Rot-Grün statt Schwarz-Grün im Landkreis

Kommunalwahl in Göttingen
von am 11. September 2011 veröffentlicht in featured, Lokalpolitik, Titelstory

Am 11. September 2011 fanden in Niedersachen Kommunalwahlen statt. Die Wahlberechtigten in Göttingen bekamen mindestens drei Zettel: Stadtrat und Kreistag wurden gewählt und eine Direktwahl für das oberste Verwaltungsamt fand statt. Gewinner_innen der Wahl sind die Grünen, das Amt des Landrates ging an die SPD. Im Kreis wird nun die Schwarz-Grüne Koalition von einer Rot-Grünen Koalition abgelöst. Herbe Verluste gab es für die FDP. Der Wahlabend im Ticker-Rückblick.

Ausgangslage
Kurz und bündig: 2006 wurde zuletzt gewählt. In Göttingen lag die Wahlbeteiligung bei 50,4%. Im Landkreis lag die SPD mit 38,4% knapp vor der CDU (37,7%), die aber mit den Grünen (13,1%) eine schwarz-grüne Koalition bildete. Im Kreistag waren außerdem FPD (6,3%) und LINKE (3,8%) vertreten. Im Stadtrat dominierte eine rot-grüne Koalition (SPD: 34,8%, Grüne 20,8%) vor CDU (28,2%), FDP (8,8%) und LINKE (6,8%). Details zur Verteilung in der Vergangenheit und zu den Ortsräten gibt es in der Wikipedia.
Ein neuer Oberbürgermeister wurde zuletzt 2006 und wird erst 2014 wieder gewählt, solange bleibt Wolfgang Meyer (SPD) im Amt.

Die Grünen haben diesmal mit Christel Wemheuer eine eigene Kandidatin aufgestellt, die gegen den SPD-Kandidaten Bernhard Reuter und CDU-Kandidatin Dinah Stollweck-Bauer antritt. Eine Stichwahl gibt es nicht, also gewinnt, wer die meisten Stimmen bekommt. Hier lieferte sich die SPD auch schon eine kleine Schlammschlacht mit den Grünen, wir berichteten.

Wir werden ab 18:00 Uhr im Rathaus sein und vermutlich ein wenig tickern. Mehr lest ihr dann hier in diesem Artikel, den wir entsprechend erweitern werden. Außerdem stellt der Fachbereich Wahlen der Stadt Göttingen die Ergebnisse auch Live im Portal wahlen.goettingen.de bereit.

17:08 Anekdote zu Beginn: Das geplante Lernzentrum der Uni, das auf einem alten Friedhof gebaut wird, geistert auch im Wahlkampf herum: Christian Zigenhorn (CDU) wirbt mit seiner Erfahrung als Vorsitzender der Kommission, die über die Studiengebühren-Vergabe in der Uni entscheidet, unter ausdrücklichem Verweis auf das zu seiner Amtszeit geplante Lernzentrum. Wenn der Kalauer gestattet ist: Hat schon jemand die Kirchenarchive durchgesehen, ob am Leineberg unter dem Gelände des geplanten Güterverkehrszentrums mal ein Friedhof war?

17:20 Weil die Beiträge ganz gut sind und weil es nun mal auch gute Gründe gibt, nicht wählen zu gehen, soll noch mal kurz auf die Texte zu goeNOT?vote bei uns hingewiesen werden.

18:10 Bei der KDS gibt es auch eine schönere Darstellung der (Zwischen-)Ergebnisse.

18:20 Die ersten Ergebnisse trudeln ein. Die Balken tanzen noch, bisher sind die Zahlen noch nicht besonders aussagekräftig. Hin und wieder ist am Gemurmel des Publikums zu merken, dass neue Zahlen hinzugekommen sind.

18:23 Das Göttinger Tageblatt twittert mit dem Hash-Tag „#goewahl“.

18:40 Für die Landrätinnen- bzw. Landratswahl geht das Auszählen schnell, weil es nur drei mögliche Optionen für ein einziges Kreuz gibt. Jetzt sind knapp die Hälfte der Wahlbezirke ausgezählt. Die Grünen liegen vorn – aber nur in der Göttinger Innenstadt. Insgesamt liegt Bernhard Reuter (SPD) mit gut 40 Prozent knapp vor Dinah Stollwerck-Bauer (CDU) mit 35 Prozent. Das darf bereits als kleiner Erfolg für den SPD-Wahlkampf gelten.

