Böllerposse nimmt ein Ende
Freiheit für Martin R.
von Marcel Ramzinsky am 30. Januar 2012 veröffentlicht in Polizei & Justiz, TitelstoryDie Staatsanwaltschaft Göttingen hat die Berufung im Prozess gegen den Antifa-Aktivisten Martin R. zurückgezogen. Damit ist der Freispruch vor dem Amtsgerichts vom Juli vergangenen Jahres rechtskräftig. Einen handfesten Grund für die DNA-Entnahme gab es somit nicht.
Dem 21-Jährigen war vorgeworfen worden, im Januar 2010 bei einer Demonstration einen Polizisten durch einen Böllerwurf schwer verletzt zu haben; nach Auffassung der Staatsanwaltschaft eine „Straftat von erheblicher Bedeutung“. Martin R. war deswegen im Vorfeld eine DNA-Probe entnommen worden.
Martin R.s Anwalt Sven Adam sagte, die Rücknahme der Berufung überrasche ihn nicht. Sie habe ohnehin keine Aussicht auf Erfolg gehabt. Es sei aber pikant, dass der jetzt rechtskräftig zurück gewiesene Vorwurf für eine zwangsweise DNA-Entnahme hergehalten habe. „Hier wurden die Befugnisse der Staatsanwaltschaft über die gesetzlichen Regelungen hinweg ausgeweitet. Beweise oder die entsprechende Verdachtstiefe für eine Schuld des jungen Mannes habe es nicht gegeben.
Seit der Anordnung der DNA-Entnahme hatte der Verdacht im Raum gestanden, dass das Verfahren um den Böllerwurf nur vorgeschoben sein könnte, um an die DNA des Göttingers zu kommen. Die Polizei verdächtigte Martin R. auch an einem mutmaßlichen Brandanschlag im Göttinger Kreishaus Anfang 2010 beteiligt gewesen zu sein. Laut Adam wollten die Ermittler andere Verfahren nutzen, um seine DNA mit Spuren aus dem Kreishaus zu vergleichen. Der polizeiliche Verdacht bestätigte sich jedoch nicht.
In dem Böllerwurfverfahren vor dem Amtsgericht war sogar die Staatsanwaltschaft von ihrem Vorwurf der „vorsätzlichen schweren Körperverletzung“ abgewichen und hatte nur noch von „fahrlässiger Körperverletzung“ gesprochen. Martin R. habe den Böller nicht auf den Polizisten geworfen, sondern ihn lediglich fallen gelassen.
Die vorsitzende Richterin hatte jedoch „so viele Unwahrscheinlichkeiten und Unklarheiten“ gesehen, dass sie Martin R. letztlich „nicht guten Gewissens verurteilen“ konnte. Daraufhin kündigte die Staatsanwaltschaft an, vor das Landgericht zu ziehen. Warum die die Berufung nun zurückgezogen wurde, ist unklar. Es bleibt zu vermuten, dass Göttingens Staatsanwaltschaft eine erneute Blamage vermeiden wollte.
Ganz zu Ende ist die Geschichte jedoch noch nicht. Erst in der vergangenen Woche hatte Martin R. gegen eine angeordnete ED-Behandlung vor dem Verwaltungsgericht geklagt und verloren. Anlass hierfür ist ebenfalls der nicht nachzuweisende Böllerwurf. Vor dem Hintergrund der zurückgenommenen Berufung kündigte Rechtsanwalt Adam nun an, Rechtsmittel einzulegen.
„Dass der harte Hund Hans-Hugo Heimgärtner nun einknickt, muss als großartiger Erfolg der monatelangen Solidaritätsarbeit bewertet werden“, kommentierte eine Sprecherin der Antifaschistischen Linken International A.L.I. den Rückzug der Berufung durch Göttingens Oberstaatsanwalt. Landtagsabgeordnete aus SPD, Bündnis90/Die Grünen, Die Linke, lokale Parteigliederungen, Gewerkschaftsjugendverbände, Unigruppen und linksradikale Initiativen hatten seit Dezember 2010 die erzwungene DNA-Entnahme bei „Martin R.“ zurückgewiesen und durch unterschiedlichste wichtige Beiträge ihre konkrete Solidarität ausgedrückt. Dafür dankte die Antifasprecherin allen Unterstützerinnen und Unterstützern. Mehr Infos gibt es auf ali.antifa.de
http://www.inventati.org/ali/index.php?option=com_content&view=article&id=1899:ali
23.3.2012
Speichelprobe darf nicht erzwungen werden | http://www.lawblog.de/index.php/archives/2012/03/23/speichelprobe-darf-nicht-erzwungen-werden/