Di. 20.03.: Revolte und Wandel im Theaterkeller
von Schmendi am 17. März 2007 veröffentlicht in Theaterkeller, VortragUnter dem Titel „Revolte ohne Wandel“ lädt die in den politischen Gestaden Göttingens recht neue Gruppe „180 Grad“ am Dienstag in den Theaterkeller. Bislang gab es nur einen recht umfangreichen Selbstdarstellungstext der Gruppe in der Göttinger Drucksache. Auf der Homepage vom Theaterkeller gibt es jedenfalls zusätzlich den Einladungstext der Gruppe. Weil der aber für viele nicht sonderlich aufschlussreich sein wird, haben wir eine Aktivistin der Gruppe zum Interviewtermin gebeten.
Die Veranstaltung beginnt um 20 Uhr. Und: Die Gruppe versprach die multimediale Unterstützung des vorgetragenen Wortes.
war jemand bei der veranstaltung und kann mal berichten, wie es war?
Joa, ich war da.
Es gab erst ein ziemlich langes Referat (ca. 70 Minuten), das sich zwei Leute geteilt haben. Dann gab es ne vergleichsweise kurze Diskussion, die dann m.E. aber noch recht lange an den Kneipentischen fortgesetzt wurde ,-)
Im ersten Teil gab es ein bissel Theoriegeschichte: wie die traditionelle Linke immer um den Mehrwert und gegen die AusbeuterInnen gekämpft hat. Und wie dann in den 80ern die Wertkritik entstanden ist. Dann gab’s nen Kurzimput, was die Wertkritik will bzw. kritisiert. Am Ende kam raus, das die Kapitalismus eben in erster Linie als eine Strukur sehen, die zwar von den Menschen hervorgebracht wird, sich ihnen gegenüber aber verselbständigt. Und das deshalb Umverteilungsforderungen immer sehr schnell an ihre politischen und ökonomischen Grenzen stoßen.
Im zweiten Teil ging’s dann darum, wie damit politisch umgegangen wird. Das viele Linke jetzt meinen würden, sie müssten gar nicht mehr in soziale Kämpfe intervenieren, weil ja ohnehin alles Struktur sei und mensch da nix machen könne solange nicht alle Kommunistinnen geworden und das hedonistische Individuum fordern würden.
Da gabs dann eine Kritik dran. Einerseits weil das ökonomisch nicht immer aufgehen würde, weil viele sozial- und wirtschaftspolitische Veränderungen eben nicht in Strukturgesetzen (Konkurrenz- und Akkumulationszwang, „automatisches Subjekt“) aufgehen würden. Beispiel waren da Umverteilungen zwischen hohen und niedrigen Einkommen (bei Marx: Umverteilungen innerhalb des variablen Kapitalanteils). Und andererseits weil es innerhalb sozialer Kämpfe immer auch draum ginge, Menschen zu anzupolitisieren und aus den (vielleicht falschen oder beschränkten Ansichten und Forderungen) herauszureflektieren.
Wozu die Linke, das war dann auch schon das Fazit, auch keine Alternative hätte. Weil sich der Kapitalismus von alleine nicht verabschieden würde und mensch da schon was gegen tun müsse – und zwar mit anderen Menschen zusammen.
In der Diskussion ging es dann vor allem um die Frage, wie Linke in solche Bewegungen reingehen können, was sie da machen und wie sie sich da verhalten sollten. Und ob das überhaupt funktionieren könne und ob da nicht der Wunsch Vater des Gedanken sei.
Ziemliche Standart-Veranstaltung für eine neue Gruppe.
1.Wo sind unsere theoretischen Grundlagen? Wertkritik
Diese wurde dann auch historisch und aktuell wiedergegeben.
