Dresden nach Bad Nenndorf holen
von am 18. Juli 2010 veröffentlicht in Politik

Seit vier Jahren zieht das Wincklerbad vor allem Neonazis nach Bad Nenndorf, die dort ihren geschichtsrevisionistischen „Trauermarsch“ veranstalten. Mit knapp 800 Teilnehmern konnte das selbsternannte „Gedenkbündnis Bad Nenndorf“ 2009 fast doppelt so viele Neonazis in den Ort mobilisieren als im Vorjahr – für dieses Jahr werden rund 1200 Neonazis erwartet. Um den Aufmarsch zu verhindern, ruft das überregionale Bündnis „NS-Verherrlichung stoppen!“ zu Massenblockaden am 14. August in Bad Nenndorf auf. Unterstützung erhält es dabei von Göttinger Initiativen und Gruppen, die auf die Funktion des extrem rechten Aufmarschs hinweisen.

TERMINE FÜR GÖTTINGEN:
Sa., 24.7.2010, 14.00 Uhr:
öffentliches Blockadetraining der Grünen Jugend am Jakobikirchhof

Mi., 28.7.2010:
Informationsveranstaltung im Oeconomicum/Uni

Di, 3.8.2010, 20.00 Uhr:
JuZI: Informationsveranstaltung zur Geschichte und aktuellen Situation des Naziaufmarschs in Bad Nenndorf

Weiteres unter: http://badnenndorf.blogsport.de

Der „Trauermarsch“ ist in Niedersachsen inzwischen zum größten und bundesweit zum drittgrößten Nazievent geworden. Seine Organisatoren haben schon früh die wachsende Bedeutung des Geschichtsrevisionismus erkannt, dessen Klammerfunktion die extreme Rechte inzwischen für einen großen Teil ihrer Aufmärsche nutzt. Anders als in anderen Teilen kann das „Gedenkbündnis“ zudem auf organisierte Strukturen in der Region zurück greifen. Dafür sorgen Gruppierungen wie die Kameradschaft 73 aus Celle, die „Bürgerinitiative für Zivilcourage Hildesheim“ und der länderübergreifende Zusammenschluss von Neonazis aus den Regionen Schaumburg und Ostwestfalen-Lippe. Sie sorgen für einen Aufmarsch in Bad Nenndorf, der ohne nennenswerte Unterstützung der NPD zu einem der Events der extremen Rechten zählt. Auch die wachsende Gewaltbereitschaft der extrem rechten Kameradschaftszene gegenüber Polizei und Medien ist inzwischen unübersehbar: noch vor dem eigentlichen Beginn kam es im vergangenen Jahr zu Steinwürfen, später warfen die Neonazis harte Gegenstände gegen die Kameras von Journalisten.

Für dieses Jahr war der „Trauermarsch“ Anfang August geplant, wurde aber um zwei Wochen verschoben. Der Aufmarsch befindet sich nun in bedenklich zeitlicher Nähe zum 17. August, dem Todestag des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß. Damit wächst die Gefahr, dass die extrem rechte Veranstaltung im Kreis Schaumburg zu einer realistsichen Alternative für den Wallfahrtsort in Wunsiedel werden könnte. Schon jetzt vereint der spektrenübergreifende Aufmarsch Neonazis aus verschiedenen Bundesländern und teilweise dem europäischen Ausland in ihrem Bemühen, die Geschichte in ihrem Sinn umzudeuten.

Doch auch die Proteste in dem Kurort nehmen zu und erreichten im vergangenen Jahr erstmals eine Zahl von über 1.000 Teilnehmern an einer Demonstration des Bündnisses „Bad Nenndorf ist bunt“. Auch Aktionen von antifaschistischen Gruppen wie eine Sitzblockade auf dem Platz vor dem Wincklerbad und bunter Konfettiregen vom Dach des Wincklerbads auf den Neonaziaufmarsch fanden bei dem bürgerlichen Bündnis vor Ort Anklang.


Transparent an der Blockadeaktion am 1.8.2009 in Bad Nenndorf

Unter dem Motto „Dresden nach Bad Nenndorf holen“ ruft das überregionale Büdnis „NS-Verherrlichung stoppen!“ in diesem Jahr zu Massenblockaden in Bad Nenndorf auf. Dazu kommen Anmeldungen des bürgerlich orientierten Protestes an der Aufmarschstrecke. Unter dem Eindruck des im vergangenen Februar verhinderten „Trauermarschs“ der „Jungen Landsmannschaft Ostpreußen“ in Dresden fragt das Bündnis in seinem Aufruf: „Wenn tausende GegendemonstrantInnen Dresden lahm legen konnten, welche Wirkung hätten sie dann erst auf die Lage in Bad Nenndorf?“. Eine berechtigte Frage, wie die Unterstützung von bislang mehr als 60 Gruppen und Initiativen auch aus Göttingen und Südniedersachsen zeigt. Auch die niedersächsischen Grünen hatten bereits auf ihrem Parteitag in Northeim im April eine Resolution zur Blockade von Naziaufmärschen verabschiedet. Darin rufen sie dazu auf, „den Naziaufmarsch in Bad Nenndorf durch Massenblockaden zu verhindern: „Wir werden gegen den größten Naziaufmarsch in Niedersachsen mobilisieren und uns an Bündnissen gegen den Naziaufmarsch beteiligen“.

Es könnte am 14. August also räumlich eng werden in der Kurstadt Bad Nenndorf mit ihren rund 10.000 Einwohnern. Ob es für die anreisenden Neonazis auch politisch so eng wird, dass der Aufmarsch nicht stattfinden kann, wird sich zeigen müssen.

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