Rolle Rückwärts in der Unipolitik
HAStA luego, Gender-Referat!
von fee mina am 6. März 2013 veröffentlicht in UnipolitikSelbstverständlichkeiten, die betont werden müssen: feministisches Stencil auf dem Antifee-Festival.
Das Gender-Referat des Göttinger Astas ist zwei Jahre nach seiner Wiedereinführung schon wieder Geschichte. Zwar laufen die Koalitionsverhandlungen zwischen Jusos, Grüner Hochschulgruppe und ADF noch, aber eins steht bereits fest: Der neue Asta wird kein Gender-Referat einrichten.
Es braucht in Göttingen keinen rechten Asta, um das Gender-Referat abzuschaffen. Vor zwei Jahren hatte das der linke Asta wieder eingeführt, nachdem die ADF das traditionell feministische Referat es vor langer Zeit für überflüssig erklärte. Ähnlich sieht es offenbar die neue potentielle Koalition aus Grüner Hochschulgruppe (GHG), Jusos und ADF: Ein solches Referat ist nicht mehr vorgesehen, keine politische Hochschulgruppe hat ein solches beantragt.
Dabei hat das Gender-Referat in den vergangenen zwei Jahren wichtige Arbeit geleistet: Öffentlichkeitswirksam haben die Referent*innen auf Sexismus und Homophobie hingewiesen, Veranstaltungen zu diesen Themen organisiert und feministische Gruppen unterstützt. Ein Schwerpunkt war unter anderem die Eingliederung der Blaustrumpfbibliothek ins neue Kulturwissenschaftliche Zentrum.
Kritik an der Abschaffung des Referats übt deshalb das Basisdemokratische Bündnis (BB), aus dessen Reihen die Gender-Referent*innen der vergangenen zwei Jahre kamen. „Wir deuten die Entscheidung der neuen Koalition als Zeichen für eine Rückkehr zur antifeministischen Politik der früheren ADF-ASten“, heißt es in einer Stellungnahme. Das BB konnte bei den Stupa-Wahlen im Januar nur noch einen Sitz erlangen und wird im kommenden Asta nicht mehr vertreten sein. Von den ehemaligen Koalitionspartnern GHG und Jusos ist das Bündnis offenbar enttäuscht: „Nun eine Koalition mit der ADF einzugehen und im gleichen Zuge auch noch das Gender-Referat abzuschaffen, ist skandalös und eine Absage an feministische, emanzipatorische Arbeit an der Universität.“
Personalmangel und Sparmaßnahmen
Die GHG weist diesen Vorwurf MoG gegenüber zurück: „Wir sehen Ökologie, Gender und Kultur als unsere inhaltlichen Arbeitsschwerpunkte. Entsprechend hat die GHG auch jedes Jahr die Einrichtung eines Gender-Referats gefordert“, schreibt die Gruppe in einem Statement. Allerdings sei die GHG derzeit nicht in der Lage, das Personal für drei „inhaltliche“ Referate zu stellen. Den Jusos geht es ebenso: „Wenn andere Gruppen dies könnten, hätten sie ja die Einrichtung beantragen könnten“, schreiben sie auf MoG-Anfrage und verweisen auf ihr Engagement unter anderem in Gleichstellungsgremien der Universität und im Ausschuss „Frauen- und Genderpolitik“ des studentischen Dachverbands fzs.
Das Gender-Referat ist auch Opfer einer Personalkürzung: Der neue Asta will sparen. Immerhin kostet eine Referent*innenstelle die Studierenden 700 Euro im Monat, eine dort angesiedelte Sachbearbeiter*innenstelle 400 Euro. Die GHG plant deswegen eine Zusammenlegung der Referate Ökologie, Gender und politische Bildung zu einem „breit ausgestatteten Referat, um so die notwendige Bürokratie zu reduzieren.“ So würden die „Personalkosten für den AStA tendenziell geringer ausfallen, so dass mehr Geld in Projekte gesteckt werden kann.“
Vergangenheit der ADF „bedenklich“
Die Hochschule ist in Göttingen ein gesellschaftlicher Dreh- und Angelpunkt für über 25.000 Studierende und rund 10.000 Mitarbeitende. „Es ist immens wichtig, an der Universität und im Alltag der Studierenden und Hochschulgruppen die Geschlechterhierarchien zum Thema zu machen, Projekte ins Leben zu rufen und vehemente feministische Kritik an den bestehenden Verhältnissen zu üben“, sagt Juliane Imbusch (BB), Genderreferentin im AStA 2012.
