Angeschossene Polizisten
Kruse instrumentalisiert Verletzte
von triglycerid am 17. März 2013 veröffentlicht in Polizei & Justiz, TitelstoryWeiß genau, was er sagt: Polizeipräsident Kruse.
Eine Schießerei in der Wache an der Groner Landstraße hat die Göttinger Polizei bundesweit in die Schlagzeilen gebracht. Polizeipräsident Kruse nutzt die Gelegenheit, zwei schwer verletzte Polizisten und einen wohl psychisch Kranken, um das Propagandalied der steigenden Gewalt gegen PolizistInnen anzustimmen. Dabei hat ein Polizist vermutlich das Leben von KollegInnen gefährdet.
Ein echter Scheißtag bei der Göttinger Polizei: Nach dem, was am Freitag in der Wache in der Groner Landstraße passiert ist, liegen zwei Menschen schwer verletzt im Krankenhaus, ein anderer wird in die Psychiatrie eingewiesen. Nach Darstellung der Staatsanwaltschaft hat ein 43-jähriger mutmaßlicher Urkundenfälscher sich einer Dienstwaffe bemächtigt und um sich geschossen – im Beisein von vier PolizistInnen und einer Praktikantin. Eine Tragödie, zweifelsohne.
Trotzdem ist sich Polizeipräsident Robert Kruse nicht zu schade, aus diesem Anlass Propaganda zu betreiben. „Dieser rücksichtslose Angriff auf zwei meiner Kollegen ist ein weiterer Beleg für die kontinuierlich angestiegene Gewaltbereitschaft gegen Polizeibeamte in Ausübung ihres Dienstes zum Wohle der Bürger“, lässt er verkünden. Es ist das alte Lied der steigenden Gewaltbereitschaft gegenüber PolizistInnen, für das er sich ob des Vorfalls mediale Öffentlichkeit erhofft. Polizeigewerkschafter und andere Hardliner stimmen es gerne an, um zum Beispiel schärfere Gesetze zu fordern. Es gibt dafür aber nach wie vor keinen stichhaltigen Beweis. Die der linken Polemik unverdächtige Frankfurter Allgemeine Zeitung attestierte den Polizeigewerkschaften deshalb erst im Februar substanzloses Jammern.
Widerstandshandlungen gegen PolizistInnen sind in den vergangenen Jahren zurück gegangen. Laut polizeilicher Kriminalstatistik des BKA sinken die Zahlen seit 2009. Von 2009 auf 2010 lag der Rückgang bei 11 Prozent, von 2010 auf 2011 ging die Zahl noch einmal um 2,5 Prozent zurück. Es gibt auch Statistiken, die zu anderen Ergebnissen kommen. Allerdings sind die Resultate eine Frage der Interpretation: „Kollegen machen heute eher als in der Vergangenheit Anzeigen wegen kleinerer Konflikte“, erklärt ein leitender Beamter aus dem Kölner Polizeipräsidium sich in der FAZ den Anstieg der gemeldeten Übergriffe, die eine Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen zu Tage brachte. Nicht die Anzahl der tatsächlichen Gewalttaten ändert sich demnach, sondern lediglich die Anzahl der Anzeigen.
Aber selbst wenn die Gewalt gegen PolizistInnen tatsächlich steigen würde, wäre dieser Fall ein schlechter Beleg dafür: Der mutmaßliche Schütze war wohl psychisch krank. „Nach der ärztlichen Untersuchung deuten die Zeichen auf Haftunfähigkeit“, sagte Oberstaatsanwalt Andreas Buick nach dem Verhör am Freitag. Der Mann soll dabei kaum ansprechbar gewesen sein, berichtet Spiegel Online: „Aufgrund der schwierigen psychischen Verfassung werde der zuständige Richter ihn – anstelle der sonst üblichen Vorführung – direkt in der Psychiatrie aufsuchen.“
Kruse macht sich hier also Schwerverletzte und psychisch Kranke zu Nutze, um seine Politik voran zu bringen. Er versucht, aus ihnen politisches Kapital zu schlagen.
Dabei wirft der Fall ganz andere Fragen auf. Wie kann ein einzelner Mann im Beisein von vier Polizisten eine Dienstwaffe entwenden und damit um sich schießen? Laut Staatsanwaltschaft ist das bislang unklar. Wer eine Waffe trägt, muss Verantwortung dafür tragen, dass Dritte damit kein Leben gefährden können. Gut möglich, dass einer der Polizeibeamten das in diesem Fall fahrlässig unterlassen hat.
Das sagt Polizeipräsident Kruse nicht.