Rassismus & Sexismus
Astra? Was dagegen!
von Rakete am 29. September 2011 veröffentlicht in featured, Soziale Bewegungen, TitelstoryDie Biermarke Astra versucht, mit Werbung jenseits der Grenze des guten Geschmacks auf sich aufmerksam zu machen. KritikerInnen werfen ihr deswegen Sexismus und Rassismus vor. Die Quittung dafür in Göttingen: in linken Läden und bei entsprechenden Veranstaltungen wurde sie aus dem Sortiment genommen.
Astra-Pils aus Hamburg war schon immer irgendwie anders. Die Marke versuchte erfolgreich, sich als Bier jenseits des Mainstreams zu etablieren. Mit dem Konsum des Getränks konnten die Genießer_innen oft auch einem Bedürfnis nach Abgrenzung gegenüber allem Normalen nachkommen. Und als Sponsor des Fußballvereins St. Pauli war Astra immer auch irgendwie links.
Die Werbung für Astra war ebenfalls schon immer irgendwie anders – manchmal witzig, bisweilen provokant. Als „frech, authentisch und mit dem rauen Charme von St. Pauli“ beschreibt die Werbeagentur Philipp und Keuntje das Image, das Astra von sich inszeniert. Die Grenze zum Sexismus wurde allerdings auch schon oft von Werbekampagnen ausgelotet, häufig kaschiert durch vermeintliche Ironie.
Mit der aktuellen Werbekampagne hat die Marke allerdings jede Grenze des Vertretbaren überschritten. Die Abbildung eines weiblichen Gesäßes wird auf einem Plakat mit „Der Astra Tatsch-Screen“ überschrieben. Das rief die Kampagne Was dagegen! auf den Plan, die in dem „Tatschscreen“ den Aufruf zu sexistischen Grenzüberschreitungen – eben Betatschen – erkennt. „Der implizite Aufruf Frauen zu be„tatsch“en, ist in keiner Weise als ironisch oder satirisch zu betrachten, sondern für die meisten Frauen leider bittere Realität“, heißt es auf der Homepage der Kampagne. Anderen Anzeigen wird außerdem Rassismus attestiert.
Astra selbst zieht sich auf den Standpunkt zurück, dies alles gar nicht ernst zu meinen. „Bei beiden Motiven ist die gesamte dargestellte Szene bewusst ironisch überzogen und ersichtlich satirisch überzeichnet, weshalb keine ernsthafte Herabwürdigung der weiblichen Person beanstandet werden kann“, antwortet die Brauerei auf eine Kundenbeschwerde.
Astra verschwindet von Göttinger Theken
Solch naive Rechtfertigungsversuche überzeugen die KritikerInnen indes nicht. In Göttingen ist das Bier mittlerweile bei linken Veranstaltungen nicht mehr zu haben.
Bereits im vergangenen Jahr hatte das Antifee Festival erstmals bewusst auf den Verkauf von Astra verzichtet. „Ein Unternehmen, welches versucht, sich mit bewusst sexistischer Werbung als Underdog zu inszenieren, hat auf dem Festival nichts verloren“, kommentierte einer der Organisatoren diese Entscheidung auf MoG-Nachfrage. „Die Taktik, misogyne und homophobe Inhalte durch Ironie zu tarnen, macht diese Aussagen nicht weniger indiskutabel. Das hat nichts mit Humor zu tun, sondern mit der Verfestigung von Herrschaftsmechanismen.“
Seit ein paar Jahren verkaufte auch der Theaterkeller als billigere Alternative zu den restlichen Biersorten Astra Pils. Damit ist es nun vorbei, maßgeblich wegen den aktuellen Etiketten. „Das Ausmaß der sexistischen und rassistischen Werbeoffensive der Marke Astra war uns nicht bekannt“ schreibt das T-Kellerkollektiv auf Nachfrage zur Was-dagegen-Kampagne, „bestätigt uns aber in der Richtig- und Notwendigkeit unserer Entscheidung.“ Die Restbestände wurden im Sommer noch verkauft, mittlerweile gibt es dort kein Astra mehr.
„Bisher wurde uns aus der ‚Szene‘ keine (berechtigte) Kritik am Verkauf von Astra entgegengebracht“, schreibt das Kollektiv weiter. „Im Gegenteil, vielmehr wurden wir auf eine erhoffte Erweiterung unseres Astra Angebotes durch das Bier ‚Astra-Rotlicht‘ angesprochen.“
Protest gegen die Astra-Werbung beim Welt- Astra-Tag in Hamburg
Schade weil es mein Heimatbier ist und ich es gerne getrunken habe, aber die Slogans sind auf keinen Fall vertretbar.
Ich denke, es ist eine gute Entscheidung!
ja, gute entscheidung — die etiketten und werbung gehen mal gar nicht. wir haben bei unseren parties auch keins mehr geordert und vertretbaren ersatz gefunden.
… im zweifel einfach so lange boykottieren, bis die ne neue werbeagentur (und verstand im management) gefunden haben!
Eine Linke Brauerei (z.B. in Göttingen) wär schön. Hat nicht mal irgendwer Lust, sowas in Angriff zu nehmen? Ich würds trinken!
Ich bin für Sternburg im T-Keller für die armen Ossis 😀
@3: „Wir wollen nicht den Kasten, wir woll’n die ganze Brauerei!“ 🙂
Astra hat für mich seinen „underdog-charakter“ sowieso verloren, da es de facto nur noch als „Marke“ von Holsten, Tochter des Carlsberg-Konzerns existiert. Die alte Brauerei wurde 2003 abgerissen, damit dürfte die Authenzität des Getränks endgültig Geschichte sein. Aber was ist denn mit den Etiketten? Ich hab aus Konsumentscheidungsgründen eh schon Jahre keine Astra-pulle mehr in der Hand gehabt, mich würde dennoch interessieren was sie sich dafür feines ausgedacht haben.
Aber gibt es denn irgendwo noch echte kleine sympathische Brauereien? Ich mein früher gab ja in jedem Kaff eine, aber auch hier scheinen die Konzentrationsprozesse zu wüten…
Ne eigene anstatt dem Göttinger Ekel-Pils ist schon ne nette Idee… solang se auch alkoholfrei haben.
Werbung ist doch leider fast nie frei von dümmlichen Klischees. 🙁
Die Werbung ist zugegebenermaßen auch nicht schön, aber meint ihr nicht, dass die Erklärung von Astra nicht ’naiv‘ sondern ziemlich realistisch ist? Wenn man sich anschaut wie sexistisch JEDE Werbung für alkoholische Getränke (nicht nur Bier!) ist – zum Teil auch unterschwellig – ist die Astra Werbung noch harmlos, eben weil sie so überdreht ist.
Ich werde das Astra auf jeden Fall vermissen, einfach weil ich das Bier mag. Bleibt zu hoffen, dass sich das Werbekonzept wieder ändert und sich die Stammtrinkerschaft sich erneut damit anfreundet.
Checkt doch mal dieses feine Produkt: http://www.hausbrauerei-mollenhauer.de/!
Eine Probekiste ging an den Theaterkeller und ist dort hoffentlich auch schon angekommen. Brewed with love and punk!
Ach ja, den Lieferservice auf der Seite gibt es natürlich nur bei wirklich großen Bestellmengen!!! Der Manager {{S|8)}}