Schaffe, schaffe, Häusle kaufe!
von am 6. Mai 2010 veröffentlicht in Hintergrund, Politik

Seit den Siebzigern wird das Haus in der Gotmarstraße 10 von Linken bewohnt, immer wieder sollte es abgerissen werden. Immer wieder konnten die BewohnerInnen das verhindern. Jetzt wollen sie das Haus kaufen, kollektivieren und so vor Reprivatisierung schützen – und benötigen dafür 250.000 Euro. Das Finanzierungsmodell wird hauptsächlich von Direktkrediten getragen, die BewohnerInnen, UnterstützerInnen und FreundInnen des Hauses gewähren sollen. Wir haben mit einigen BewohnerInnen über ihre Beweggründe gesprochen.

Ihr wollt das Gebäude Gotmarstraße 10 kaufen und kollektivieren. Was genau muss man sich darunter vorstellen?

Das heißt für uns, dass wir das Haus kaufen wollen, ohne selbst EigentümerInnen zu werden. Zugleich soll es auch für kommende BewohnerInnen-Generationen so sein, dass die Leute, die im Haus wohnen auch über alle Angelegenheiten, über die Nutzung selbst entscheiden. Allerdings ist uns wichtig, den Entscheidungsspielraum einzuschränken: Durch die Grundsätze nämlich, dass in dem Haus kollektives Wohnen in einer Groß-WG erhalten bleibt und nicht der Geldbeutel darüber entscheidet, wer hier wohnen kann und wer nicht.

Und es geht hier ja um Eigentum an Boden und Immobilien. Die G10 ist sicherlich in den Augen Vieler ein Filetstück: Nur einen Steinwurf von der Innenstadtwache entfernt, also in der Nachbarschaft zum Gänseliesel – da lässt sich mit anderen Konzepten als Groß-WGs sicher leicht eine hohe Rendite erreichen. Und das ist ja auch eine Gefahr für das Haus. Deshalb haben wir in der rechtlichen Konstruktion, über die wir das Haus in unsere kollektiven Hände überführen auch einige Bremsen und Hemmnisse eingebaut, die einen Wiederverkauf oder den Umbau in kleinere Wohneinheiten auf lange Sicht erschweren.

Das Haus kostet 250.000 Euro. Wie wollt ihr all das Geld denn auftreiben?

Erstmal wird es bei den 250.000 nicht bleiben. Wir rechnen nochmal mit erheblich mehr Aufwand, da in absehbarer Zeit größere Sanierungen anstehen. Neben kleineren Ausbesserungen ist es vor allem die energetische Sanierung des Daches und der Fassade, die zusätzlich kosten wird. Welche Schritte da genau notwendig sein werden und wieviel es Kosten wird, das stellen wir gerade zusammen.

Finanzieren wollen wir das über Direktkredite. Das ist ein Modell einer solidarischen Finanzierung, ohne die dieses Projekt mit sozialem und politischen Anspruch nicht zu machen wäre: Jeder und jede kann unserem Verein Geld leihen mit dem wir dann die Kaufsumme zusammenbekommen wollen. Das solidarische an den Krediten ist dann, dass der Zinssatz dabei zwischen null und drei Prozent, also dem Inflationsausgleich, liegt. In den Kreditverträgen werden auch Laufzeit und Rückzahlung geregelt.

Hältst du da jetzt die Mieteinnahmen dagegen, dann kommt ein realitätstauglicher Finanzierungsplan heraus.

Warum soll das Haus, nachdem es jahrzehnte dem Studentenwerk gehörte und seither Raum für linkes Wohnen bot, genau jetzt kaufen?

Das Haus hat in den letzten Jahrzehnten mehrmals den Eigentümer gewechselt. Dass es da jetzt so steht, wie es da steht, und dass da jedes Jahr zum Beispiel die Hofparty stattfindet, das ist ist das Ergebnis von vielen Kämpfen in der Stadt und direkt vorm Haus. Das Haus stand mehrmals vorm Abriss, die Sparkasse wollte hier bauen, CundA wollte sich hier vergrößern, aber das wurde alles verhindert. Ende der 90er hat CundA das Haus an einen der damaligen Bewohner verkauft, da damals in der Kürze der Zeit die Pläne für einen kollektiven Kauf nicht umgesetzt werden konnten. Das holen wir jetzt nach gewissermaßen.

Gibt es wohnungs- oder stadtplanungspolitische Gründe, die euch motivieren?

