Dialogbereitschaft

Kruse gibt sich milde
von am 4. Juni 2013 veröffentlicht in Polizei & Justiz, Titelstory

Den Polizeipräsidenten wollen seine KritikerInnen am liebsten absetzen lassen.

Die Politik von Polizeipräsident Robert Kruse ist auch noch für Überraschungen gut: Ausnahmsweise geht er öffentlich auf seine KritikerInnen aus dem linken Spektrum zu und bietet öffentlich Gespräche an. Die versammelten sich trotzdem vor seiner Dienststelle und forderten seine Amtsenthebung.

Göttingens Polizeipräsidenten erlebt man selten in der Defensive, aber dieses Mal scheint es soweit zu sein. Die öffentliche Kritik an Robert Kruses Präsentation der Zahlen zur politisch motivierten Kriminalität hat den obersten Polizisten der Stadt nun zu einer Stellungnahme veranlasst. Die Kritik würde „im Wesentlichen auf Missverständnissen über die Erfassungssystematik und die Pflichten der Polizei in diesem Zusammenhang“ beruhen, teilte Kruse via Pressemitteilung mit. „Ich werde daher auf Kritiker wie den AStA, die Anti-Atom-Initiative und die Grüne Jugend zugehen und entsprechende Gesprächsangebote unterbreiten“, erklärte Kruse. Eine Dialogbereitschaft, die man von ihm bislang eher nicht kannte.

„Stimmungsmache gegen linkes Engagement“

Der Polizeipräsident hatte die Zahlen zur politischen Kriminalität öffentlich so interpretiert, dass er seine Behörde in einem besonders guten Licht darstellte. Linke AktivistInnen diskreditierte Kruse im selben Atemzug als StraftäterInnen, obwohl die Verfahren gegen sie eingestellt wurden. Nach einem Bericht von MoG hatte die taz Nord die Kritik an der Statistik aufgegriffen. Es folgten öffentliche Stellungnahmen vom Göttinger AStA und der Grünen Jugend, die Kruse „Stimmungsmache gegen linkes Engagement“ vorwarf. Die Parteijugend forderte gar die Amtsenthebung Kruses. Ein Ende der Amtszeit des Göttinger Polizeipräsidenten forderte auch die Anti-Atom-Initiative in einem offenen Brief an Innenminister Boris Pistorius (SPD).

Demonstration vor Polizeiwache

Am Montag Abend trugen seine KritikerInnen ihre Forderung direkt vor der Polizeiwache in der Groner Straße vor: Die Amtsenthebung Kruses als Polizeipräsident. Nach einer Mahnwache der Anti-Atom-Initiative vor der Jacobikirche zog ein Demonstrationszug zu seinem Dienstsitz. Auf der Mahnwache, einer Zwischenkundgebung und schließlich vor der Polizeiwache gab es zahlreiche Redebeiträge. Fernab der Kritik an Kruse wurde auch zum politischen Rundumschlag ausgeholt: Neben Grußworten vom Anti-Atom-Widerstand aus dem Wendland ging es unter anderem auch um Bankenbashing und Kritik an der Abschiebepolitik. Ebenso bunt gemischt waren auch die gut 125 TeilnehmerInnen der Demonstration, deren Zug von fünf Traktoren begleitet wurde.

Auch hier hatte Kruse seine Beamte wohl lieber an der kurzen Leine gelassen: Zwar gab es zu Beginn kurz einmal etwas Aufregung, als zwei Kletterer in Bäume vor der Jacobikirche stiegen. Der vor Ort leitende Beamte verstieg sich gar in die Aussage, dass dies genehmigungspflichtig sei. Das war aber schnell vergessen. Ein vor Ort mit Gezerre von der Polizei beschlagnahmtes Transparent wurde still und leise noch vor dem Abmarsch der Demo wieder zurückgegeben. Während der Demonstration beließ es die Polizei bei einer sehr losen Begleitung und die Göttinger Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) war zwar vor Ort, aber stets nur im Hintergrund. Auch die anschließende Spontandemonstration begleiteten nur zwei aufgeregt funkende Beamte zu Fuß. Und auf die Drohung der Räumung der Straße vor der Polizeiwache, die mehr als vier mal aus dem Lautsprecher tönte, folgte – nichts.

