„Deutsches Nachrichtenmagazin“

Der Kampf um die Hefte
von am 31. August 2010 veröffentlicht in Politik, Soziale Bewegungen, Titelstory

Den Vertrieb des rechten Magazins „Zuerst“ in Südniedersachsen zu unterbinden ist das Ziel einer Kampagne des Göttinger Bündnis gegen Rechts. In einem offenen Brief fordert das Bündnis aus Parteien, Gewerkschaften und Antifagruppen den für den Vertrieb zuständigen Presse-Grossisten Mitte auf, das Heft aus dem Verkauf zu nehmen. Der widerum darf das gar nicht: aufgrund seiner Monopolstellung ist er dazu verpflichtet, jede Pressepublikation zu vertreiben.

Zuerst nennt sich selbst „Das deutsche Nachrichtenmagazin“ und bereits ein kurzer Blick auf die Homepage oder ins Heft macht unmissverständlich klar, wo sich das Magazin positioniert. Dort finden sich rassistische Artikel, die sich klammheimlich darüber freuen, dass Frankreich „Zigeuner“ abschiebt oder solche, die die olympischen Spiele im Nationalsozialismus als „glanzvollen Erfolg für Deutschland“ abfeiern. Mehr oder weniger getarnt hinter einem bunt-fröhlichem Titelblatt, dass optisch zunächst keinen Schluß auf den Inhalt zulässt. Seit Januar gibt es das Heft auch in verschiedenen Göttinger Kiosken und Supermärkten.

Entsprechend bezeichnet das Bündnis gegen Rechts die Publikation des Magazins als Versuch, „Rassismus, Nationalismus und antisemitische Verschwörungstheorien im unverfänglichen modernen Format eines Nachrichtenmagazins am Kiosk zu präsentieren.“ An den Presse-Grossisten stellt das Bündnis die Frage, ob ihm bewusst sei, dass er „mit dem flächendeckenden Vertrieb des Magazins „Zuerst! Das Deutsche Nachrichten-magazin“ monatlich Rassismus, Geschichtsrevisionismus und Antisemitismus an die Kioske“ befördere.

„Ja, das wissen wir“, lautet die Antwort aus dem Hause PG Mitte. „Das Problem ist nur: solange der Titel nicht verboten ist, sind wir verpflichtet, ihn zu vertreiben“, sagte ein Sprecher auf Nachfrage. Dürfte der Presse Grosso „Zuerst“ rein rechtlich aus dem Vertrieb nehmen, würde er es tun, versicherte der Sprecher. Und nicht nur „Zuerst“: Auch andere Hefte findet man am Firmensitz im hessischen Stauffenberg offenbar problematisch, die „National Zeitung“ zum Beispiel.

Das faktische Monopol der Grossisten

Presse-Grossisten wie der Presse-Grosso Mitte, eine noch junge Fusion der Grossisten Tonollo und Dittmann, sind im Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt die Zwischenhändler. Sie erfüllen vor allem eine logistische Funktion, indem sie die Anlieferung der Presseprodukte und die Abholung der übriggebliebenen Zeitschriften und Zeitungen übernehmen. Diese sogenannten „Remittenten“ müssen die Verlage dann wieder bezahlen, so dass Grossisten und der Endvertrieb in den Zeitungsläden quasi auf Kommission für die Verlage arbeiten.

Typisch für den deutschen Pressemarkt haben Grossisten eine faktische Monopolstellung auf regionalen Gebieten. Das hat allerdings rechtliche Konsequenzen: Sie unterliegen einem Kontrahierungszwang. Sie sind rechtlich also gezwungen, allen Anbietern von Presseerzeugnissen die gleichen Möglichkeiten zum Absatz ihrer Produkte anzubieten. Zudem wurde Grossisten auch bereits gerichtlich verboten, auch nur bestimmte Kampagnen zu unterstützen, die auf eine Wertung oder Gewichtung der Presseprodukte hinauslaufen würden.


Der Zeitungskiosk im Bahnhof legt das Magazin zwischen Astrologie- und Esoterikzeitschriften aus

Der Endvertrieb, die lokalen Zeitungs- und Zeitschriftenhändler, sind wiederum eng an die Presse-Grossisten gebunden. Ihr primäres Ziel ist wegen der Preisbindung im Pressebereich der Absatz vor allem möglichst vieler Presseprodukte. So erfolgt die Präsentation der Produkte meist der Idee, vor allem für Quantität beim Absatz zu sorgen. Auf diese Art und Weise schaffen es dann vor allem auch immer die besonders niedrigpreisigen Zeitschriften weiter nach vorne in die Auslagen.

