Hausdurchsuchung: Das sagt die Polizei
von am 28. Januar 2010 veröffentlicht in Antirassistische Politik & Verfolgung, Politik

Nachdem die Polizei gestern Abend ein von Linken bewohntes Haus in der Roten Straße durchsucht hat, schilderte sie heute Nachmittag ihre Sicht der Dinge auf einer Pressekonferenz. Der Leiter des Zentralen Kriminaldienstes, Volker Warnecke und Direktionsvizepräsident Roger Fladung stellten sich um 14.30 Uhr den Fragen der Journalist*innen. Warnecke leitete die kriminaltechnischen Ermittlungen im Zuge der Durchsuchung.

Die Spur in die Rote Straße hätten zwei Spürhunde unabhängig voneinander vom Kreishaus aus gefunden, sagte Warnecke. Die Polizei habe ihnen einen „Spurenträger“ unter die Nase gehalten, woraufhin sie die Fährte aufgenommen hätten, bis sie vor dem später durchsuchten Haus angezeigt hätten, dass die Spur hineinführe.

Was für ein Spurenträger das genau war, will Kripo-Chef Volker Warnecke nicht sagen. Ob es sich dabei um das Flugblatt handelte, das die Polizei in der Ausländerbehörde gefunden hatte, bleibt offen. Das hatte die Polizei als Indiz für eine politische Motivation der vermeintlichen Brandstiftung gewertet. Womöglich steht es aber auch gar nicht mit dem Brand in Verbindung.

Bei der Durchsuchung hätten die Hunde dann in vier unterschiedlichen Räumen angeschlagen, die daraufhin von der Polizei durchsucht wurden. Bei den Hunden habe es sich um so genannte Man-Trailing Hunde gehandelt, die darauf trainiert sind, Menschen ausfindig zu machen. An den Bewohner*innen des Hauses hätten die Tiere die Spur allerdings nicht wieder gefunden, so Warnecke. Gut möglich also, dass die Person, der die Spur zugeordnet wird, sich zwar in den Räumen aufgehalten hat, aber dort gar nicht wohnt.

Dennoch hat die Polizei nun in zwei Bewohnern und zwei Bewohnerinnen vier Tatverdächtige gefunden, gegen die Ermittlungen eingeleitet wurden. Sie waren auch die Eigentümer*innen der beschlagnahmten Gegenstände: mehrere Notebooks und Datenträger wurden beschlagnahmt sowie weitere „Dinge die möglicher Weise zur Tatbegehung verwendet worden seien könnten“, so Warnecke. Neben den Computern sei eine Flasche Klebstoff als möglicher Brandbeschleuniger beschlagnahmt worden, sagte der Rechtsanwalt der Bewohner, Sven Adam. Offensichtlich versuche die Polizei, ihre Funde aufzubauschen..

Erstmals hat die Polizei auch den gefundenen Brandauslöser genauer beschrieben. Sie spricht mittlerweile von einer „unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung“, die zum Brand im Kreishaus geführt habe. Sie sei insofern „szenetypisch“, als dass baugleiche Brandsätze bei anderen Brandanschlägen mit linkspolitischem Hintergrund verwendet worden seien. Ein Zusammenhang mit der Anschlagsserie auf Autos in Göttingen könne anhand der Zündvorrichtung nicht bewiesen werden, sagte Vizepräsident Roger Fladung.

Trotz der Hausdurchsuchung ermittle die Polizei weiterhin in „alle Richtungen“, sagte Fladung. Auch Kommentare aus der „linksextremistischen Szene“ im Internet würden von den Ermittler*innen ausgewerten und ergäben mitunter neue Spuren. Die Ermittlungen führe bislang nur die Göttinger Polizei. Das Bundeskriminalamt ermittele nicht in Zusammenhang mit dem Brand, so der Vizepräsident. Festgenommen hat die Polizei noch niemanden, dafür reichen die Anhaltspunkte nicht aus. Es gebe nur Indizien und keine Beweise, so Kripo-Chef Warnecke.