Die Abschaffung des Referats und insbesondere der wahrscheinliche Wiedereinzug der ADF in den AstA gibt der ehemaligen Referentin zu denken. Denn nach 10 Jahren ADF-AStA gab es für das Gender-Referat einiges zu tun: „Die politische Vergangenheit der ADF in Bezug auf feministische Politik ist bedenklich“, sagt Imbusch. „So schloss die Gruppe, während sie den AStA stellte, die Bücher der feministischen studentischen Blaustrumpfbibliothek in den Keller ein und verwehrte somit der Öffentlichkeit den Zugang. Ich sehe mit Besorgnis, dass diese Gruppe nun offenbar wieder im AStA sein wird.“ Die ADF äußerte sich gegenüber MoG nicht zu den Vorwürfen.
Ganz so schlimm, wie unter der Alleinherrschaft der ADF, wird es nicht kommen. Weder GHG noch Jusos stellen die Notwendigkeit von Genderarbeit in Frage. „Grundsätzlich heißen wir die Genderarbeit der letzten beiden ASten für gut und sind der Meinung, dass so die seit Jahren bestehenden Marginalisierung dieser Themen durch die vorherigen ASten abgebrochen werden konnte“, schreibt die GHG. „Zudem sehen wir Ergänzungsbedarf speziell bei Angeboten für LesBiSchwule Studierende. Auch die Vernetzung von gender mit anderen sozialen Kategorien wollen wir stärker fokussieren.“ Auch die Juso-HSG sieht viele positive Errungenschaften nach zwei Jahren genderpolitischer Arbeit im AstA, hätte sich aber mehr Eigeninitiative der Referent*innen gewünscht: „Eigene Schwerpunkte innerhalb der Referatsarbeit konnten wir kaum erkennen. Auch die bessere Verankerung von Genderaspekten innerhalb der Studierendenschaft hat uns gefehlt.“
Stupa übt schon mal Post-Gender-Referat
Bereits bei der konstituierenden Stupa-Sitzung zeigte sich die Notwendigkeit von Antidiskriminierunsarbeit in der Hochschulpolitik: Simon Jonski (Piraten) bekam trotz seiner Äußerung, dass Homophobie „schwul“ sei, ganz selbstverständlich vom Parlament die nötige absolute Mehrheit für das Amt des stellvertretenden Stupa-Präsidenten. Er antwortete damit auf die Nachfrage eines Parlamentariers nach einem Blogartikel, demzufolge er auf einer Sitzung der Piraten „Schwulsein ist nicht normal!“ gesagt haben soll. Eine glaubwürdige Distanzierung von Homophobie jedenfalls sieht anders aus.
Der neue Asta muss jetzt beweisen, dass er auch ohne Gender-Referat ernstzunehmende Gleichstellungsarbeit machen kann.
Disclaimer: Die Autorin ist Mitglied des BB und war selbst Genderreferentin im Göttinger Asta.
„Simon Jonski (Piraten) bekam trotz seiner Äußerung, dass Homophobie „schwul“ sei, ganz selbstverständlich vom Parlament die nötige absolute Mehrheit.“
Das ist doch mal neutrale Berichterstattung. 26 statt 34 Stimmen, nah selbstverständlich.
Nein ehrlich, ist MOG jetzt Werbeplattform des BBs? Das BB gibt ne Stellungnahme mit lauter Falschaussagen raus und wird danach darum gebeten einen Artikel auf MOG zu schreiben… Ja mensch Wahlwerbung schon im Frühling. Was ist denn da los. Wären in der Stellungnahme nicht so viele Mutmaßungen statt Fakten, würde ich das sogar positiv finden. Angreifen statt Einigeln, weiter so.
…jetzt kann man natürlich spannend darüber diskutieren, wie neutral der Artikel ist (anscheinend waren alle Beteiligten um Stellungnahmen gebeten, wer nicht antwortet, hat selbst schuld). Oder auch, ob es überhaupt wirklich „neutrale“ Berichterstattung geben kann, schließlich werden Artikel von Menschen verfasst, die irgendwie sozialisiert wurden, vlt bestimmte Erfahrungen zu einem Themengebiet mitbringen und einige nicht. Daher finde ich es gerade gut, dass die Autorin einen Disclaimer hinzugefügt hat.
Und woher genau hast du die Info, dass die MoG Redaktion das BB angefragt hat, doch mal einen Artikel hier zu verfassen? Es ist doch kein Geheimnis, dass einige Autor*innen auch eine hochschulpolitische Vergangenheit (und/oder Gegenwart) haben, die beim BB zu suchen ist. Sollen die jetzt bitte aufhören hier Artikel zu verfassen, weil sie ja garnichtmehr neutral schreiben können, weil sie beim BB sind/waren und sich schon Meinungen zu den Themen gebildet haben, um die es in dem Post geht?
Dankeschön für den Artikel!
