So wird Politik gemacht: Die Oettingerwellen glätten sich
von am 19. April 2007 veröffentlicht in Politik

Als der baden-würthembergische Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) die Trauerrede für den jüngst verstorbenen Hans Fillbinger (ebenfalls CDU) hielt, tat er, was alle Trauerredner tun: er lobte den Verstorbenen für alles mögliche – nur die vier Todesurteilen, an denen Filbinger während der NS-Zeit mitgewirkt hatte, hatte er plötzlich vergessen. Filbinger war 1996 zum Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg gewählt worden und musste zwei Jahre später zurücktreten, als bekannt wurde, dass er im zweiten Weltkrieg als Richter oder Ankläger an der Verhängung von Todesurteilen beteiligt war. Auch hat er Exekutionskommandos zusammengestellt und den Feuerbefehl gegeben. In Oettingers Trauerrede wird Filbinger nun zum überzeugten Antifaschisten stilisiert, der sich nur den Zwängen seiner Zeit beugen musste.

Dafür hagelte es Kritik von allen Seiten. Der Zentralrat der Juden machte den Anfang, es folgte die Opposition und letztlich die eigene Partei. Selbst Angela Merkel, Bundesvorsitzende der CDU , Bundeskanzlerin und derzeitige Vorsitzende des Europarates hat ihren Parteigenossen öffentlich gerügt. Oettinger bedauerte die entstandenen „Mißverständnisse“, war aber zunächst nicht bereit, sich von seiner Rede zu distanzieren oder sich gar zu entschuldigen. Der Mann wusste, was er gesagt hat und er stand fest zu seinem Wort.

Zu Lebzeiten rechtfertigte sich Filbinger selbst mit dem Satz „Was damals Recht war, kann heute nicht Unrecht sein!“ und griff damit ein immer wiederkehrendes Argument auf: was Gesetz ist, kann nicht falsch sein. Folgt man dieser Argumentation, waren also auch die sog. „Nürnberger Gesetze“, die rechtliche Manifestation des ausgeprägten Antisemitismus der Nazis, „Recht“ und könnten somit heute „nicht Unrecht“ sein. Rechtens mögen in der Nazizeit noch so einige Gräueltaten gewesen mehr gewesen sein, richtig oder moralisch vertretbar waren sie deswegen noch lange nicht. Wenn Filbinger wirklich geglaubt hat, was er da sagte, zeugt dies schlicht von blinder Autoritätshörigkeit. Wenn er es nicht geglaubt hat, wollte er seinen Hals aus der Schlinge ziehen.

Des Weiteren stellte sich Filbinger mit dieser Äußerung eine Legitimation für die vollstreckten Todesurteile aus. Für Todesurteile des Naziregimes, eben jenes Regimes, zu dessen Feind er nun gemacht werden soll. Er rechtfertigte sie. Rechtfertigt jemand Taten, die er bereut? Wegen denen er vor dem größten Gewissenskonflikt seines Lebens stand, als er vor der Frage stand, sich dem verhassten Regime zu widersetzen oder anderen Menschen das Leben zu nehmen? Nein, ich denke nicht.

Letztlich hat sich Oettinger von seiner höchst umstrittenen Rede distanziert. Das hat er getan, weil der Zentralrat der Juden ihn zum Rücktritt aufgefordert hatten. Und weil es auch anderweitig Schelte von ganz oben gab. Der Zentralrat ist nun zufrieden und zieht seine Rücktrittsforderung zurück. Die Wellen in Baden Würtemberg glätten sich und nicht nur die örtliche CDU wird erleichtert darüber sein, so schnell wie möglich zum Tagesgeschäft überbgehen zu können. Doch es ist davon auszugehen, dass Oettinger sich nach wie vor innerlich nicht von seiner Rede distanziert hat, gerade weil er so verbissen an ihr festgehalten hatte. Und auch seine Befürworter, wie Gerhard Mayer-Vorfelder (CDU) oder Steffen Bilger (JU) dürften nach wie vor auf Linie sein. Für die Öffentlichkeit wurde das gröbste gekittet und in ein paar Wochen wird keine Rede mehr sein vom „Oettinger Skandal“.

Trotzdem. Festzuhalten bleibt: Filbinger hat an der Verhängung und Vollstreckung von Todesurteilen als Mitglied der Exekutive und Judikative des Naziregimes aktiv mitgewirkt. Ihn nun post mortem die Weste rein zu waschen und ihn zum Nazigegner im Geiste zu machen, ist eine Farce. Und gehört kritisiert.

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