AsylbewerberInnen in Friedland

Freiheit zweiter Klasse
von am 6. März 2011 veröffentlicht in Hintergrund, Politik, Titelstory

Als „Tor zur Freiheit“ gilt das Grenzdurchgangslager in Friedland bei Göttingen. Seit Anfang des Jahres werden dort auch AsylbewerberInnen aufgenommen. Sie sind im Lager MigrantInnen zweiter Klasse und werden womöglich wieder abgeschoben. Probleme, die die anderen Zuwanderergruppen nicht kennen.

Auf den ersten Blick sieht im Grenzdurchgangslager alles aus, wie immer. Die Baracken stehen wie schon seit über 50 Jahren in Reih und Glied. Vor ihren Türen sieht man vereinzelt Flüchtlinge Zigaretten rauchen. Auf dem Spielplatz toben ein paar Kinder in der Kälte und vor dem Speisesaal stehen schon die ersten Flüchtlinge mit knurrendem Magen an. Auch der Lagerleiter Heinrich Hörnschemeyer sieht aus wie immer, als er adrett gekleidet im Anzug durch die Baracken schreitet. In Wirklichkeit hat sich hier aber zum Jahreswechsel eine ganze Menge geändert.

„Neu hinzugekommen ist die Tatsache, dass ab dem 1. Januar auch für Niedersachsen vorgesehene Asylbewerber hier in Friedland aufgenommen werden“, sagt Hörnschemeyer. „Zunächst ist vorgesehen, Personen aus dem Irak, aus Afghanistan und dem Libanon aufzunehmen.“ Langsam will er es angehen lassen, schließlich beinhaltet die Umstellung ein völlig neues Verfahren für die Lagerleitung. Rund 180 AsylbewerberInnen sind Anfang März im Lager, bis Mitte des Jahres sollen 350 Betten für sie vorgehalten werden.


Heinrich Hörnschemeyer in einer Flüchtlingsunterkunft

Bislang waren es vornehmlich so genannte Spätaussiedler und jüdische ZuwanderInnen, für die Friedland die letzte Station auf dem Weg in ein Leben in Deutschland war. Nach dem zweiten Weltkrieg kamen Vertriebene und ehemalige Kriegsgefangene in das Lager. Im vergangenen Sommer dann verließen die letzten der irakischen Kontingentflüchtlinge das „Tor zur Freiheit“, wie das Lager sich gerne nennen lässt. Sie waren mit Bundeswehrmaschinen aus dem Irak nach Langenhagen ausgeflogen und in Friedland mit Integrations- und Sprachkursen auf ein Leben in Deutschland vorbereitet worden.

Die Flüchtlinge, die jetzt nach Friedland kommen, sind weit weniger Willkommen. Sie werden nach dem Asylbewerberleistungsgesetz versorgt, erhalten also weit weniger staatliche Unterstützung. „Das wird möglicherweise auch zu Spannungen führen zwischen den verschiedenen Gruppen in Friedland“, sagt Martin Steinberg, Leiter der evangelischen Inneren Mission in Friedland. „Hier werden wir sicher Konflikte schlichten müssen, hier werden wir aufklären müssen, hier werden wir Erfahrungen sammeln.“

Essen, Trinken, Unterkunft – das gibt es für die AsylbewerberInnen nur noch als Sachleistung. Bargeld gibt es nur sehr wenig. „Es wird ein Gutscheinsystem geben für Kleidung und Sanitär- und Hygieneartikel“, sagt Pastor Steinberg. „Das ist nicht so prall, die Wohlfahrtsverbände wünschen sich da eigentlich andere Angebote.“


Eine der Baracken von Innen

Auch Sprachkurse erhalten die Flüchtlinge keine. Lagerleiter Hörnschemeyer findet, das mache keinen Sinn, weil die Flüchtlinge nach etwa zwei Monaten das Lager wieder verlassen. Pastor Steinberg hingegen meint, zwei Monate im Lager ohne jedes Angebot seien „eine Härte“. Deswegen versucht er nun, Sprachkurse über die Kirche zu finanzieren.

Die AsylbewerberInnen kommen auf unbekannten Wegen nach Friedland. Häufig gelangen sie wohl mit Schleuserbanden nach Deutschland, haben womöglich ein Leben in der Illegalität hinter sich. Werden sie in der Region von der Polizei aufgegriffen, setzt diese sie in einen Zug nach Friedland, erklärt Lagerleiter Hörnschemeyer. Bei einer Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge im Lager stellen sie ihren Antrag auf Asyl. Wenn Aussicht auf Erfolg besteht, werden sie von Friedland aus auf niedersächsische Gemeinden verteilt. Wird der Antrag wahrscheinlich abgelehnt, werden die Flüchtlinge ins Abschiebelager nach Bramsche gebracht. Dort wird ihr Versuch, über das „Tor zur Freiheit“ nach Deutschland zu gelangen, jäh mit der Abschiebung beendet.


Karg eingerichtet: die Flüchtlingsunterkünfte

Für Lagerleiter Hörnschemeyer bedeutet die neue Flüchtlingsgruppe vor Allem Veränderungen im Verwaltungsablauf. Anders als die SpätaussiedlerInnen sprechen sie nur selten englisch und kein deutsch, sodass in Friedland DolmetscherInnen gebraucht werden. Diese Aufgabe übernehmen Studierende von der Universität Göttingen. „Und wir werden uns auch darauf einstellen müssen, dass die Personen aus anderen Kulturkreisen kommen“, sagt Hörnschemeyer. Die Erfahrungen mit den irakischen Flüchtlingen seien diesbezüglich „ganz positiv“ gewesen. „Wir haben den Speiseplan schon umgestellt, weil viele auf Schweinefleisch verzichten.“

Den menschlichen Part übernehmen im Lager die Wohlfahrtsverbände. Neben der evangelischen Inneren Mission sind auch das Deutsche Rote Kreuz und die Caritas mit Angeboten vor Ort. Sie bieten Informationsveranstaltungen, Gottesdienste, einen Jugendraum und ein Internetcafé an. Auch Seelsorge gehört zum Angebot der Verbände. Die Sorgen, die die Flüchtlinge haben, sind fast immer gleich, weiß Pastor Steinberg. „Die Flüchtlinge, die kommen, suchen Unterstützung für ihre Situation“, sagt er. „Diese Unterstützung suchen sie bei allen, von denen sie erwarten, da könnte Hilfe möglich sein.“ Steinberg versucht zu helfen, wo er nur kann. „Wir können seelsorgerlich in Krisen die Menschen begleiten, wir können ihnen Informationen geben, wie sie zum Beispiel mit Angehörigen hier in Deutschland oder Freunden Kontakt aufnehmen können.“ Vor der drohenden Abschiebung kann sie jedoch nicht beschützen.

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