Zu einer ganz bestimmten Präsentation sind die Zeitschriftenhändler dabei nicht verpflichtet. Durch ihre Verträge mit den Grossisten haben sie sich allerdings in der Regel verpflichtet, das angelieferte Sortiment auch grundsätzlich anzubieten. Entsprechende Bedingungen sind hier auch nicht verhandelbar, da sie kartellrechtlich vorgegeben sind.

Kampagne ohne Aussicht auf Erfolg?

Der offene Brief des Bündnis gegen Rechts endet mit der Forderung an den Grossisten, den Vertrieb der Zeitschrift einzustellen. Diesen Erfolg wird die Kampagne nicht erreichen können, weil dem PG Mitte bereits auf rechtlicher Ebene die Hände gebunden sind. Er darf der Forderung schlicht nicht nachkommen.

Wenn das Ziel aber lautet, dass die Zeitung aus den Regalen verschwinden soll, dann kann sie schon erfolgreich sein: durch Druck auf den Endvertrieb. Denn niemand zwingt die Kioske dazu, die Magazine an exponierter Stelle auszulegen. Unter dem Verkaufstresen sollte sich ein nicht einsehbarer Platz finden, an dem das Heft sein kärgliches Dasein fristen kann. „Sobald ein Titel sich einige Ausgaben nicht verkauft, nehmen wir ihn aus dem Sortiment der Verkaufsstelle“, bestätigt der PG-Mitte-Sprecher.

Daher wäre das Bündnis gut beraten, den Druck auf den ohnehin nur an Absatzzahlen interessierten Endvertrieb zu richten und nicht unbedingt eine meinungsstarke Positionierung zu erwarten – das Schmierblatt wird dann vermutlich trotzdem aus den Regalen verschwinden.

Text: Harvey & Rakete

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20 Kommentare auf "Der Kampf um die Hefte"

  1. Rakete sagt:

    Bei Tonollo in der Innenstadt gibt es das Heft übrigens nur noch auf Nachfrage. Es liegt nicht mehr offen aus.

  2. hm sagt:

    Als ich heute bei Thalia und Tonollo in der Weender Straße nach dem Heft gefragt habe, sagte man mir dass es aus dem Programm genommen wurde… anscheinend ’ne dreiste Lüge um Diskussionen aus dem Weg zu gehen…

  3. s sagt:

    @hm:
    Logisch denken: Wenn Du es nicht kaufen kannst, dann kann es auch kein anderer, also ist es nicht käuflich! GEWONNEN

  4. hm sagt:

    naja, also ich denke dass man an meinem Auftreten, schon deutlich erkennen konnte dass ich nicht wirklich an einem Kauf interessiert war…

  5. Rakete sagt:

    Also bei Tonollo in der Weender wird es im weißen Schrank hinter der Kasse gelagert, falls du konkreter fragen willst 🙂

  6. zweig sagt:

    „Zuerst!“ ist erst mal richtig große Scheisse! Aber der Artikel ist dafür mal echt super!!! Das Hintergrundinformationen wie der Vertrieb arbeitet / arbeiten muss haben mich etwas überrascht, umso besser, dass Rakete hier dafür sorgt, das mensch weiß wie es in dem Business abgeht. Danke Rakete!

  7. Rakete sagt:

    Kein Ding, wie gesagt zusammen mit Harvey geschrieben, richte deinen Dank eher an ihn 🙂

  8. Jugendlicher sagt:

    Hallo,

    zum einen möchte ich anmerken, dass die Kampagne sich meiner Meinung nach nicht hauptsächlich auf den Grosso bezieht. Der offene Brief legt das Nahe und ich glaube in der Broschüre wird das konkrete Vorgehen nicht näher benannt, aber auf der Homepage der ALI steht, dass sie um das Gesetz wissen und deswegen eher an den Kiosken ansetzen wollen.

    Die verdi-Jugend hat am Dienstag auch eine Runde durch die Innenstadtkioske gedreht. Dazu wird demnächst ein Artikel auf ihrem Blog erscheinen.