18:55 Die Wahlbeteiligung ist niedrig. In der Stadt, wo die meisten wohl zu Fuß zur Wahl gehen, hat wohl das schlechte Wetter viele davon abgehalten, am Nachmittag noch wählen zu gehen. Die Beteiligung liegt dort teilweise unter 25 Prozent. Auf dem Lande liegt sie bei gut 50 Prozent. Jetzt sind fast zwei Drittel der Zettel ausgezählt – und der Vorsprung von B. Reuter (SPD) vor D. Stollwerck-Bauer (CDU) schrumpft.

19:08 Das Stadtradio Göttingen twittert auch und macht Live-Berichterstattung, u.a. auch von den Pressekonferenzen der Parteien. Auch im Internet-Livestream, Link auf der Homepage des Stadtradios.
Der Vorsprung von Bernhard Reuter ist hauchdünn – und es fehlen noch Ergebnisse aus sehr CDU-geprägten Wahlbezirken.

19:25 Im SPD-Haus herrscht angespannte Warte-Stimmung: Hier geht es jetzt um Vorsprünge, die in hundert-Stimmen-Schritten diskutiert werden.

19:45 Das Stadtradio berichtet von ähnlicher Stimmung bei der CDU – und „langen Gesichtern“. Man hat wohl auf einen klaren Vorsprung gehofft. Hier (SPD-Haus) wie dort lassen sich die Kandidaten mit ihrem engsten Wahlkampfstab noch nicht blicken und hocken bestimmt noch gespannter vor den Monitoren als ihre jeweilige Wahlkämpfer_innen-Schar. Bei der CDU, so berichtet das Stadtradio, wird dazu auch noch mit Technik-Problemen gekämpft.

19:50 Seit über einer halben Stunde keine Aktualisierung im Internet-Wahlportal: Das geht an die Nerven des Publikums. Es wird in den Tiefen des Systems herumgeklickt, da Ergebnisse einzelner Wahllokale schon teilweise eingetragen sind.

20:00 Es geht weiter, das Datenverarbeitungssystem läuft wieder. Der Vorsprung der SPD liegt bei 500 Stimmen. Zu früh, um schon in Jubel auszubrechen. Es fehlen noch gut 2500 auszuzählende Stimmen.

20:15 Die ersten Ergebnisse für den Stadtrat trudeln ein. Es ist noch zu früh, um etwas aus ihnen zu deuten. Anekdotenwert hat aber die Tatsache, dass die Piratenpartei derzeit vor der FDP liegt. Die muss auch im Landkreis, wo ein gutes Viertel der Wahlbezirke ausgezählt ist, ordentlich einstecken.

20:35 Jedes Zwischenergebnis wird bejubelt: Die SPD baut ihren Vorsprung langsam wieder aus. Sie liegt auch im Kreistag leicht vorn, dort haben aber vor allem die Grünen ihre Stimmenzahl ausgebaut. Dort sowie beim Stadtrat ist aber noch alles offen.

20:47 Die „Graue Panther Jugend“ wird wohl nicht in den Göttinger Stadtrat einziehen. Neu dabei, so scheint es derzeit, wird aber wohl die Piratenpartei sein.

21:20 Es ist noch immer nicht alles ausgezählt, aber Bernhard Reuter wird optimistisch als neuer Landrat beklatscht. Vom größten Erfolg der SPD auf kommunaler Ebene seit 20 Jahren spricht Unterbezirksvorsitzende Thomas Oppermann. Bernhard Reuter bedankt sich bei den Wahlkämpfer_innen und seinen Wähler_innen. „Wir waren die Partei, die den aktivsten Wahlkampf gemacht hat“, sagt er. Außerdem sei ihr Wahlkampf auch der „jüngste“ und „kreativste“ gewesen und bedankt sich dafür auch ausdrücklich bei den Jusos. Bei der SPD wird nicht mehr gewartet, hier wird jetzt mit Sekt angestoßen.


Thomas Oppermann mit dem Sieger der Landratswahl, Bernhard Reuter

22:08 Es fehlen immer noch 4 Wahlbezirke, aber Bernhard Reuter hält seinen Vorsprung. Auf Landkreisebene geht die Auszählung auch auf das Ende zu. SPD führt weiter leicht vor der CDU, beide mussten aber Prozente abgeben. Die flossen unter anderem an die Grünen, die ihren Anteil ordentlich ausgebaut haben und als Sieger_innen der Wahl gelten müssen. Verlierer ist vor allem relativ gesehen die FDP, die mit weniger als der Hälfte des Vorjahreswerts dasteht. Im Stadtrat sieht es derzeit danach aus, dass die CDU – und wiederum die FDP – Stimmen verliert, die SPD ebenfalls leicht und die Grünen hier ebenfalls als Gewinner_innen dastehen: Es sieht danach aus, als würden sie nach der SPD nun eine stärkere Fraktion als die CDU stellen.