Das Stadtmagazin goest berichtet unterdessen von einer stadtverwaltungsinternen Mail vom vergangenen Freitag, dem Tag des Brandes im Kreishaus. „Am Freitagvormittag ist ein Wasserkocher im Landkreis-Gebäude explodiert“ soll es darin u.a. geheißen haben. Goest nimmt dies zum Anlaß, die Brandursache als womöglich bewusst falsch inszeniert darzustellen, weist aber auch daraufhin, dass die Informationen nicht verifiziert seien.

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8 Kommentare auf "Hausdurchsuchung: Das sagt die Polizei"

  1. Rakete sagt:

    Pressemitteilung der Polizei:

    POL-GOE: (54/2010) Brandanschlag auf Landkreisgebäude – Polizei
    ermittelt gegen Tatverdächtige aus der linksextremistischen Szene

    Göttingen (ots) – Göttingen
    Donnerstag, 28. Januar 2010

    GÖTTINGEN (jk/ik) – Im Zusammenhang mit den Ermittlungen
    wegen des Brandanschlags auf das Göttinger Landkreisgebäude am
    22.01.10 (siehe unsere Pressemitteilung Nr. 41 vom 22.01.10)
    ermittelt die Polizei Göttingen in alle Richtungen. Nach den ersten
    Spurenauswertungen haben sich erste konkrete Ermittlungsansätze
    ergeben.

    Am Mittwochabend (27.01.10) haben Einsatzkräfte ein von
    Angehörigen der linksextremistischen Szene bewohntes Haus in der
    Roten Straße durchsucht. Zwei Spezialhunde (sogenannte
    Mantrailerhunde) haben unabhängig voneinander eine spurenbezogene
    Fährte aufgenommen, die vom Landkreisgebäude direkt vor das Wohnhaus
    in der Roten Straße führte. Das Amtsgericht Göttingen erließ
    daraufhin einen Durchsuchungsbeschluss, der noch am Mittwochabend von
    der Polizei vollstreckt wurde.

    Die Durchsuchung des Wohnhauses verlief ohne Zwischenfälle. Mit
    der Durchsuchung ergab sich ein Tatverdacht gegen vier Personen, von
    denen die Polizei die Personalien feststellte. Die Ermittler
    beschlagnahmten Beweismittel, darunter auch mehrere Notebooks.

    An der Absperrung Jüdenstraße/Rote Straße versammelten sich
    zeitgleich rund 100 Personen, überwiegend Angehörige der linken
    Szene. Aus diesem Kreis heraus skandierten mehrere polizeifeindliche
    Parolen. Ein Bus der Göttinger Verkehrsbetriebe konnte durch die sich
    auf der Fahrbahn befindende Ansammlung vorübergehend nicht
    weiterfahren. Gegen 20:55 Uhr verließ der überwiegende Teil in
    Kleingruppen die Örtlichkeit in Richtung Wilhelmsplatz.

    Im Anschluss an die Durchsuchung warfen Unbekannte auf dem
    Wilhelmsplatz Mülltonnen um, beschädigten die Eingangstür der
    Polizeiinnenstadtwache am Markt und zerstörten die
    Schaufensterscheibe eines Schuhgeschäftes in der Weender Straße. Ein
    abgestellter Funkstreifenwagen und zwei Privat-PKW wurden außerdem
    durch Fußtritte beschädigt. Der entstandene Gesamtschaden wird auf
    rund 4.000 Euro geschätzt.
    Die Polizei nahm fünf Personen wegen des Verdachts des
    Landfriedensbruches vorläufig fest. Nach Abschluss der
    strafprozessualen Maßnahmen wurde ihnen ein Platzverweis erteilt.
    Zusätzlich leiteten die Beamten vier Ermittlungsverfahren gegen
    Unbekannt wegen Sachbeschädigung ein. Die Ermittlungen dauern an.

