Polizeieinsatz gegen Gewerkschaftsaktion

Netto schmeißt Verdi raus
von am 9. Oktober 2011 veröffentlicht in Soziale Bewegungen, Titelstory

Die Leitung eines Göttinger Netto-Supermarktes hat am Samstag einer Gruppe GewerkschaftsaktivistInnen Hausverbot erteilt und durch die Polizei durchsetzen lassen. Sie hatten versucht, in der Filiale einen Flashmob zu inszenieren. Hintergrund war die Mutmach-Tour von Verdi Göttingen durch verschiedene Supermärkte der Region.

Sie kamen schnell und waren auch bald wieder weg. Etwa 20 AktivistInnen der Dienstleistungsgesewerkschaft Verdi verteilten Flugblätter an KundInnen und Geschenke an die Mitarbeiterinnen der Netto-Filiale in der Güterbahnhofstraße, einige stimmten ein Protestlied an. „Gib‘ gefälligst das Geschenk zurück“, fuhr ein Vorgesetzter daraufhin barsch eine junge Angestellte an. „Alle Gewerkschaftsmitglieder“ hätten nun Hausverbot, teilte er mit.

Vor der Tür nahm die Polizei dann die Personalien einzelner AktivistInnen auf, wegen angeblicher Verstöße gegen das Versammlungsgesetz. Dann setzten die Beamten das erteilte Hausverbot durch und wiesen die GewerkschafterInnen vom Gelände. (Video bei Facebook).

„Ich verurteile diesen Bruch des Streikrechts auf das Schärfste“, kommentierte Linken-Landtagsabgeordneter Patrick Humke das gemeinsame Vorgehen von Netto und Polizei. „Dieser Bruch des grundgesetzlich garantierten Streikrechts wird ein juristisches Nachspiel haben“, kündigte er noch am Samstagabend an.


Verdi-AktivistInnen vor dem Netto in der Güterbahnhofstraße

Auch Verdi will gerichtlich gegen den Polizeieinsatz vorgehen. „Die Polizei hat sich bei der Abwägung zwischen Streik- und Eigentumsrecht sofort auf die Seite des Eigentumsrechts gestellt“, sagte Verdi-Sekretärin Katharina Wesenick. „Das wird ein Nachspiel haben!“ Flashmobs seien eine anerkannte arbeitskamfbegleitende Maßnahme, die nun von der Polizei verunmöglicht wurde.

Mutmach-Tour

Der Göttinger Netto war die letzte von insgesamt fünf Stationen in Südniedersachsen, die die AktivistInnen mit einem Reisebus angesteuert hatten. 53 GewerkschafterInnen – von der Verdi-Jugend bis zu den SeniorInnen – waren am Vormittag zur Mutmach-Tour nach Bad Gandersheim aufgebrochen. In sechs Supermärkten wollten sie mit Flashmobs auf die schlechten Arbeitsbedingungen in den Filialen eines Edeka-Centers und mehrer Netto-Märkte aufmerksam machen. Seit Monaten kritisiert Verdi die Arbeitsbedingungen in diesen Supermärkten.

Zwar hat es inzwischen Gespräche zwischen Verdi und Netto gegeben, allerdings mit nur begrenztem Erfolg. „Unsere Forderungen nach Einhaltung der Arbeitsschutzgesetze und der Tariftreue werden nicht flächendeckend umgesetzt“, erklärte die Göttinger Verdi-Sekretärin Katharina Wesenick. Die Proteste, die sie seit dem Frühjahr organisiert, zeigten erste Erfolge. In den Filialen, in denen sich Widerstand rege, gebe es Verbesserungen. „Da wo die Kolleginnen und Kollegen sich nicht trauen, wird allerdings durchregiert“, so Wesenick. Den MitarbeiterInnen der besuchten Märkte sollte deswegen „Mut gemacht“ werden, sich gewerkschaftlich zu organisieren. Netto hingegen weist die Vorwürfe zurück. Kritikpunkte seien in Treffen mit der Gewerkschaft analysiert und „auch behoben“ worden, heißt es in einer Stellungnahme des Unternehmens.

Gewerkschaft wird von der Polizei verfolgt

Nachdem in Bad Gandersheim erfolgreich Flashmob-Aktionen in einer privatisierten Edeka-Filiale und einem Netto-Markt durchgeführt werden konnten, wurde der Gewerkschaftsbus von dort an von einem Streifenwagen der Polizei verfolgt. Vor dem zweiten Ziel, einem Netto in Einbeck, warteten bereits mehrere Polizeibeamte zusammen mit einem Netto-Vorgesetzten, der gegen die AktivistInnen vorsorglich ein Hausverbot aussprach. Die Polizei setzte auch dieses durch und war nicht bereit, sich auf die Verdi-Argumentation einzulassen. Gewerkschafterin Wesenick verwies erfolglos auf ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts, nachdem Flashmobs in Supermarktfilialen grundsätzlich erlaubt sind. Auf die geplante Aktion in einem Northeimer Netto verzichteten die AktivistInnen aufgrund der strikten Haltung der Polizei.

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3 Kommentare auf "Netto schmeißt Verdi raus"

  1. retmarut sagt:

    Um das Ganze noch abzurunden: Die Aktion lief im Rahmen der derzeitigen Tarifauseinandersetzungen im niedersächsischen Einzelhandel. Die Arbeitgeber haben vor einiger Zeit den Tarifvertrag einseitig aufgekündigt und wollen jetzt erreichen, dass Neueingestellte zukünftig weder Urlaubs- noch Weihnachtsgeld erhalten.

  2. retmarut sagt:

    Und hier noch Youtube-Links zu den bisherigen Netto-Aktionen in Südniedersachsen:

    Ein Beitrag von Frontal21, wo auch Netto-Kolleginnen aus unserer Region über ihre Arbeitsbedingungen sprechen:

    http://www.youtube.com/watch?v=2k4XoSjZ13I&feature=related

    Beteiligung mit eigenem „Einzelhandelsblock“ an der 1.Mai-Demo in Göttingen, dazu eigener Beitrag auf der Hauptbühne:

    http://www.youtube.com/watch?v=osh-Nh8anQg0&feature=related

  3. retmarut sagt:

    Ver.di-Aktion am 14.05.2011 vor der Göttinger Netto-Filiale in der Prinzenstraße:

    http://www.youtube.com/watch?v=lQhOh8DRulM
    http://www.youtube.com/watch?v=5kPjvdSVVJU&feature=related

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