@delorean: ist vielleicht nicht glücklich, aber immerhin steht da ja extra deutlich der Disclaimer drunter, der darauf hinweist, dass der Artikel nicht aus ner Außenperspektive geschrieben ist. Was willst du mehr?
Und aus Interesse: welche Falschaussagen wurden denn hier in den Zitaten gemacht? Offensichtlich gibt es kein Gender-Referat mehr (siehe StuPa TO), offensichtlich arbeitet man in Zukunft mit der ADF zusammen, die dieses Referat schon immer albern fand .. wo ist da der Fehler?
Das Konter-Argument von Jusos/GHG find ich übrigens nicht besonders überzeugend: Uns sind die Inhalte eine Gender-Referats wichtig, aber niemand bei uns wills machen?! Soll doch die Opposition das beantragen, die erfahrungsgemäß eh überstimmt wird? Wir lehnen’s dann bestimmt auch nur mit 26 Stimmen ab, um zu zeigen, dass es uns eigentlich ganz wichtig ist, oder wie?
Apropos 26 Stimmen: Okay, das ist ja schön zu hören, dass die Gruppen aus dem ehemals linken AStA nun homophob anmutende Leute zumindest nicht einstimmig wählen. Aber es sollte doch zu denken geben, dass schon bevor die Koalition überhaupt zu Stande kommt, solche Abstimmungen scheinbar à la „ich zeige mein schlechtes Gewissen, aber verhindere die Mehrheit nicht“-Manier gemacht werden. Erinnert mich irgendwie an die Bündnis-Grünen bei ihrer ersten Zustimmung zu Angriffskriegen im Bundestag – die haben aber zumindest mit der Aufgabe ihrer Inhalte zugunsten fauler Kompromisse gewartet, bis sie schon ne Weile im Amt waren. So fängt das also schon an mit dem hehren Ziel, auch über ne Koalition mit der ADF „linke Strukturen“ und „Inhalte“ hinüberzuretten. Das kann ja was werden.
„Nein ehrlich, ist MOG jetzt Werbeplattform des BBs? Das BB gibt ne Stellungnahme mit lauter Falschaussagen raus und wird danach darum gebeten einen Artikel auf MOG zu schreiben“
Das BB kontrolliert MoG? Das ist mir ganz neu. Woher hast du denn diese Information? Dem sollte mal auf den Grund gegangen werden, denn das kann ja nicht angehen, dass das BB den Journalist_innen propagandistische Arbeitsaufträge erteilt. Solltest du damit Recht haben ‚delorean‘, dann ist das eine unglaublicher Skandal!!! Vor allem, wenn es sich zudem auch noch um eine Stellungnahme mit lauter Falschaussagen handelt. Das ist ja eine Frechheit, dass die auch noch Stellungnahmen fälschen. Wo soll denn das hinführen? Und dann sind die auch noch so doof und schreiben den BB-Zusammenhang unter den Artikel!
Eine volle Referent*innen-Stelle kostet 910€, nicht 700€, fällt mir grad so auf…
Seit wann das? Im Haushalt sind der letzten 2 Jahre sind die meisten mit 700€ angegeben. Das Studierendenparlament kann das übrigens auch frei festlegen – es haben die letzten zwei Jahre auch ein paar ReferentInnen nicht die übliche „volle“ Aufwandsentschädigung von 700€ genommen. Teilweise sogar weniger als SBs.
Genau genommen ist das Geld-Spar-Argument gar nicht so ganz richtig. Egal ob ReferentIn oder SB, kann die Koalition sich selbst überlegen, wem sie wieviel geben. Allerdings muss für SB-Stellen auch eine Knappschaftsabgabe gezahlt werden – das gilt soweit ich weiß für ReferentInnen nicht. Also Geld sparen spräche genau genommen eher gegen viele SBs und für mehr Referate. (siehe http://www.asta.uni-goettingen.de/download.php?filename=download%2FHaushaltsplan_2012_genehmigt.pdf, S. 18f)
@fee_mina
Die Autorin ist laut Disclaimer Mitglied beim BB und war Genderreferentin im AStA. Der Artikel kann nur veröffentlicht werden, wenn die JournalistInnen von MoG ihn freischalten. Bisher hatte ich nie das Gefühl, dass MoG für eine der linken HSGen direkt partei ergreift. Dies tut MoG in dem Fall aber, da mit der vorherigen Stellungnahme des BBs bereits politische Konflikte und eine klare Position der Autorin zutage gekommen sind. Diese Position untermauert sie mit Aussagen wie „Simon Jonski (Piraten) bekam trotz seiner Äußerung, dass Homophobie „schwul“ sei, ganz selbstverständlich vom Parlament die nötige absolute Mehrheit.“ Ob Jonski die Mehrheit nicht überhaupt nur mithilfe von UMern und LHG bekommen hat, weiß die Autorin natürlich nicht. Er wurde aber laut ihr „ganz selbstverständlich“ gewählt.
