„Der zweite Tod meines Vaters“ – Michael Bubacks Kampf um seinen Glauben an den Rechtsstaat
von am 14. März 2010 veröffentlicht in Politik

Sonntagmorgen, zehn Uhr, draußen ist es kalt und windig und wenig Menschen sind unterwegs. Zum Abschluß des Seminars „die RAF – Selbstverständnis, Ziele und Selbstauflösung“ veranstaltet die Göttinger Stipendiatengruppe der Stiftung der Deutschen Wirtschaft eine Lesung mit Michael Buback aus „der zweite Tod meines Vaters“. Wer weiß, dass auf die Veranstaltung mit kontroversem Thema auch über politisch links geprägte Foren im Internet hingewiesen wurde, registriert angenehm überrascht das Fehlen von Polizei-Bewachung, die in der Vergangenheit regelmäßig Folge solcher Veranstaltungshinweise war. Aber für viele ist es wohl ohnehin noch zu früh. Dem überwiegend jungen, akademischen und bildungsbürgerlichen Publikum wird schwere Kost aufgetischt: Es geht um Schuldige, und es geht um den Rechtsstaat.

Buback – auch Professor für Chemie an der Uni Göttingen, hier aber als Autor und vor allem persönlich Betroffener – kündigt kurz an, zunächst aus dem Buch lesen zu wollen, dann aber auch noch über weitere Entwicklungen zu referieren. Vorweg gibt es eine kurze schnelle Einführung: Namen, Zeiträume. Die Lesung beginnt mit dem Abschnitt über das persönliche Erleben der Nachricht vom Tod seines Vaters und der Fahrt ins Elternhaus. Dann kommt Buback zu seinen aktuellen Recherchen, die er in den letzten Jahren unternahm und darauf sein Buch aufbaute. Häufig unterbricht er sich und macht Anmerkungen. Im Anschluss schildert er noch aktuellere Entwicklungen, die sich erst nach der Veröffentlichung ergeben haben.

Michael Buback (* 1945) ist Sohn des 1977 von der RAF getöteten Generalbundesanwalt Siegfried Buback. Verurteilt wurden für die Tat die RAF’ler Klar, Folkerts und Mohnhaupt. In Göttingen wurde auf die Tat hin ein Text geschrieben, der als „Göttinger Mescalero“ bekannt wurde und der fortan Zielscheibe bürgerlicher Empörung war. Michael Buback ist heute Professor an der Uni Göttingen. Er begann schließlich Jahrzehnte nach der Tat, auf eigene Faust Ungereimtheiten der offiziellen Lesart der Tat zu recherchieren und veröffentlichte diese 2008 in seinem Buch „Der zweite Tod meines Vaters“.

Den Sohn des von der RAF getöteten Generalbundesanwalt Buback treiben die Zweifel an der offiziellen Version des Tatgeschehens. Zahlreiche Indizien und persönliche Aussagen hat er gesammelt, die zusammen die Täterschaft der letztlich Verurteilten infrage stellen und auf andere Personen deuten. Oft deutet Buback an, was ihn antreibt: er erträgt schwer, dass die wirklich Beteiligten ungeschoren davongekommen sein könnten.

Vorsichtig geht er mit Vorwürfen um: in der anschließenden Diskussion wird er nach der staatlichen Motivation gefragt, die für die „Schlamperei oder die [absichtlich] schützende Hand“ verantwortlich sei. Festlegen mag er sich nicht. Und weist auf „Fehlerfortsetzung“ bezüglich der Frage, wieso selbst heute, mit neuen Amtsträgern nichts offiziell überprüft werde – trotz naturwissenschaftlichen Vokabulars hier allerdings schon fast eine gesellschaftskritische Anmerkung. Es ist ihm wichtig, nicht für einen Verschwörungstheoretiker gehalten zu werden. Und dann bricht doch wieder Empörung heraus: Beim dritten Reich oder „sogar“ bei der DDR wäre solch eine Sache längst aufgeklärt.

Da überrascht es dann schon, wenn er zugleich auch findet, dass das “Vertrauen in den Rechtsstaat” sehr wichtig sei. Er bemerkt es selbst wohl nicht, aber er kommt dem Charakter dieses Vertrauens dann doch auf die Schliche – bei einem Vergleich zur Skandalwirkung von Ereignissen spricht er die jetzt bekannt gewordenen Kindesmißbrauchsfälle in der katholischen Kirche an. So ist wohl auch das formulierte Vertrauen in Wirklichkeit eher ein Glauben in den Rechtsstaat. Und selbst wenn der „erschüttert“ sei – von ihm lossagen will Buback sich nicht. Keine Vorwürfe an den Rechtsstaat – keine grundsätzliche systemische Kritik. Für Buback zählt vor allem persönliche Verantwortung. Und zuförderst die derjenigen, die konkret das Attentat verübten.

Ein wenig resigniert wirkt Buback. Ob er die neueren Erkenntnisse auch veröffentlichen wolle? Er wiegelt ab und bemüht sich nicht zu klagen: Es sei vielleicht auch nicht interessant genug für das Publikum. Er habe keine Lust mehr, immer gegen Wände zu rennen, sagt er an anderer Stelle. Man merkt, dass es mit seinem Vertrauen in eine kritische bürgerliche Öffentlichkeit auch nicht mehr so gut bestellt ist. Vielleicht glaubt auch Buback nicht mehr, dass die Erschütterung des Glaubens in den Rechtsstaat wieder gut gemacht wird.

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3 Kommentare auf "„Der zweite Tod meines Vaters“ – Michael Bubacks Kampf um seinen Glauben an den Rechtsstaat"

  1. Harvey sagt:

    Na sowas: Der Verfassungsschutz ist endlich mit dem clearing der Akten durch: http://www.taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/verena-beckers-geheimakten-entsperrt/

    Auch dort wartet vermutlich aber nicht die Aufklärung, die sich Buback wünscht. Es würde mich sehr wundern, wenn viel neues nach außen dringt.

  2. babybär sagt:

    lesen hier zufällig anwältInnen mit? ich hätte da nämlich fragen, die mir die suchmaschinen nicht so auf die schnelle beantworten wollten.

    im taz-artikel heißt es nämlich, dass nicht nur die quelle (haha …), sondern auch die aussagen „geheim“ bleiben müssten.
    heißt das, dass beckers anwälte auch nichts öffentlich sagen dürfen?
    wird die öffentlichkeit dann jedes mal ausgeschlossen, wenn es um die betreffenden aussagen geht? auch bei den plädoyers?
    geht doch eigentlich nicht, das wär ja, als ob zwei verfahren parallel in einem geführt werden?
    und vor allem, wichtigste frage: was ist mit den offenbar belasteten stefan, christian und günther und ihren rechtsbeiständen? beantragen die dann akteneinsicht in diesen anderen prozess oder müssen die warten, bis das verfahren abgeschlossen ist , und dann wird neu über die geheimhaltung der aussagen entschieden oder was?

  3. Harald sagt:

    Ja, sieht so aus als ob der Öffentlichkeit da wieder Lügen aufgetischt wurden. Doch das ist leider nicht nur in diesem Fall so. Die Lügen stapeln sich sozusagen meterweise.

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