2. Warum eigene Gruppe? Zitate der Autonomen Antifa Frankfurt, sowie von AundK Göttingen. Abgrenzung meines Erachtens überhaupt nicht gelungen. Bei dem Frankfurter Zitat ging es (finde den genauen Part nicht) ca darum: „Gegen die Sinnstiftung für Rechtsstaat und Nation, Demokratie und Kapital setzen wir auf Ausdrucksformen die nicht vereinnahmbar sind und denen die FreundInnen des schlechten Bestehenden
nichts Positives abgewinnen können. “
Die Kritik des Zitats war dann, dass die „anderen“ wohl von den FrankfurterInnen als reaktionär abgestempelt wurden. Hä? Also ich kann mich an die Ums ganze Veranstaltung errinnern, wo genau dieser Apekt mehrfach aufgegriffen wurde und von Seiten der FrankfurterInnen genau das Gegenteil argumentiert wurde. Ich denke ja auch, dass das aus dem Opernball Aufruf hervorgeht (so wie ichs in Erinnerung habe), aber sogar ein Referent von 180c beteiligte sich an der Diskussion bei der og. Veranstaltung…
Die Kritik am AundK Zitat hab ich erst gar nicht verstanden.
3. Allgemeine Kritik der radikalen Linken: Schmendi bringts auf den Punkt: „[…]ging’s dann darum, wie damit politisch umgegangen wird. Das viele Linke jetzt meinen würden, sie müssten gar nicht mehr in soziale Kämpfe intervenieren, weil ja ohnehin alles Struktur sei und mensch da nix machen könne solange nicht alle Kommunistinnen geworden und das hedonistische Individuum fordern würden.“ Nunja, also wenn man unter dem Begriff der „radikalen Linken“ nur noch die Antideutsche fasst, dann passt das ein wenig. So ists doch nunmal nicht.
Was mir für diesen Teil absolut gefehlt hat, und somit ist die ganze theoretische Fundiertheit erstmal nicht korrekt, ist eine Analyse der „radikalen Linken“. Davon war rein gar nichts zu hören. Es wurde lediglich immer wieder eine Praxis gefordert, die keine Ableitung der Realität besitzt. Ausserdem find ich es sau gefährlich und zu dem nicht erfolgsversprechend, jedem (!) Nationalismus innerhalb sozialer Bewegungen ein Attribut zuzusprechen, dass sie lediglich innerhalb ihrer Sphäre real versuchen was für ihre Interessen zu verändern und dass man doch mit diesen das Gespräch suchen könnte. Viel Erfolg und Spaß dabei…
Ich will ja die Veranstaltung auch nicht schlecht reden. Es waren viele Leute da, auch viele, die ich noch nie in meinem Leben gesehen habe – und nur schon für diese war es eine sehr gelungene Einführung. Die Debatten, die die Leute von 180c sich erhoffen laufen doch schon seit 30 Jahren. Und seit der Entstehung der Antifa-Bewegung am intensivsten. Mir kams ein wenig so vor, als hätten sich die ReferentInnen leider nicht mit der Diskussion der 90er beschäftigt. Trotzdem ists gut in dem Generationenwechsel die Diskussion nochmal hervorzubringen.
Vielleicht gibts ja tatsächlich wieder mehr Veranstaltungen. Manchmal reicht jedoch auch ein Flugblatt.
GreetZ
(Ps.: Nette Alternative zu Goest hier!)
Hab das FrankfurterInnen Zitat gefunden, dh, das da oben war falsch. Hier das Richtige:
Wir werden unseren Teil zu diesem Event wie auch zum
G8-Gipfel in Heiligendamm beitragen, können jedoch
solch konstruktivem Rebellentum wenig abgewinnen.
Anstatt also nur an der Inszenierung des Protests von
Demokraten und ande-ren zivilcouragierten
StaatsbürgerInnen gegen die Politik und das Verhalten
der Eliten teilzunehmen rufen wir die radikale Linke
zum antikapitalistischen Block auf; einem Block dem
es selbstverständlich und maßloserweise ums Ganze
geht.
Schmendi schrieb:
„In der Diskussion ging es dann vor allem um die Frage, wie Linke in solche Bewegungen reingehen können, was sie da machen und wie sie sich da verhalten sollten. Und ob das überhaupt funktionieren könne und ob da nicht der Wunsch Vater des Gedanken sei.“
Vielleicht habe ich es nicht mitbekommen. Aber genau diesen Aspekt (und um den scheint es ja im Wesentlichen zu gehen, zumindest zielt jeder Diskussionsstrang darauf letztendlich ab) hat die Gruppe 180 Grad bisher ausgespart. Wenn auf der Veranstaltung dies konkretisiert wurde wäre es sehr nett wenn dies jemand noch hier rein schreibt. Thanx.