Demo für bedingungsloses Bleiberecht

Roma rufen auf, nur wenige kommen mit
von am 15. Oktober 2012 veröffentlicht in featured, Politik, Soziale Bewegungen

Kinder führen die Demo an - Foto: RomaCenter

Am vergangenen Samstag demonstrierten ca. 60 Menschen für ein bedingungsloses Bleiberecht. Aufhänger für die Demo war die Solidarität mit der Flüchtlingskarawane „Refugee Protest March to Berlin“ aus Würzburg, die nach 600 Kilometern Fußmarsch vor kurzem Berlin erreicht hatte. Wie in Berlin, so wurde auch in Göttingen Duldung und Abschiebung kritisiert. Die Demonstration stieß dabei nicht nur auf Gegenliebe. Besonders die Abschlusskundgebung beim Gänseliesel erregte bei einigen Menschen die Gemüter.

Neben der Mehrheit, die sich uninteressiert an der Kundgebung auf dem Göttinger Marktplatz vorbeiquetschte, jenen die sich entnervt die Ohren zuhielten und der Blumenhändlerin, die in der Demo hauptsächlich eine Geschäftsschädigung sah, gab es auch noch die Passantin, die sich beim Lautsprecherwagen darüber beschwerte, was denn noch für die Deutschen übrig bleibe. Schließlich kam noch ein älterer Herr hinzu und rief Richtung Demoveranstalter_Innen: „Vaterlandsveräter! Euch sollte man gleich mit abschieben!“ Die Demoteilnehmer_Innen pöbelten zurück, er solle sich verpissen, ein Demoteilnehmer schnipste ihm von hinten sein Cappie vom Kopf, als er sich gerade umdrehte, um zu gehen. Zwei Polizeibeamte zogen den älteren Herrn aus der Menge. Als er diskutierte und sich weigerte zu gehen, mussten die Beamten handgreiflich werden, und ihn gewaltsam vom Marktplatz entfernen.

Die Demo hatte bis dahin ihren Weg vom Rosenwinkel in die Innenstadt gefunden und dabei viele Betroffene eingesammelt, die auch den vordersten Block bildeten, welcher mehrheitlich aus unter 10-jährigen Roma bestand. Diese verteilten Flyer und durften auch übers Mikrofon zu Wort kommen, um zu begründen, warum sie nicht in den Kosovo abgeschoben werden wollen.
Die große Zahl von Kindern mag ein Grund gewesen sein, warum sich die Polizei auffallend zurückhaltend verhielt und sogar kleines Feuerwerk duldete.

In den Redebeiträgen wurde das Leben im Zustand der Duldung, die schlechten Wohnbedingungen von Migrat_innen sowie die Ghettoisierung im Blümchenviertel im Westen Göttingens thematisiert. Angeklagt wurden vor allem die zuständige Ausländerbehörde, als auch Bundes- und Landesministerien, die für Regelungen, wie zum Beispiel Arbeitsverbot und Residenzpflicht verantwortlich sind. Doch auch das gesellschaftlich verbreitete Credo der Integration stand am Pranger, dass ein Bleiberecht an den Willen und die Fähigkeit zu kultureller Anpassung knüpft.

Eine Solidaritätsadresse ging auch an die Flüchtlingkarawane in Berlin. Am 8. September hatten Flüchtlinge aus Würzburg ihre Duldungsbescheinigung zerrissen und sich nach Berlin aufgemacht, um für ein neues Asylrecht in Deutschland zu protestieren. Auf dem Weg hatten sich zahlreiche weitere Flüchtlinge dem Protestzug angeschlossen. Duldung bezeichnet den Zustand in dem sich viele Migrat_innen in Deutschland befinden. Sie haben keine Aufenthaltsgenehmigung und die Abschiebung ist nur „vorübergehend ausgesetzt“.

Trotz der moderaten Tageszeit (Start: 11 Uhr) war die Zahl der Teilnehmer_innen für Göttinger Verhältnisse sehr gering. Besonders zum Anfang hatte es nur wenige in in den Rosenwinkel verschlagen. Nur im Verlauf der Demonstration erhöhte sich die Zahl etwas. Die betroffenen Göttinger Roma und der unterstützende Arbeitskreis Asyl hatten wohl auf mehr Unterstützung aus der linken Szene gehofft.

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3 Kommentare auf "Roma rufen auf, nur wenige kommen mit"

  1. ulm(A) sagt:

    Demo am 10. November um 14:30 Uhr Platz der Göttinger Sieben
    Solidarität mit der bundesweiten Flüchtlingsbewegung– für ein würdiges Leben für alle Menschen!

    der komplette Aufruf findet sich hier: http://www.papiere-fuer-alle.org/

    Da wird sich dann mal wieder zeigen wie weit die Solidarität eines großen Teiles der Göttinger linken geht. Während die einen wahrscheinlich immer noch diskutieren ob man denn am 09.11 nun als linker feiern gehen darf oder nicht, wird es sicher auch wieder einen großen Teil abschrecken auf eine Demo zu gehen an der auch Betroffene (in diesem Fall-Menschen ohne sicheren Aufenthaltsstatus) Teilnehmen auf die Mensch dann bei Aktionen auch mal Rücksicht nehmen müsste. Und dabei ist mit dem Lager in Friedland die ekelhafte Fratze Bundesdeutscher Abschiebepolitik jetzt endgültig im Landkreis angekommen.
    Also – Arsch hoch und am Samstag die bundesweite Flüchtlingsbewegung unterstützen – für ein würdiges Leben für alle Menschen!

  2. Harvey sagt:

    Wie ist das mit dem „Rücksicht nehmen“ bei Aktionen denn gemeint und warum sollte das abschrecken? Das Lager Friedland gibt es doch nun schon wirklich lange, die spezifischen Probleme dort zur Zeit haben zwar jede Menge mit Rassismus in der Mitte der Gesellschaft zu tun, aber nur sehr entfernt mit Abschiebepolitik. Es gibt doch auch hervorragende Gründe, solidarisch auf diese Demo zu gehen, ohne gleich alle anderen Themen verächtlich über einen Kamm zu scheren.

  3. Rakete sagt:

    Das Lager Friedland gibt’s schon lange, aber die Asylsuchenden sind neu. Monsters lesen bildet 😉 http://monstersofgoe.de/2011/03/06/freiheit-zweiter-klasse/

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