JuZI kriegt den Hals nicht voll – Nach 25 Jahren immernoch da
von Schmendi am 5. August 2007 veröffentlicht in städtischesEs geschah im September 1982, also vor fast 25 Jahren, da mietete ein Verein ein Gebäude in der Bürgerstraße 41 von der Stadt an. In diesem Gebäude entstand dann im Folgenden das, was wir heute als „Jugendzentrum Innenstadt“ – kurz: JuZI – kennen. Seither steht das Gebäude im Mittelpunkt umfangreicher Auseinandersetzungen. Damals etwa versuchte der Stadtjugendring das Projekt zu verhindern. Heute ist das Verhältnis zwischen Jugendring und JuZI wesentlich entspannter, das zu CDU und Burschenschaften weniger. Denen nämlich ist dieses kleine gallische Dorf linken Widerstandes noch immer ein Dorn im Auge.
Diese Abneigung, die bisweilen schon in Hass zu münden scheint, kulminiert dann in der Jungen Union. Die fühlt sich in der lokalen CDU für Jugendpolitik zuständig und möchte daher der „klientelbezogenen Jugendarbeit“ den Garaus machen. Doch obwohl so stets die Drohung einer Schließung zumindest mittelbar in der Luft liegt, gehört diese Konfrontation irgendwie auch dazu: wenn sich schon der politische Gegner, das konservative Establishment, sich nicht mehr von dem „optischen und gesellschaftlichen Schandfleck Göttingens“provozieren ließe, dann würde irgendwie doch etwas fehlen.
Nach 25 Jahren gibt es das JuZI noch immer. Regelmäßg finden hier Parties und Konzerte statt und – tja, alles weitere weiß man nicht. Das heißt, eigentlich weiß man es schon. Einige wissen es. Wenn die es aber weitererzählen würde, verstieße dies gegen eine der wesentlichen Grundsätze linksradikaler Selbstvergewisserung: Nobody speak to everyone. Anna und Arthur halten’s Maul.
Diese Haltung stammt scheinbar aus einer Zeit, in der die Linke zumindest in Göttingen es sich noch erlauben konnte, mit dem Rest der Welt nicht viel zu tun zu haben. Besser: in der sie das Gefühl hatte, sich das erlauben zu können. In Teilen gibt es dieses Gefühl noch immer. Und diese Teile werden sozusagen symbolisch repräsentiert vom JuZi. Das wird nicht nur durch das doch recht altbacken an die glorreichen 80er erinnernde Layout des Jubiläumsplakates deutlich, sondern ebenso durch die Auswahl ebenso langweiliger wie unbedeutender Versuche, musikalisch den Szene-Punk eben dieser Zeit wiederauferstehen zu lassen.Auch die verrammelten Fenster und der düstere Ruf vermitteln auch für viele Linke und Linksliberale eine Aura, die den Laden nicht immer und für alle besonders einladend macht.
Trotz allem erfüllt das JuZI durchaus wichtige Funktionen innerhalb der außerparlamentarischen Linken. Einen Ort zu haben, in dem nichtkommerzielle Parties stattfinden können, in dem Organisationsprozesse stattfinden können, in dem Zeitschriftenarchive und alternative Projekte beherbergt werden können – alles das hat durchaus seine Notwendigkeit. Und wer sich die Geschichte des JuZI und der staats- und kapitalismuskritischen Linken in Göttingen anschaut, der wird zumindest für einige dieser zunächst etwas seltsam anmutenden Erscheinungen eine Erklärung finden.
Ende der 80er Jahre etwa wurde das JuZI regelmäßig von Neonazis angegriffen – und das nicht immer nur mit leichten Waffen. Wer einmal unter dem Beschuss von Leuchtspurmunition stand, der versetzt seine Herberge eben in einen festungsähnlichen Zustand. So richtig wundert das niemanden. Die Naziübergriffe gibt es nicht mehr, was nicht nur niemanden wundert, sondern auch niemanden auffällt. Dabei ist doch gerade das wohl auch eine Errungenschaft derer, die sich eins im JuZI verbarrikadieren mussten.
Das Menschen mit Dreadlocks und bunten Haare, mit dunkler Hautfarbe, schriller Kleidung oder gleichgeschlechtlichem Menschen an der Hand oder im Arm sich einigermaßen sicher und ungestört durch die Stadt bewegen können, ist in anderen Städten keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Das ist nicht nur in ostdeutschen Dörfern der Fall, sondern schon in nahegelegenen Zentren wie Braunschweig. Das es hier eine größere Autonomie in der Entfaltung von Persönlichkeit gibt, ist nicht zuletzt auch Folge der Autonomen.
Ein vor einigen Jahren geführtes Interview mit einem antifaschistisch Aktiven aus jener Zeit vermittelt zumindest den Hauch einer Ahnung davon, in was für geradezu luxuriösen Zuständen wir heute hier leben:
„Die damalige Situation war von permanenten faschistischen Überfällen gezeichnet. Alle Menschen, die nicht in das Weltbild der Nazis passen, ob Schwule, Lesben, AusländerInnen, Linke, Behinderte oder Obdachlose, konnten sich in Göttingen und Umgebung nicht frei von Angst bewegen. Zusätzlich gab es Überfälle auf Wohnhäuser, Autos und das JuZI. In ein Wohnhaus im Kreuzbergring wurde eine Nebelgranate aus Bundeswehrbeständen geworfen, vor dem AStA wurden Autos beschädigt und mit Hakenkreuzen beschmiert; oder vor dem JuZI wurde eine Bombe gezündet, um nur einige Beispiele anzuführen. Desweiteren gab es fast jedes Wochenende Auseinandersetzungen in der Umgebung des JuZIs, an denen sich häufig über 30 Nazis beteiligten. Damals wurden noch Kameradschaftsabende in einer Kneipe in der Burgstraße abgehalten, was zeigt, wie offensiv die Nazis auftraten.“ Einsatz
Werden wir also nicht übermütig. Bei aller Kritik die es im Detail am gebaren einzelner Teile der linksradikalen Szene geben mag – letztlich profitieren doch weite Teile der Göttinger Gesellschaft von ihr. Das drückt sich dann auch darin aus, das sich auch ein breites bürgerliches Bündnis nicht von Ausschreitungen im Rahmen einer Anti-Nazi-Demo distanziert oder das JuZI als linke Szenehochburg nicht nur bis heute weiterexistiert, sondern sogar mit kommunalen Mitteln gefördert wird. Das ist zwar nicht besonders anarchistisch, hilft aber weiter. In diesem Sinne: auf die nächsten 25 Jahre!
Am 10. und 11. August gibt es dann auch ein großes Jubiläumsfest. Am 10. gibt es Konzerte im Ballsaal mit Fleas and Lice ausGroningen, Culm aus Rheine und Mad Minority sowie 20 Years Of Hate aus Göttingen. Am 11. spielen dann Bubonix aus Lindau, Inner Terrestrials aus London, Argies aus Rosario und Auktion aus Umea. Zusätzlich soll es Flohmarkt, Ausstellungen, Stände und Cafe. Die Ankündigungsseite vom JuZI findet ihr hier. Viel Spaß!
wegen unsicherheiten hier noch einmal der beginn des „anekDoTheken“-abends: um 21.00 uhr gehen die türen auf und es geht PÜNKTLICH um 21.30 uhr los, das ist kein witz, denn auch alte säcke brauchen ihren schlaf! wer zu spät kommt, muss sein bier evtl. auf dem wall trinken…