Di. 27.4.: Zwischen Knüppel und Kommunikation – Polizei und Protest in der Bundesrepublik
von am 21. April 2010 veröffentlicht in Diskussion, Termine, Tipp!, Vortrag

Vortrag und Diskussion mit Michael Sturm (Uni Leipzig)

Ankündigunstext:

Über „die“ Polizei kursieren viele Mythen. Nicht selten erscheint die Polizei als geheimnisvoller „Apparat“ an den sich zahlreiche Ängste, aber auch Ansprüche und Hoffnungen knüpfen. Das tatsächliche Wissen um die Polizei, ihre historischen Entwicklungslinien, ihre Strukturen und ihr Selbstverständnis ist jedoch oftmals erstaunlich dünn.

In dem Vortrag sollen verschiedene Aspekte der Entwicklung polizeilichen Einsatzverhaltens seit den späten 1960er Jahren nachgezeichnet werden. Kam bis dahin, in der Hochphase des Kalten Krieges vor allem der Bereitschaftspolizei in der Bundesrepublik (wie unter umgekehrtem Vorzeichen in der DDR auch) die Funktion einer Bürgerkriegsarmee zur Niederschlagung befürchteter bewaffneter Aufstandsversuche zu, begann sich im Zuge der „Beatkrawalle“ und der Proteste der 68er-Bewegung das Selbstverständnis und die Einsatzstrategien der Polizei zu verändern. Erst Recht die Proteste der neuen sozialen Bewegungen seit den 1970er Jahren, aber auch Großereignisse wie etwa die Fußball-WM 2006, führten zu grundlegenden polizeilichen Reformen. Die verbreiteten Schlagworte in gegenwärtigen polizeilichen Diskursen lauten „Konfliktmanagement“ und „Deeskalation“. Die neuen polizeilichen Einsatztaktiken bei Protestereignissen sind indessen zwiespältig. Zum einen betont die Polizei nach außen ihr „demonstrantenfreundliches“ Auftreten, zum anderen wurde das Einschreiten gegen vermeintliche „Störer“ zunehmend professionalisiert. Ziel polizeilicher Einsätze bei Demonstrationen ist es demnach nicht zu reagieren, sondern zu agieren. Der Rechtsstaat soll „nach vorne“ verteidigt und polizeiliche Ziele möglichst konsequent umgesetzt werden. Überblickt man die Anwendung polizeilicher Gewalt im Protestgeschehen der letzten Jahre, so kann von der vielfach behaupteten „Zivilisierung“ der Handlungsmuster und der Stärkung „deeskalierender“, kommunikativ ausgerichteter Einsatzstrategien nur in sehr eingeschränktem Maße gesprochen werden. Das Droh- und Gewaltpotential, das die Polizei nicht zuletzt durch ihre spezialisierten Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten (BFE) repräsentiert, hat sich weder faktisch noch in der Wahrnehmung des Publikums verringert.

Was ist also von der Selbstdarstellung der Polizei als „zivilgesellschaftlicher Partner“ zu halten? Handelt es sich bei polizeilicher Gewaltanwendung im Rahmen von Demonstrationen um bedauerliche Ausnahmen? Oder lassen sich auch in diesem Bereich Tendenzen einer zunehmenden „Verpolizeilichung“ der Bundesrepublik erkennen?

Dienstag, 27. April, 19:00 Uhr, Institut für Kulturanthropologie (Friedländer Weg 2, Göttingen), Raum PH 05

Organisiert von der Basisgruppe Fusion im Rahmen der Veranstaltungsreihe der Initiative für gesellschaftliches Engagement – Gegen Kriminalisierung und politische Justiz .

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