    Bei dem Anschlag am vergangenen Freitagmorgen war ein 25 Jahre
    alter Mitarbeiter des Ausländeramtes verletzt worden. Die
    Staatsanwaltschaft Göttingen hat unter anderem ein
    Ermittlungsverfahren wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion
    eingeleitet.
    Während der Räumung des Kreisgebäudes war in Tatortnähe ein
    Schriftstück aufgefunden worden, das inhaltlich Bezug zur
    Abschiebepolitik nahm. Die Ermittler der Polizei Göttingen gehen auch
    deshalb von einem politisch motivierten Hintergrund der Tat aus und
    vermuten, dass der Täter im linksextremistischen Bereich zu suchen
    ist. Für die weiteren Ermittlungen wurde beim Zentralen
    Kriminaldienst der Polizei Göttingen eine aus neun Beamten bestehende
    Ermittlungsgruppe eingerichtet.

    „Nach jetzigen Erkenntnissen konkretisiert sich der Verdacht, dass
    der Brandanschlag auf das Göttinger Kreishaus aus dem
    linksextremistischen Umfeld begangen wurde. Beim Brandanschlag ist
    ein Mensch verletzt worden. Dies ist eine Steigerung und somit neue
    Qualität der Gewalt. Es hätte bei diesem Anschlag auch
    Schwerverletzte oder sogar Tote geben können“, so der
    Polizeivizepräsident der Polizeidirektion Göttingen, Roger Fladung.

  2. Teilnehmer der Proteste sagt:

    Es war nicht nur ein Stadtbus. Es waren 4!

  3. antifa sagt:

    Hier mal ein paar Zitate zum Extremismusbegriff:
    „Als Argument für solche Maßnahmen wird immer wieder das Modell des politischen Extremismus angeführt. Dieses besagt, dass es eine demokratische Mitte der Gesellschaft gäbe, die durch extremistische Ränder bedroht sei. Diese klare Aufteilung verharmlost Rassismus, Antisemitismus und andere Ungleichwertigkeitsideologien, die sich durch alle gesellschaftlichen Bereiche ziehen, oder blendet sie gänzlich aus. Zudem werden linke Gesellschaftskritik und antifaschistischer Widerstand mit dem Denken und Handeln von Nazis gleichgesetzt. Verkannt wird dabei unter anderem, dass die Gefahr, Opfer eines Naziübergriffs zu werden, dort wesentlich geringer ist, wo sich linksalternative Kulturprojekte, antifaschistische und andere Gruppen gegen Nazis, rassistische Gewalt und Diskriminierung einsetzen.“

    „Die Theorie zur Praxis: Die „Extremismusformel“
    Den Begriffen „Rechts- und Linksextremismus“ liegt die Extremismustheorie zugrunde: das Verständnis einer Bedrohung der Gesellschaft durch „Extremisten“. Eine Differenzierung nach Einstellungen und politischen Zielen erfolgt nicht. Vermittelt wird vielmehr, dass eine politische Mitte der Gesellschaft existiert, die sich von diesen Extremen klar abgrenzen lässt.

    In den Problemwahrnehmungen und in der politischen Praxis werden rechte Einstellungen dann meist erstens als Jugendproblem, zweitens als Gewaltproblem und drittens als Abweichung von nicht genauer definierten politischen Normalitätsbereichen beschrieben. Dass diese Beschreibung keine empirische Entsprechung hat, zeigen die Ergebnisse zahlreicher Studien z.B. von den Leipziger Forschern Decker & Brähler oder von Wilhelm Heitmeyer. Rassismus, Antisemitismus, völkischer Nationalismus, autoritäre Ordnungsvorstellungen, sexistische Rollenzuweisungen, Sozialdarwinismus und andere Versatzstücke nationalsozialistischer Ideologie sind danach für weite Teile der Bevölkerung konsensfähig, unabhängig von Geschlecht, Alter, Bildungsgrad, Einkommensverhältnissen oder Parteipräferenz.