    Außerdem gibt es dort bereits zwei Texte, die eine nähere Auseinandersetzung mit zwei konkreten Themen vornehmen: Gewerkschaften in Zuerst! und die Auseinandersetzung mit der Demontage bzw. dem Widerstand gegen die Demontage der Salzgitter-Werke nach dem zweiten Weltkrieg.

    http://verdijugendgoettingen.blogsport.de/

    Jugendlicher

  9. Rakete sagt:

    Naja, der Brief richtet sich explizit ans Grosso. Auf der ALI-Homepage steht: „Aber jeder Kiosk kann sie beziehen, aber eben auch abbestellen.“ Meiner Meinung nach stimmt das nicht, weil der Grossist eben auch bestimmt, was in den Kiosken ausliegt.

  10. Jugendlicher sagt:

    Der offene Brief ist unstrittig an den Grosso gerichtet, der liefern muss, aber der Brief ist eben nur ein Teil.

    Meine Recherchen haben ergeben, dass die Kioske an Verträge gebunden sein können, aber es nicht sein müssen. In der Regel müssen sie nicht bestimmte Zeitschriften abnehmen (habe eine Nachfragerunde gemacht), die Verträge sind also üblicherweise nicht so ausgestaltet.

    Die Grossisten legen gerne auch mal neue oder schwierig zu verkaufende Magazine ungefragt bei (in Göttingen etwa „Regio“ und „Faktor“) und schicken Zeitschriften nicht mehr mit, die ein paar Mal nicht verkauft wurden. Das ist richtig.

    Gleichzeitig kann ein Kiosk bestimmte Zeitschriften abbestellen oder neu daz nehmen. Wenn ich meinen Kiosk an der Ecke frage, ob in Zukunft auch Magazin XY bestellt werden kann, dann machen die das. Die haben da Handlungsspielraum.

    So oder so, sind wir uns aber anscheinend einig beim Ansatzpunkt Endvertrieb. Denn ihr schreibt ja auch:

    „Daher wäre das Bündnis gut beraten, den Druck auf den ohnehin nur an Absatzzahlen interessierten Endvertrieb zu richten und nicht unbedingt eine meinungsstarke Positionierung zu erwarten – das Schmierblatt wird dann vermutlich trotzdem aus den Regalen verschwinden.“

  11. zeitungsfreak sagt:

    Der Blog zu Kampagne: http://dasletztezuerst.blogsport.de/

    übrigens: Tonollo und Co könnten durchaus was machen gegen „Zuerst!“ und andere Drecksblätter. Z.b. aus dem offenen Verkauf nehme und unter die Ladentheke damit. Das hat Tonollo in der Innenstadt ja schon nach der Stadtralley gemacht. Vielleicht gucken die ja jetzt mal n bisschen genauer hin was sie für Kram verkaufen.
    Dann liegt der bekackte Oberschlesier und die ekelige Nationalzeitung wenigstens nicht mehr neben der jüdischen Wochenzeitung.

  12. Hola,

    auf unserem Blog könnt ihr einen Bericht über die derzeitige Lage der „Zuerst!“ in Göttingen lesen. Bei einem kleinen Bummel durch die „Endvertriebe“ haben wir uns ein (begrenztes) Bild machen können, welches an den Artikel und die Posts hier anschliesst.

    http://verdijugendgoettingen.blogsport.de/

    Außerdem befassen sich zwei Beiträge auch inhaltlich mit der Zeitschrift: Einmal mit der Rolle von Gewerkschaften in der „Zuerst!“ und dann noch speziell zu einem geschichtsfälschenden Artikel: „Arbeiteraufstand in der Westzone“

    Solidarische Grüße!

  13. verlinkerin sagt:

    also so ganz sauber ist das mit tonollo nicht.
    guck mal hier:
    http://dasletztezuerst.blogsport.de/2010/08/30/mitmachen/#comments

  14. esgehtweiter sagt:

    scheinbar sind die göttinger kiosk-besitzer_innen nicht ganz blöd. schreibt jedenfalls die propagandaabteilung der ali:

    Presseinformation vom 4. September 2010
    Sehr geehrte Damen und Herren,

    die antifaschistische Kampagne gegen den Vertrieb der Neonazizeitschrift „Zuerst! Das Deutsche Nachrichtenmagazin“ erzielt in Südniedersachsen erste Erfolge. Das Pressegrosso Mitte distanzierte sich von den Inhalten der Zeitschrift, zahlreiche Laden- oder Kioskbetreiber verbannen das rechte Magazin unter den Ladentisch.

