Bürgerdialog zu den anstehenden Kürzungen gestartet
Göttingen entscheidet sich
von topf am 17. Februar 2012 veröffentlicht in LokalpolitikSteuererhöhungen und Kürzungen – so sieht das Patentrezept der Verwaltung zur Sanierung des Göttinger Haushalts aus. Vor dem Hintergrund des Zukunftsvertrages müssen in den nächsten Jahren über 5 Millionen Euro gespart werden. Treffen würde es unter anderem den Frauennotruf, die Pro-Familia Beratung und diverse Kultureinrichtungen. Noch ist aber nichts entschieden; an der Diskussion sollen sich auch die BürgerInnen beteiligen, wozu eine Internetplattform gestartet wurde.
Angesichts „unkalkulierbarer Risiken und drückender Zinslast“ hatte die Stadt bereits im Sommer die Weichen für die Beteiligung am Zukunftsvertrag des Landes Niedersachsen gestellt. Dieser Entschuldungshilfepakt sieht vor, dass Kommunen bis zu 75% ihrer Schulden abgenommen kriegen, sich aber im Gegenzug verpflichten, weitreichende Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung zu treffen. Im Fall Göttingens bedeutet das eine Entschuldung in Höhe von ca 140 Millionen Euro, im Gegenzug darf die Stadt über die nächsten 10 Jahre keinen defizitären Haushalt aufweisen.
Um das zu gewährleisten, muss die Stadt ab 2013 ein Defizit von 5 Millionen Euro abbauen. Wie das geschehen soll, will die Stadt im Einvernehmen mit den BürgerInnen entscheiden, wozu jetzt die Internetplattform „Göttingen entscheidet sich“ gestartet wurde. Zeitglich mit dem Start der Plattform wurde eine Reihe an Vorschlägen veröffentlicht, wie diese Summe eingespart werden könne. Mit einer Erhöhung der Gewerbesteuer und der Grundsteuer sei es möglich, über 3 Millionen Euro einzunehmen, so Oberbürgermeister Meyer (SPD) bei der heutigen Ratssitzung. Weitergehend gäbe es bei der Verwaltung ein Einsparungspotential in Höhe von einer knappen Million Euro.
Während diese Vorschläge bei der heutigen Ratssitzung weitgehend unumstritten waren, fällt ein anderer Posten mehr ins Gewicht: Bei den freiwilligen Leistungen der Stadt soll ebenfalls eine Million Euro gespart werden. Dies betrifft in erster Linie Einrichtungen aus den Bereichen Soziales, Kultur und Sport-Förderung. Bereits im Sommer war eine vorläufige „Giftliste“ der Verwaltung öffentlich geworden, was für einen Aufschrei des Entsetzens bei den betroffenen Einrichtungen und der göttinger Öffentlichkeit gesorgt hatte. Während die Liste damals umgehend dementiert wurde, ist sie dieses Mal reichlich konkret; Von den Kürzungen betroffen wären unter anderem der Frauennotruf E.V, die Pro-Familia-Beratung, eine Reihe von Kultureinrichtungen und die Göttinger Sportvereine. Weitergehend soll durch die Fusion von Kultureinrichtungen wie MUSA und KAZ und der Jugendpädagogischen Arbeit vom Jungen Theater und dem deutschen Theater eine erhebliche Summe gespart werden. Auch die Schließung des Freibads Weende steht zur Diskussion.
Auffällig ist, dass sich die Stadt diesmal bemüht, die Einsparvolumina möglichst gering wirken zu lassen. Noch im Sommer standen ganze Einrichtungen wie das junge Theater zur Disposition, diesmal verteilen sich die Lasten auf viele kleine Projekte. Was jedoch nicht weniger gravierende Folgen hätte, wie Ute Zillig vom Frauennotruf E.V. erläutert. Für ihre Einrichtung bedeuten die Kürzungen in Höhe von 13500€ eine erhebliche Einschränkung ihres bisherigen breiten Angebots. „Besonders die proaktive Arbeit, also das aktive Zugehen auf polizeilich registrierte Opfer häuslicher Gewalt, würde dann entfallen“, so Zillig. Ein Vertreter des Bündnis Lebenswertes Göttingen unterstreicht dies: „es sind besonders die kleinen Projekte mit geringem Umfang, die durch die anstehenden Kürzungen wegfallen werden, aber auch kleine Projekte sind ein wichtiger Beitrag zu einem lebenswerten Göttingen“.
Doch auch größere Einrichtungen wären nach jetzigem Stand betroffen. So sollen unter anderem das DT und das Göttinger Symphonieorchester eine erhebliche Summe sparen. Oberbürgermeister Meyer zufolge könnten diese die Verluste aber dank Rücklagen auffangen. Für kleinere Einrichtungen gilt das nicht und auch wenn die Finanzierung des Frauennotrufs Meyer zufolge Landesaufgabe sei, glaubt Ute Zillig nicht, dass die proaktive Arbeit vom Land Niedersachsen finanziert würde – das sei nun mal eine freiwillige Leistung und nicht durch das Gewaltschutzgesetz gedeckt.
Und während die einzelnen Einrichtungen versuchen, die Notwendigkeit ihrer Arbeit herauszustellen, wird auf der Internetplattform schon fleißig diskutiert; den Göttinger Grünen zufolge ist es angesichts der Entschuldungsangebots „Umso entscheidender, dass sie diese Entscheidung in Abstimmung und im Einvernehmen mit der Göttinger Bevölkerung treffen.“ Davon will das Bündnis für ein lebenswertes Göttingen nichts wissen. Einem Vertreter des Bündnis zu Folge sei es fatal so einen Spardiskurs zu initieren, denn das würde lediglich den Blick vom strukturellen Defizit der Finanzierung der Kommunen ablenken. Dass es dieses Defizit gibt, bestätigte auch OB Meyer in der Ratssitzung – ob die Stadt ernsthaft etwas dagegen unternimmt, wissen wir bei Monsters nicht.