Grüne zum "Atomkompromiss"

Besuch von der Bewegung
von am 24. Juni 2011 veröffentlicht in Soziale Bewegungen, Titelstory

Die Göttinger Grünen haben am Donnerstag Abend ihre Position zum „Atomkompromiss“ der Bundesregierung auf einer Kreismitgliederversammlung debattiert. Mit dabei: Jürgen Trittin und Angehörige der außerparlamentarischen Anti-Atomkraft-Bewegung. Auf das von der Bewegung geforderte strikte „Nein“ zum Vorgehen der Bundesregierung konnten sich die Grünen nicht einigen.

Rund 30 Angehörige und Sympathisant_innen der Göttinger Anti-Atom-Initiative warten am Donnerstag Abend vor dem Grünen Zentrum auf Jürgen Trittin. Sie haben mehrere Trecker, Transparente und ein zum Atommüllbehälter stilisiertes Faß mitgebracht, wollen dem Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Bundestag einen heißen Empfang bereiten. Dass der Politiker aus Göttingen gerade dafür wirbt, dass seine Partei dem so genannten „Atomkompromiss“ der schwarz-gelben Bundesregierung zustimmen soll, stößt bei ihnen auf Unverständnis. Ein Ausstieg aus der Atomenergie zum Jahr 2022 ist ihnen zu spät.

Doch Trittin kommt nicht, war schon vorher da oder nimmt einen anderen Eingang. Jedenfalls ist er vor allen anderen im Sitzungssaal der Kreisgrünen, die ihre Mitgliederversammlung öffentlich abhalten. Zur Debatte steht das Abstimmungsverhalten auf der Bundesdeligiertenkonferenz am Samstag in Berlin, auf der die Grünen ihr Verhältnis zum „Atomkompromiss“ aushandeln wollen. Gleich als zweiten Tagesordnungspunkt wurde Tobias Darge von der Anti-Atom-Initiative ein Redebeitrag eingeräumt. Die Grünen setzen heute auf Offenheit und Bewegungsnähe.

Einigen Gästen aus der Bewegung genügt das nicht. Noch bevor die Versammlung überhaupt begonnen hat, stören sie durch Zwischenrufe und Pöbeleien. Sie setzen so durch, einen offenen Brief an Trittin als allererstes verlesen zu dürfen. Trittin verzieht das Gesicht und kann sich ab und an ein süffisantes Grinsen nicht verkneifen. Auf den Brief hatte er bereits im Vorfeld geantwortet (PDF).

Die Fronten sind klar: die Anti-Atom-Initiative fordert eine klare Absage an Merkels „Mogelpackung“, wie sie sie nennen. Jürgen Trittin sagt, er werde nicht mit „Nein“ stimmen, wenn es um die Abschaltung deutscher Atomkraftwerke geht. Fundis hier, Realo da. Dann solle er gefälligst nicht im Namen der Bewegung sprechen, fordern einige lautstark. Das bringt Trittin auf die Palme, der sich offensichtlich noch immer als Teil der Anti-Atombewegung versteht. „Wer gegen den schwarz-gelben Atomausstieg ist, der ist für den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke bis 2040“, schimpft er aggressiv.

Die Göttinger Grünen entscheiden sich für einen Mittelweg. Ein Votum für ein striktes „Nein“ wird vom Kreisverband nicht ausgehen. Aber auch kein bedingungsloses „Ja“. Die Grüne Zustimmung soll an „substantielle Veränderungen“ im Vorhaben der Bundesregierung geknüpft sein. „Für eine Zustimmung muss Gorleben aus der Endlagerfrage gestrichen sein“, heißt es im auf der Versammlung verabschiedeten Änderungsantrag. Eine Zustimmung zu den Plänen der Bundesregierung könne es nur geben, wenn die Endlagersuche ergebnisoffen gestaltet werde. Außerdem solle der Atomausstieg im Grundgesetz verankert werden, um unumkehrbar zu sein.

Die Hoffnung der Grünen ist, dass sie so Druck auf Angela Merkel ausüben und sie zu Zugeständnissen bewegen zu können. Dabei ist die Kanzlerin auf die Zustimmung der Grünen überhaupt nicht angewiesen. Dass der Atomausstieg auch unter einer möglichen Regierungsbeteiligung der Grünen nach der Bundestagswahl 2013 nicht zum Jahr 2017 zu erwarten ist, stellte Jürgen Trittin unlängst in einem Interview klar.