23:05 Es sind jetzt auch alle Wahlbezirke ausgezählt. Die SPD gewinnt mit 1007 Stimmen Vorsprung die Landratswahl. Im Kreis wird es wohl zukünftig eine rot-grüne Koalition mit SPD-Landrat geben. Damit ist die Zeit von schwarz-grün im Landkreis Göttingen wohl auch vorbei. Im Rathaus, wo SPD und Grüne ihre Wahlparty feiern, werden schon die ersten Vorgespräche geführt. Im Rathaus gibt es auch die langen Gesichter der FDP zu sehen. Die CDU ist dagegen in ihrem Parteihaus geblieben und leckt dort die Wunden. Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen: Die Wahlkampfslogan-Verballhornung „Dinahdranvorbei“ macht im Rathaus die Runde.

23:10 Die Wahlbeteiligung ist im Vergleich zum Vorjahr leicht um gut einen Prozentpunkt gesunken. Sie liegt bei der Landratswahl bei nicht ganz 50 Prozent.

23:50 Zusammenfassung: Leichte Verluste aber das Landratsamt für die SPD, die in Zukunft in Koalition mit den Grünen auch die Politik im Kreistag wieder mitbestimmen. Die Grünen sind die eigentlichen Gewinner_innen der Wahl und erzielen auch ein respektables Ergebnis für Christel Wemheuer, deren Kandidatur wider Erwarten mancher nicht der CDU das Landratsamt beschert hat. Kleinere Verluste für die CDU und sicher ein wenig Zerknirschtheit, dass man die Stichwahl bei der Landratswahl abgeschafft hat – obwohl eine solche wohl auch wenig Erfolgsaussichten gehabt hätte. Im Stadtrat muss die CDU sich gar mit dem dritten Rang hinter den Grünen begnügen. Bei der LINKEN Verluste unter einem Prozentpunkt – aber eben auch keine Gewinne, trotz der Positionierung zum Thema Zukunftsvertrag. Die FDP im Bundestrend – mit enormen Verlusten. In der Stadt Göttingen zieht nun die Piratenpartei erstmalig in den Stadtrat ein, eventuell gar mit gleich zwei Sitzen. Sie hat voraussichtlich sogar ein besseres Ergebnis als die FDP, die dann nur auf einen Sitz käme. Die Spaßguerilla „Graue Panther Jugend“ hat wohl nicht so recht eine Zielgruppe finden können – ihre gut 300 Stimmen werden nicht für einen Sitz im Stadtrat reichen.

Damit endet der Ticker hier. Zu den Zahlen und zu Übersichten sei auf die Seite der KDS verwiesen, in der sich die Details der Wahl bis ins Kleinste aufgeschlüsselt anzeigen lassen.

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2 Kommentare auf "Kommunalwahl in Göttingen"

  1. Jenny sagt:

    nette Wahlbeobachtung, staatsmännisch! – warum fällt mir dazu nur kein gegenderter Begriff ein?
    Wahlhelfer_innen, die schon über 25 Jahre jede Wahl dabei sind, können genau sagen, welche Familie aus welchem Haus diesmal (nicht) zur Wahl gegangen ist. Ihre entsprechenden Kommentare dann lassen gute Schlüsse in Bezug auf die Wahrnehmung des Parlamentarismus zu.
    Das die Wahlbeteiligung im Laufe der Jahrzehnte so zurückgegangen ist, ist auch Ausdruck davon, dass die „unteren Ebenen“ immer mehr entmachtet wurden. Der geplante Zusammenschluss der südniedersächsischen Landkreise unter dem neuen SPD Landrat ist nur ein weiterer Schritt in diese Richtung, ebens wie der Zukunftsvertrag mit dem Land Niedersachsen (Entschuldungs blah blah).
    Soviel zu einer eher qualitativen Wahrnehmung der Wahl …

  2. uli-e sagt:

    War Wahlhelfer, dass erste mal. Könnte sagen wer in unserem Haus gewählt hat und wer nicht gewählt hat. Dürfte es aber nicht sagen. Soviel: Die Wahlbeteiligung in unserem Haus lag unter dem Kreisdurchschnitt.

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