Aus Angst vor Abschiebung
Familie Saciri ist untergetaucht
von hank scorpio am 22. Februar 2012 veröffentlicht in Antirassistische Politik & Verfolgung, featured, Polizei & JustizDie Roma-Familie Saciri „wurde nicht abgeschoben“, wie die Ausländerbehörde der Stadt Göttingen heute mitgeteilt hat. Grund dafür ist aber nicht die Reiseunfähigkeit der Mutter Bahtjia Saciri. Einer Pressemitteilung des AK Asyl zu Folge ist die Familie untergetaucht. Der Weg in die Illegalität sei letztendlich unvermeidbar gewesen, heißt es.
Am Mittwoch den 22.02.2012 ist die Duldung von Bahtjia Saciri (48) und ihrer drei Kinder Zeneli (15), Jelana (16) und Siad (18) abgelaufen. Nachdem die Mutter letzte Woche Dienstag mit Verdacht auf Herzinfarkt ins Krankenhaus Neu-Bethlehem eingeliefert wurde, bestand zunächst die Hoffnung, dass ihr die Reiseunfähigkeit bescheinigt würde. Nur auf diesem Wege wäre eine Abschiebung legal zu verhindern gewesen. Am Freitag wurde Bahtjia Saciri ohne die entsprechende Bescheinigung aus dem Krankenhaus entlassen und an einen niedergelassenen Arzt für die weitere Behandlung übergeben. Laut Aussage ihres Sohnes Basi Saciri (33) konnte sie nicht mehr laufen und musste getragen werden. Sie litt zudem an Angstzuständen und Paranoia. Am Dienstag bescheinigte ihr dann der Arzt die Reiseunfähigkeit. Das Attest wurde beim Gesundheitsamt eingereicht, wo Bahtjia Saciri einen Termin zur Untersuchung beim Amtsarzt hatte. Der Stadt Göttingen reicht ein einfaches ärztliches Attest nicht aus, es muss vom Amtsarzt bestätigt werden. Bahtjia Saciri ist auf Grund ihres psychischen Zustands und ihrer Immobilität zu dem Termin allerdings nicht erschienen, so ihr Sohn Basi Saciri gegenüber Monsters of Göttingen.
Das letzte legale Mittel, um die drohende Abschiebung zu verhindern, wäre die stationäre Einweisung ins Universitätsklinikum gewesen. Laut Aussage von Joachim Rogge von der Ausländerbehörde der Stadt Göttingen, wäre die Abschiebung dann ausgesetzt worden. Dieser Schritt war der Familie offensichtlich immer noch zu riskant. Sie zog es vor, sich vor den Behörden zu verstecken, wie einer Pressemitteilung des AK Asyl zu entnehmen ist: Für die Familie Saciri „war der Gang in die Illegalität immer noch vorstellbarer als die Reise an einen zerstörten Ort, der für sie nicht mehr Heimat, sondern nur noch Bedrohung ist“. Die Ausländerbehörde wird scharf dafür kritisiert, dass sie das ärztliche Attest nicht anerkannt und es lieber in Kauf genommen hätte „die Familie jeder Perspektive zu berauben, die Kinder in die Illegalität zu drängen und somit dem unmenschlichen Willen ihres Dienstherren in Hannover, Uwe Schünemann, Folge zu leisten“. Damit hätte sich die Ausländerbehörde bewusst entschieden, „den erklärten Willen des Göttinger Stadtrats, keine Roma in den Kosovo abzuschieben, zu ignorieren.“
Die Göttinger Zivilgesellschaft wird am Schluss der Erklärung aufgefordert, sich für ein Bleiberecht für Roma einzusetzen. Um die marginalisierte gesellschaftliche Situation der Roma einer breiten Öffentlichkeit bekannt und bewusst zu machen, sollen zwischen dem 23. und 25. März 2012 Veranstaltungsreihen „mit Film, Theater und einer Demonstration“ stattfinden. Ziel ist es, einen „wirkungsvollen Abschiebeschutz für Roma zu organisieren“ und ein Bleiberecht zu schaffen. Diese Forderung deckt sich mit der Kritik diverser Menschenrechtsorganisationen und politischer Parteien (Monsters berichtete).
Über das weitere Schicksal der Familie Saciri wird Monsters of Göttingen weiterhin berichten.
Am 20.01.2013 sind Landtagswahl in Niedersachsen.
Schünemann und Co. abschieben … !