Was du mit Stellungnahme fälschen, meinst, verstehe ich leider nicht.
Zu der Stellungnahme des BBs:
In dieser Stellungnahme befinden sich leider tatsächlich Aussagen, die nicht den Tatsachen entsprechen.
1. Die Autorin des BBs hätte, wenn sie um Neutralität bemüht gewesen wäre, den Artikel auch für Richtigstellungen an der eigenen Stellungnahme im Vorfeld nutzen können.
2. Außerdem habe ich mich sehr über eine derart unsachliche Stellungnahme des BBs geärgert. Normalerweise bin ich von dieser Gruppe einen selbstkritischen und reflektierten Umgang mit eigenen Aussagen gewohnt.
Ich verstehe nicht ganz, inwiefern relevant ist, wer alles für Jonski gestimmt hat. In dem Satz steckt doch nur drin, dass eine Mehrheit des Stupas ihn nach dieser Aussage gewählt hat und das wird problematisiert?
Ansonsten hat MoG immer schon in Artikeln Haltung gezeigt, in diesem Fall eben für ein Gender-Referat. Durch den Disclaimer ist auch klar, aus welcher Position heraus der Artikel geschrieben wurde. Dennoch halte ich ihn für Ausgewogen, alle Beteiligten kommen zu Wort und niemand wird über die Maße kritisiert. Der Artikel ist übrigens kein Gastbeitrag, die Autorin ist Redaktionsmitglied.
Ich kann die Stellungnahme von BB und diesen Artikel einfach nicht getrennt betrachten. Tut mir leid. Wenn ich erst von der gleichen Autorin lese, dass der neue AStA antifeministisch sei und die Gender-SachbearbeiterIn keinerlei Mitspracherecht bei politischen Entscheidungen des AStAs haben wird. Dann lese ich unweigerlich eine Tendenz in diesem Artikel ab, die diese zuvor verfasste Stellungnahme nochmal bestätigen und in einem anderen Rahmen thematisieren soll. Hätte sie die zuvor verfassten Aussagen richtiggestellt, sehe das vielleicht anders aus.
Es ist einfach falsch und tendenziös dargestellt, dass Jonski „ganz selbstverständlich“ gewählt wurde. Eine Stimme weniger und der von den Jusos vorgeschlagene Kandidat wäre durchgefallen. Ich bezweifel, dass das so von denen gewollt gewesen ist. Seine homophoben Aussagen wurden sehr wohl mit der Verweigerung der Stimme sanktioniert und daher ist das Ganze auch kein Fall für die Antidiskriminierungsarbeit des Genderreferats, was die Autorin versucht zu suggerieren. Es zeigt nur umso mehr, dass der neuen Koalition das Personal für ein Genderreferat fehlt, wenn sie solche Leute für irgendwelche Ämter vorschlagen.
@redfag: Nee, für alle muss Knappschaftsangaben gezahlt werden. Für mich zieht das Argument schon, denn es wird ja nicht nach Stundensatz abgerechnet, sondern die Leute nehmen so viel wie sie brauchen. Da die Sachbearbeiter*innen ihr Studium im Gegensatz zu den Referent*innen nicht unterbrechen, brauchen sie i.d.R. weniger. Würde ich zumindest so einschätzen, dass das dahinter steht…
@reiter: okay dann muss ist mein Argument falsch, dass es sogar billiger wäre. Wundert mich nur, das im Haushaltsplan vom letzten Jahr bei den SBs die Knappschaftsabgaben angegeben sind, bei den ReferentInnen aber nicht. Kann aber auch sein, dass die Rechtslage da noch nicht ganz klar war am Anfang der Legislatur.
Beurlaubung für SB-Stelle müsste theoretisch auch möglich sein – aber in der Praxis hast du recht, das wird wohl seltener passieren. (trotzdem, ein Gender- und Öko-Referat mit halbem Gehalt – für das sich Leute eventuell auch nicht beurlauben ließen – liefe auch dann finanziell auf’s gleiche hinaus wie zwei SBs.) Aber okay, entscheidend wird natürlich letztlich sein, was vom AStA da inhaltlich dieses Jahr kommt, nicht in welchem Posten man das macht. Der Anfang mit dem StuPa-Präsidium war da jetzt da keine besondere Glanzleistung der neuen Koalition in der Hinsicht. Wäre schön dazu noch eine Stellungnahme von Jusos/GHG zu bekommen.
@redfag: Da stimme ich dir zu. Ich bin auch mal gespannt, was da vom AStA so kommt. Meistens heißen so große Koalitionen ‚Stillstand‘. Aber schauen wir mal, was sich in den nächsten Wochen so ergibt…