Politik auf Sendung

Bürgerfunk im StadtRadio
von am 14. November 2010 veröffentlicht in Hintergrund, Politik, Soziale Bewegungen, Titelstory

Jede_r kann im StadtRadio Göttingen auf Sendung gehen und damit tausende Hörer_innen erreichen. Leider bleibt diese Möglichkeit von den meißten politischen Initiativen der Stadt ungenutzt. Zwei aktuelle Beispiele machen es besser.

Insgesamt 21 Stunden ging am Castor-Wochenende die Bürger_innenfunksendung „RadioAktiv“ im StadtRadio auf Sendung. In Kooperation mit Radio Freies Wendland wurden die Proteste gegen den Castortransport in und um Göttingen live über den Äther begleitet. Dabei gab es sogar ein Live-Interview mit den Aktivist_innen einer Kletteraktion, während diese sich bei Kassel von einer Brücke abgeseilt hatten.

Auch die Gruppe OLAfA geht im Januar auf Sendung. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Gegen das Vergessen. Zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus“ sendet sie zwei Radio-Features. Zu hören gibt es „Radio-Interviews, die nie geführt wurden und doch etwas zu sagen haben.“ Die OLAfA hat den Schriftsteller und Philosophen Jean Améry gefragt – seine Texte haben geantwortet.

Dies sind begrüßenswerte Einzelfälle im StadtRadio. Denn bis auf wenige Ausnahmen wird in den Bürger_innenfunk-Sendungen überhaupt nicht über Politik berichtet. Noch weniger nutzen politische Basisinitiativen diese Möglichkeit, ihre Inhalte an die Hörer_innen zu bringen. Der überwiegende Anteil der politischen Sendeinhalte wird von den festangestellten Redakteur_innen und freien Mitarbeiter_innen der hauptamtlichen Redaktion produziert – neben dem Bürger_innenfunk die zweite Säule im StadtRadio. Die dritte Säule ist die Medienpädagogik, also die Vermittlung von Medienkompetenz, der Fähigkeit zum Radiomachen. Mehrere in diesem Zusammenhang auf dem diesjährigen Antifee-Festival angebotene Workshops blieben allerdings unbesucht.

Freier Zugang zum Äther

Das ist schade, denn jede_r kann im StadtRadio auf Sendung gehen. Voraussetzung ist die Absolvierung einer Grundschulung, die mehrmals im Jahr angeboten wird. Das technische Equipment stellt der Sender. Dafür bekommt er Geld – unter anderem vom Land Niedersachsen, Stadt und Landkreis Göttingen. Abgesehen von einem einmaligen Obolus für die Grundschulung ist das Senden auf der 107,1 MHz für jeden kostenlos. Eine von vielen ungenutzte und wohl auch unterschätzte Möglichkeit, Inhalte unter die Göttinger_innen zu bringen.

Andere Bürger_innensender bzw. Freie Radios geben in dieser Hinsicht ein besseres Bild ab. Radio FSK aus Hamburg ist ein sehr bekanntes Beispiel und glänzt mit seinem politischen Programm ebenso wie Radio Corax aus Halle (jüngst für seine publizistische Arbeit vom Journalistenverband Sachsen-Anhalt ausgezeichnet) und viele andere. Insgesamt 150 Bürger_innenmedien gibt es in Deutschland. Sie sollen einerseits jeder Person den Zugang zu den Medien ermöglichen. Das niedersächsische Sondermodell des Bürger_innenfunks hat zusätzlich die ausgewiesene Aufgabe, lokale Medienmonopole publizistisch zu ergänzen. In sofern wäre das StadtRadio also die publizistische Ergänzung zum Göttinger Tageblatt.

Und das durchaus mit Erfolg. Die Konsument_innenzahl von Bürger_innenmedien wird Hochrechnungen zu folge auf zwischen drei und sechs Millionen geschätzt, mehr als 1,5 Millionen Bundesbürger_innen rezipieren täglich ein Bürgermedium. Die täglich in Deutschland gesendeten rund 1500 Programmstunden entsprechen 60 Vollzeitprogrammen, die von 20.000 bis 30.000 größtenteils ehrenamtlichen Produzent_innen realisiert werden. Die Bürger_innenmedien übertrumpfen damit in Sachen Quantität sogar die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten, die 2004 rund 1400 Sendestunden täglich produzierten.

Gute Zahlen für das StadtRadio

Das StadtRadio erreicht laut einer Erhebung aus dem Jahr 2006 27,8% der Göttinger_innen als „Weitester Hörerkreis“ (WHK). Jede_r dritte Göttinger_in hatte innerhalb von zwei Wochen das StadtRadio eingeschaltet. 10,3% sehen sich gar als Stammhörer_in. Damit liegt das StadtRadio auf Augenhöhe mit dem kommerziellen Sender Radio21, weit vor Stationen wie NDR Info (16,5% WHK) oder Deutschlandfunk (15,0% WHK) und knapp hinter N-Joy (30,4%). Unangefochten führt der kommerzielle Sender FFN das Feld mit einem WHK von 50,5% an. 84% der Göttinger_innen gaben in der Erhebung an, das StadtRadio zu kennen (NDR Info: 68%), 65% haben den Sender schon einmal gehört (NDR Info: 38%). Von den 13 niedersächsischen Bürger_innenmedien lag das StadtRadio mit diesen Ergebnissen auf Platz 3.

Dieses Potential bleibt von den politischen Basisinitiativen der Stadt leider weitgehend unbeachtet und ungenutzt. Schön wäre es, ergäbe sich aus den aktuell anlaufenden Projekten ein Trend hin zum politischen Bürger_innenfunk im StadtRadio.

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Ein Kommentar auf "Bürgerfunk im StadtRadio"

  1. e.r. sagt:

    aber passt auf, dass euch nicht die sendelizenz entzogen wird, wenn ihr dort party mit hundert leutz macht….. 🙂

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