werden verzerrte Darstellungen die Regel sein. Um das im ersten Teil dieser Artikelserie genannte Demonstrationsbeispiel weiterzustricken: Es ist wohl kaum zu erwarten, dass die Polizei per Facebook-Fahndung nach Straftätern in den eigenen Reihen sucht, wenn eine Reihe von Anzeigen wegen gefährlicher Körperverletzung im Amt gegen nicht identifizierte Polizeikräfte vorliegen.

Dabei handelt es sich freilich um ein bestehendes Problem, das sich lediglich online fortsetzt. Organisationen wie Amnesty International oder die lokale Gruppe „BürgerInnen beobachten Polizei und Justiz“ haben in der Vergangenheit immer wieder darauf hingewiesen: Straftäter_innen in Uniform sind selten ermittelbar, weil es keine Möglichkeit gibt, sie zu identifizieren. Solange es keine Kennzeichungspflicht für geschlossene Einheiten der Polizei gibt, wäre eine Facebook-Fahndung ein hilfreiches Mittel – wenn es denn in solchen Fällen angewendet würde.

Perspektiven polizeilicher Web 2.o-Präsenz

Zukünftig ist mit einer Zunahme polizeilicher Facebook-Präsenzen und Fahndungen zu rechnen. Die Einrichtung eines Accounts und das onlinestellen von Meldungen sind nämlich einfach und kostenlos, wenn man vom Personalaufwand einmal absieht. So gesehen ist Facebook ein sehr nützliches Mittel für die Öffentlichkeitsarbeit der Polizei. Dennoch bewegt sie sich auf dünnem Eis, wenn Sie im Reich der sozialen Netzwerke mitmischt.

Beispielsweise hat sie wenig Kontrolle darüber, welche Meinungen die User_innen sich bilden und wie sie diese äußern. Shitstorms auf Social Media-Seiten von Polizeibehörden sind nicht nur denkbar, sondern aufgrund der oft brisanten Materie wahrscheinlich. Dafür kann es schon ausreichen, wenn in den Beiträgen das „Gendern“ ausbleibt, wie es bisher auf der Website der Göttinger Polizeidirektion üblich ist (siehe Fotos).

Einen Vorgeschmack auf den Zorn der Crowd bekam die Polizei in Hannover im Sommer 2012 dank einer erheblich größeren Pikanterie. Sie machte versehentlich eine Facebook-Seite im Netz bekannt, die vermeintlich Kinderpornografie enthielt. Was folgte waren zahlreiche Beschwerden von User_innen, die so erst von der Seite erfahren haben. Ein Vorfall, den eine Bloggerin der Rhein-Zeitung ausführlich dokumentiert hat. Medienkompetenz sieht anders aus.

Ausblick

Andere Fragen, die bisher in den Medien wenig Beachtung finden, stellen sich in Bezug auf die Angemessenheit polizeilicher Selbstpräsentation auf einer kommerziell ausgerichteten Website eines Privatunternehmens. Was sollen Bürger_innen von einer Polizei halten, die sie unverblümt duzt und deren Meldungen auf dem Smartphone zwischen der Werbung für Damenbinden und Amazon angezeigt werden?

Es stellt sich außerdem die Frage, wie sicher überhaupt die Polizei-Accounts vor Datendiebstahl und Hacking sind. Der sogenannte Prism-Skandal hat der Welt noch einmal vor Augen geführt, das kein Unternehmen und keine Privatperson ernsthaft auf Privacy setzen kann, die Accounts bei Unternehmen wie Facebook unterhält. Hier darf man auf zukünftige Entwicklungen gespannt sein. Eines ist allerdings sicher: Von der Bildfläche des Web 2.0 verschwinden wird die Polizei nicht.

 

 

 

 

 

 

 

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