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6 Kommentare auf "Besuch von der Bewegung"

  1. nolove sagt:

    trittin hat auch auf der atomkraft schluss demo menschen aus vermeintlichen linken und anderen zusammenhängen die atomkraft konsequent ablehen und für einen sofortigen ausstieg sind angepöbelt und beschimpft, sie wären träumer und antikapitalist*Innen hätten ja eh nix auf dieser demo veroren. als versucht wurde zu diskutieren war er aber schnell weg..ekelhaft.

  2. Rakete sagt:

    Die Grünen unterstützen den Atomausstieg der schwarz-gelben Bundesregierung. Der Sonderparteitag zur Energiewende beschloss am Samstag in Berlin mit großer Mehrheit den Leitantrag des Bundesvorstandes, in dem eine Zustimmung zur Atomnovelle empfohlen wird. Die Forderung von Kritikern, ein Ja zu dem Gesetz an Bedingungen zu knüpfen, fand keine Mehrheit.

  3. Antiatomico sagt:

    mit dem heutigen tag ist die restgrüne partei aus der anti-atom-bewegung ausgetreten, und so werden es sicherlich viele aktive mit dieser grünlichen partei halten. die verurteilung der grün-lightlichen kapitulationsentscheidung nach der perfiden demagogie des herrn trittin und der scheinheiligen verlogenheit der frau roth wurde unisono in der anti-atom-regionalkonferenz weserbergland geteilt (s.u.) – auch das wir nach wir TATKRÄFTIG an der forderung nach sofortiger abschaltung des AKW Grohnde festhalten, weil sich an den GRÜN(D)EN ja überhaupt nichts geändert hat – restrisiko bleibt restrisiko und restgrüne immer unwichtiger.

  4. Antiatomico sagt:

    P r e s s e m i t t e i l u n g der Anti-Atom-Initiative Götingen vom 25. Juni 2011

    Die nunmehr 15. montägliche Anti-Atom-Mahnwache „Fukushima ist überall“ wird am 27. Juni – wie immer ab 18 Uhr vor dem Gänseliesel – ausgiebig den Ausstieg der Grünen aus der Anti-Atom-Bewegung, den diese ja am Samstag in Berlin beschlossen haben, diskutieren (müssen).

    Doch zunächst werden seitens der organisierenden Anti-Atom-Initiative Göttingen neueste Planungen vorgestellt, die die parallel zum Grünen Sonderparteitag den ganzen Samstagnachmittag in Hameln diskutierende Anti-Atom-Regionalkonferenz „Weserbergland“ gegen die ständige Bedrohung durch das AKW Grohnde entwickelt hat. Die – hier regionale – Anti-Atom-Bewegung, aus der die nunmehr Rest-Grünen ja u.a. hervorgingen (und nicht andersherum, wie von Trittin und Konsorten behauptet), befindet sich in vollem Schwung und widmet sich nach den vielen Aktionen der letzten dreieinhalb Monate nach dem „Tsunami-GAU“ in Japan nun verstärkt dem eigenen regionalen Risikoreaktor in Grohnde, der das nur 66km Luftlinie entfernte Göttingen ja in seine potenzielle Verstrahlungszone einschließt (darum sind wir wie Hannover, Hildesheim, Paderborn, Bielefeld, u.a. Teil dieser Regionalkonferenz).

    Prof. Rolf Bertram wird über die aktuellen Vorkommnisse im jetzt schon maroden, durchlöcherten „End“lager ASSE berichten. Ebenso gibt es ein Update zur sehr bedrohlichen Lage der beiden – wie Fukushima I-IV – überfluteten Atomkraftwerke am Missouri in den USA.

    Nach den Information und Planungen aus der Anti-Atom-Bewegung wird es einen Bericht von unserer Belagerungsaktion der Grünen-Mitgliederversammlung am Donnerstag hier in Göttingen geben und mittels eines für jeden „offenen Mikrofons“ wird es eine Aussprache zum de-facto-Austritt der Bundes-Grünen aus der Anti-Atom-Bewegung geben.

    Mit freundlichen Grüßen,

    Arbeitsgruppe „Mahnwache“
    in der Anti-Atom-Initiative Göttingen

    —-
    Das symbolträchtige Foto rechts ist letzten Donnerstag im
    Versammlungssaal der Göttinger Grünen aufgenommen worden:

    Mehr Fotos auf http://de.indymedia.org/2011/06/310435.shtml

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