Kruse zieht sich aus der Verantwortung

Wohl um der Demonstration zuvor zu kommen, ging Kruse noch am Montag Vormittag öffentlich auf seine KritikerInnen zu. Auf ihre Argumente ging er jedoch kaum ein, es blieb bei der diplomatischen Geste. Zwar gab der Polizeipräsident zu, sich bei den verurteilten Demonstrierenden nach dem Schünemann-Auftritt in der Uni verzählt zu haben: Statt wie zunächst behauptet fünf, habe es bislang nur zwei Verurteilungen gegeben. Ansonsten zog Kruse sich aus der Verantwortung: Die bundesweiten „Verfahrensregeln und Bewertungsmaßstäbe“ bei der Erfassung politisch motivierter Kriminalität würden „ohne jegliche Abweichung selbstverständlich“ auch in Göttingen gelten. Die Bewertungen der Zahlen, für die der Präsident eigentlich in der Kritik stand, hat er nicht widerrufen. Die Anti-Atom-Initiative Gespräche reagierte entsprechend verschnupft auf das Gesprächsangebot: Zu Gesprächen sei die Initiative zwar „gerne“ bereit – allerdings nur mit dem/der NachfolgerIn Kruses.

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3 Kommentare auf "Kruse gibt sich milde"

  1. mussausgefuelltwerden sagt:

    Kleine Korrektur am Rande: der Jakobi-Kirchhof bleibt immer noch derselbige (und die Kirche ist eben die Jakobikirche). Im Beitrag ist fälschlich zweimal von „Johanniskirche“ die Rede.

    Zudem reichen die Erfahrungen mit einer vermeintlichen „Gesprächsbereitschaft“ Kruses aus der Vergangenheit: Schon 2011 hatte Robert Kruse die Anti-Atom-Initiative zu einem Gespräch geladen. Damals wandte sich die AAI mit einem öffentlichen „Appell an alle Polizistinnen und Polizisten in Deutschland und Frankreich“ auch an die hiesige Polizeileitung, doch Kruse zeigte noch während der Unterredung, was er tatsächlich mit „Gesprächsbereitschaft“ meinte: Er ließ parallel zur Unterhaltung eine Pressemeldung der Polizei veröffentlichen, in der im Zusammenhang bevorstehender Castor-Transporte von „Steinewerfern und Gewalttätern“ die Rede war. Die Anti-Atom-Initiative verurteilte diese Pressemeldung am 10. November 2011 auf das Schärfste.

    Wer demokratisch legale Protestformen besorgter Menschen gegen strahlende Atommüllproduzenten und den Einsatz plutoniumhaltiger MOX-Brennelemente wiederholt in Verbindung mit einem „Anstieg von rechter und linker Gewalt“ und mit „politisch motivierter Kriminalität“ bringt, mit dem erscheint jedes weitere Gespräch sinnlos.

    Entsprechend kann mit Blick auf seine vermeintliche „Gesprächsbereitschaft“ sicher die Einladung zu seiner Verabschiedung freudig aufgenommen werden, zu ihm ist ansonsten tatsächlich seit längerem alles gesagt! Seine Nachfolger*in darf jedoch gerne das Informationsgespräch mit allen politisch aktiven Gruppen suchen.

  2. mussausgefuelltwerden sagt:

    Wie Goest aktuell berichtet, läßt Polizeichef Kruse offensichtlich die Staatsschutz-Abteilung der Polizei weiter offensiv gegen politische Dissidenten vorgehen – am 10. Juni wurden über 20 Vorladungen vom „politischen Staatsschutz“ Göttingen (Fachkommissariat 4) an zahlreiche Anti-Atom-Aktivist*innen zugestellt. Die Forderung nach der Entlassung Kruses bleibt also weiter aktuell!

    Der Offene Brief an den niedersächsischen Innenminister Boris Pistorius mit der Forderung nach Amtsenthebung des Ex-Verfassungsschützers und aktuellen (noch-) Polizeipräsidenten Robert Kruse kann weiterhin unterstützt werden!

    Einzelpersonen können sich selbst ganz einfach
    hier eintragen, Gruppen und Nichtregierungsorganisationen (NROs) schreiben eine kurze Nachricht per Mail an brief|ät|anti-atom-initiative-goettingen.de. Unterstützt zahlreich!

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