    In einem offenen Brief hatten sich am 22.8.2010 neunzehn Initiativen, Gewerkschaften und Parteien aus dem Göttinger Bündnis gegen Rechts an das Pressegrosso Mitte gewandt und darum gebeten, „den Vertrieb der Zeitschrift „Zuerst! Das Deutsche Nachrichtenmagazin“ einzustellen“. Ein Sprecher des PG Mitte erklärte daraufhin gegenüber dem Stadtradio, man seie sich der Problematik bewusst, sehe sich aber gesetzlich verpflichtet, diesen und andere Titel zu vertreiben. Dürfte er „Zuerst!“ und andere rechte Zeitungen wie die „National Zeitung“ aus dem Sortiment nehmen, würde er es tun, so der Sprecher des Grossisten weiter.

    Den möglichen Spielraum für verantwortungsvolles Handeln nutzen inzwischen zahlreiche BetreiberInnen von Kiosken oder Zeitschriftenläden. Bei einem Rundgang suchte die ver.di-Jugend am vergangenen Dienstag das Gespräch mit KollegInnen. Diese haben die Neonazizeitschrift bereits unter die Ladentheke oder in Rubriken abseits etablierter Nachrichtenmagazine verschwinden lassen. Ausgerechnet bei Tonollo am Bahnhof (Bahnhofsallee 1c in Göttingen) wird die Neonazizeitschrift aber neben Titeln wie dem Stern, Spiegel oder Focus angeboten.

    Eine Sprecherin der Antifaschistischen Linken International A.L.I. begrüßte die Distanzierung des Pressegrosso Mitte von Neonazizeitschriften, verwies aber auf weitere Handlungsmöglichkeiten: „Rechte Titel könnten Kioskbetreibern bespielsweise nur auf ausdrückliche Nachfrage geliefert werden. Sollten die Verkaufszahlen der „Zuerst!“ beständig niedrig bleiben kann das Magazin aus ökonomischen Gründen ganz aus dem Vertrieb genommen werden“, so die Antifasprecherin weiter. „Sollten einige wenige Händler weiterhin meinen mit Neonazipropaganda Geld verdienen zu können, werden wir den Druck erhöhen!“.

    Mit antifaschistischen Grüßen!
    Antifaschistische Linke International A.L.I.

  15. harharhar sagt:

    in einigen geschäften gab’s plötzlich Zuerst! nur noch als kostenloses mangelexemplar zum mitnehmen.
    lustige aktion, leider nur ein foto bei http://www.inventati.org/ali/

  16. wildstrike sagt:

    hoffentlich dann auch gleich alle mitgenommen und nicht nur fotodokumentiert^^, wenn´s schon in der ersten reihe stand (und nicht zwischen den esoheftchen)…

  17. acab sagt:

    habe gerade eine coole aktion beobachtet: ich war in der sub unterwegs, als ich rauskam gingen zielstrebig ungefähr 20 schwarzgekleidete richtung esso-tankstelle. habe dann nur mitgekriegt, wie die durchs megafon einen redebeitrag gegen die scheiß zuerst-zeitung gehalten haben und andere in die tanke reingerockert sind. nach ein paar minuten war alles vorbei, sah jedenfalls gut aus! bin dann später rein in die tanke – wusste gar nicht, dass es die zuerst neuerdings mit antifa-aufklebern eingedeckt im eiscreme-fach gibt!

  18. Mängelwesen sagt:

    Lustige Sache! Glaub, die hab ich gesehen. Bin mittags aus der SUB Richtung Tanke gegangen, um mir einen zu noggern – da kam mir ’ne Gruppe dunkel gekleideter Menschen entgegen gerannt und Bullensirenen waren zu hören. Hatte mich schon gewundert, warum auf der Kühltruhe Aufkleber gegen Nazipresse klebten. Rechte Zeitungen lagen aber, soweit ich das mitbekommen habe, keine mehr beim Eis.

  19. Zeitungsleser sagt:

    Eben entdeckt: In der aktuellen Ausgabe vom Rechten Rand ist ein Interview mit der ALI zur Kampagne gegen Zuerst.

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