    Nach der Logik der „Extremismusformel“ gilt es den demokratischen Verfassungsstaat gegen politische Extreme zu verteidigen, da diese „in der Regel auf grundsätzlicher Ablehnung gesellschaftlicher Vielfalt, Toleranz und Offenheit basieren“. Dabei spielt die Betonung der formalen Gleichheit von linkem, rechtem und seit einigen Jahren auch „Ausländer-“Extremismus eine entscheidende Rolle. Aus diesen festen Bestandteilen ergibt sich auch die politische Relevanz der Extremismusformel. Denn auch wenn sie eigentlich aufs wissenschaftliche und politische Abstellgleis gehört, dient sie staatlichen Ordnungsorganen und PolitikerInnen als Handlungsgrundlage, wenn es darum geht, politische Aktivitäten von all jenen zu delegitimieren, die zentrale Elemente der Naziideologie ablehnen, sei es das Leitbild einer ethnisch homogenen Volksgemeinschaft oder der Ruf nach dem autoritären Staat.

    Des Weiteren lässt sich auf politischer Ebene mit Rückgriff auf den Begriff des politischen Extremismus trefflich die Existenz von Nazistrukturen und der sie unterstützenden Rahmenbedingungen verharmlosen. So kann über Nazigruppen und deren Aktivitäten geschwiegen werden, wenn die Gefahr für die Demokratie angeblich von linken Gruppierungen, die gegen Rassismus und Antisemitismus vorgehen, ausgeht. Debattiert wird dann wochenlang und öffentlichkeitswirksam über „Randale“ in Connewitz oder über „kriminelle Ausländerbanden“, während die steigende Zahl der Naziübergriffe und – aktivitäten sowie von Alltagsrassismus und anderen Diskriminierungen eine Randnotiz bleibt.

    Und schließlich eignet sich die Formel des Extremismus, um eine vermeintlich „normale Mitte“ von ihren „Rändern“ zu trennen. Dort, wo Naziideologien zum Randphänomen erklärt werden und damit deren Verbindung zur bundesrepublikanischen Normalität geleugnet wird, dort gibt es auch keinen Platz für eine notwendige und berechtigte linke Kritik z.B. an institutionellem Rassismus in deutschen Gesetzen oder Behörden und alltäglichem Rassismus und Antisemitismus. Rechte Ideologie wird in diesem Zusammenhang zur Randerscheinung gemacht und die „demokratische Mitte“ kann sich ihrer moralischen Legitimation sicher sein.“

  4. Fernseherin sagt:

    Auf goest ist soeben eine Meldung erschienen, nach der sich die Echtheit der internen E-Mails der Stadtverwaltung bestätigt hat. In diesen ist von einem „EXPLODIERTEN WASSERKOCHER“ als Brandursache die Rede.

  5. jo sagt:

    Kann hier jemand mal die vollständige Presseerklärung des „Bündnis 27. Januar“ zu dem Bulleneinsatz vorm Alten Rathaus posten, den gibts im Netz nicht.

  6. Logiker*In sagt:

    „Dies ist eine Steigerung und somit neue Qualität der Gewalt.“ Was der Fladung wohl im Hirn hat, wenn er Qualität und Quantität nicht auseinanderhalten kann?

  7. cyberpunk sagt:

    …und vermutlich keiner der beschlagnahmten PC’s und Laptops mit TrueCrypt verschlüsselt, oder? Leute, nehmt die Sache nicht auf die leichte Schulter, ich kann es nicht oft genug wiederholen! Wenn Ihr keine Ahnung habt, wie man das macht, fragt! Es gibt genug Leute, die Euch das zeigen können!

  8. Simon sagt:

    @antifa, Quellen der Zitate würde mich interessieren, nett geschrieben. So wichtig wie Grundsatzdiskussionen auch sind. Und wie hinderlich Spekulationen sind. Von allen liest man in den letzten Tagen genug : bleibt der Hintergrund. Die nächste Abschiebung steht bevor. Bis morgen!

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