Georg-Christoph-Lichtenberg-Gesamtschule

Wie gewonnen, so zerronnen
von am 16. Juni 2011 veröffentlicht in featured, Soziale Bewegungen

Deutschlands beste Schule steht in Göttingen. Das Konzept der Georg-Christoph-Lichtenberg-Gesamtschule ist gerade mit dem deutschen Schulpreis ausgezeichnet worden. Trotzdem will die konservativ-liberale Landesregierung dieses Konzept nun verunmöglichen, weil es ihr nicht in den ideologischen Kram passt.

Das Erfolgsrezept der im Stadtteil Geismar gelegenen Schule ist das integrative Lernen. Die Schüler_innen werden bis zur zehnten Klasse nicht nach erbrachter Leistung getrennt, sondern lernen beabsichtigt in Gruppen gemeinsam mit Schüler_innen anderer Leistungsniveaus. „Die extreme Spannbreite im Leistungsbereich der Lernenden wird produktiv genutzt: Individualisierte Lernprozesse, die Möglichkeit, unterschiedliche Niveaustufen zu erreichen, sind integriert in das gemeinsame Lernen“, heißt es in der Laudatio für den Schulpreisgewinner. „In der Sekundarstufe I wird konsequent auf Fachleistungsdifferenzierung verzichtet, bis in die Klasse 8 hinein gibt es Lernentwicklungsberichte – keine Noten, es gibt kein Sitzenbleiben, kein Abschulen“, wird dort weiter geschwärmt. Gemessen an den Ergebnissen der Abiturprüfungen gehört die Schule zu den landesweit besten fünf Prozent aller Schulen mit Oberstufe.

Das Votum der fünfköpfigen Schulpreisjury fiel daher in diesem Jahr einstimmig auf die Georg-Christoph-Lichtenberg-Gesamtschule. Überreicht wurde der Preis am vergangenen Freitag von Bundespräsident Christian Wulff in Berlin. Dies ist bereits die erste Spitze in diesem Fall: Als Wulff noch CDU-Ministerpräsident in Niedersachsen war, legte er den hiesigen Gesamtschulen jede Menge Steine in den Weg, wollte sie sogar verbieten. Jetzt musste er eine von ihnen als beste der Nation auszeichnen.

Bei der niedersächsischen Landesregierung führte diese Auszeichnung freilich nicht zu einem Paradigmenwechsel. Am dreigliedrigen Schulsystem, das mit seiner Seperation der Schüler_innen nach Leistung bereits früh soziale Weichen stellt, soll nicht gerüttelt werden, da sind sich CDU und FDP einig. Mehr noch: das integrative Konzept der Göttinger Gesamtschule könnte dem Ende geweiht sein.

Denn wie Anfang der Woche bekannt wurde, wird es für die Gesamtschule auch angesichts der Auszeichnung keine Ausnahme vom so genannten Turboabi geben. Wie auch an anderen niedersächsischen Schulen mit Oberstufe muss hier künftig das Abitur nach zwölf statt bisher 13 Jahren abgelegt werden. Für die IGS bedeutet das, dass sie ihre Schüler_innen bereits nach der achten Klasse anhand der erbrachten Leistungen trennen muss.

Kritik daran kommt vor Allem von der SPD. „Die niedersächsische Landesregierung ist nicht in der Lage, die ideologischen Scheuklappen in Sachen Schule abzulegen“, kommentierte deren Stadtverbandsvorsitzender Horst Reinert. „Teamarbeit und besonders der gemeinsame Unterricht aller Kinder bis Klasse 10 bilden den Kern des Erfolgs der IGS.“ Mit einem Federstrich würde nun zerstört, „was in jahrzehntelanger Arbeit von Lehrern, Eltern, Schülern, Wissenschaftlern, Politikern und vielen anderen gemeinsam entwickelt worden ist“, so der SPD-Chef.

Die Göttinger SPD-Landtagsabgeordnete Gabriele Andretta nannte die Entscheidung der Landesregierung „ideologisch verbohrt“. „Statt das prämierte Schulkonzept als Vorbild für andere Schulen zu fördern, soll ihm jetzt im Korsett des G8 der Garaus gemacht werden“, kommentierte die Abgeordnete. Auch der Fraktionsvorsitzende der Landtagsgrünen, Stefan Wenzel, forderte die Landesregierung auf, „angesichts des in der Praxis erwiesenen Erfolgs des gemeinsamen Lernens den Integrierten Gesamtschulen wieder zu ermöglichen das Abitur nach 13 Jahren anzubieten.“

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5 Kommentare auf "Wie gewonnen, so zerronnen"

  1. Antiatomico sagt:

    „Jetzt musste er eine von ihnen als beste der Nation auszeichnen.“
    –>
    Bereits vor 3 Jahren wurde mit der Robert-Bosch-Gesamschule in Hildesheim eine NIEDERSÄCHSICHE GESAMTSCHULE als beste Schule Deustchlands mit diesem höchstdotierten Schulpreis bedacht.

    „Am dreigliedrigen Schulsystem, das mit seiner Seperation der Schüler_innen nach Leistung bereits früh soziale Weichen stellt, soll nicht gerüttelt werden, da sind sich CDU und FDP einig.“
    –>
    Mit dem Pushen der sog. „Oberschule“ setzt sie für die Zukunft auf Zweigliedrigkeit, um die egalitären Gesamtschulen weiterhin zu unterdrücken …

  2. Rakete sagt:

    Hallo Antiatomico, da muss ich dir widersprechen. Es stimmt zwar, dass die Oberschule formal die Dreigliedrigkeit aufhebt, weil sie Haupt- und Realschule verbindet. Trotzdem sollen die Schüler_innen in dieser Schulform abgesehen vom Sportunterricht in zwei unterschiedlichen Leistungsniveaus unterrichtet werden. Defakto bleibt die Dreigliedrigkeit also bestehen.

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