Ja. Bei der Struktur des Wohnungsmarktes mal angefangen: Es gibt immer mehr Single-Wohnungen, dann den Stadtvillen-Trend und natürlich der Großteil des Wohnungsmarktes, der den Wohnraum für die bürgerliche Kernfamilie bereitstellt. Diese Struktur ist natürlich politisch. Die Groß-WGs in der Innenstadt sind beinahe alle durch Besetzungen oder gegen den Widerstand der Eigentümer erkämpft worden. Gerade in diesen Häusern haben wir ja den Raum, um neue Formen des gemeinsamen Wohnens, Lebens und Arbeitens zu entwickeln und der Vereinzelung etwas entgegen zu setzen, der wir ja alle ausgesetzt sind, an der Uni, in der Schule, auf der Arbeit.

In den aktuellen stadtplanerischen Entwürfen findet sich das ja manchmal sogar wieder. Also nachdem jahrzehntelang Wohnsilos gebaut wurden, bei denen die Vereinzelung mit eingeplant war, werden jetzt im Rathaus Treffpunkte und „innerstädtische Ruheräume“ geplant. Dabei ist aber auch klar: Was sich da an sozialem Kontakt entwickelt bleibt unter der Kontrolle des Kommerzes oder mindestens einer Videokamera. Wenn in der Stadt spontan soziale Treffpunkte entstehen, und das sehen wir täglich, dann schreitet die Polizei ein. Am Wilhelmsplatz, am Johanniskirchhof, am Nabel.

Würdet ihr in diesem Zusammenhang von „Gentrification“ sprechen wollen?

Das beschreibt ja einen sehr eng gefassten Prozess städtischer Segregation an dessen Beginn ja oft auch WGs oder subkulturelle Projekte Türöffner für eine „Aufwertung“ der Viertel sind. Mir fällt auf Anhieb kein Straßenzug ein. Nimm mal den T-Keller, die Rote Straße oder auch unsere Häuser in der Gotmar – die sind ja nicht derart, dass sie die Gegend aufwerten. Eher im Gegenteil, während rundum Geschäfts- und Büroflächen ausgebaut werden, Häuser luxus-saniert werden, sind die ja eher ein Hemmnis.

Die Verdrängung der Bevölkerungen bzw ihre Neuzusammensetzung in der Innenstadt, diese Realität gibt es aber dennoch. Schrittmacher ist da aber vor Allem die planerische Stadtpolitik. Da stecken wir in der Gotmar ja mitten in so einem Prozess drin: Wenn sich die Pläne am Stadtbad-Gelände realisieren, dann wird das auf kurz oder lang auch zu Veränderungen hier in der BewohnerInnen- und Laden-Landschaft führen.

Die Entwicklungen in der Innenstadt gibt es bereits seit 30 Jahren. Sie haben nie dazu geführt, dass in größerer Menge Menschen vertrieben wurden. Die Bevölkerung in der Innenstadt ist noch immer bunt gemischt und nicht „yuppisiert“. Warum also eure Sorge?

Die Vertreibung, die hier in der Innenstadt seit dem Ende des 2. Weltkrieges stattgefunden hat, die ist immens! In der Neustadt z.B. ist ein ganzes Viertel in den sechziger Jahren abgerissen worden. Gelebt haben dort vor allem ArbeiterInnen und MigrantInnen, die damals als „GastarbeiterInnen“ galten. Die wurden quasi umgesiedelt auf den Holtenser Berg. Die Häuser, die da jetzt stehen sind ein Paradebeispiel für die Umsetzung der polizeilichen Konzepte von sozialer Kontrolle und „sicherem Wohnen“ Diese Politik der Vertreibung und der Zerstörung – nicht nur der Häuser, auch der sozialen Zusammenhänge – die zieht sich durch die großen planerischen Entwürfe für die Neugestaltung der Innenstadt. Eigentlich egal welchen Betonbunker du dir anschaust, da war ja vorher keine Wiese, da haben Menschen gewohnt und an vielen Ecken gab es auch immer wieder Widerstand.

Das gilt übrigens auch für unser Haus, für die Rote Straße und andere: Als die Häuser besetzt wurden, standen sie leer, bereit für den Abriss. Die BewohnerInnen vorher, die waren zu dem Zeitpunkt schon gekündigt, entmietet, wie es heißt.

Euer Hauskauf wird keine stadtpolitisch forcierten Prozesse aufhalten können. Seht ihr weiteren Handlungsbedarf für „Politik von unten“?

Das war ja in vergangenen Kampagnen auch immer wieder Thema. Gegen die Sauberkeitskampagne, gegen Überwachung. Aber leider haben wir es in der Heretostay-Kampgne nicht geschafft, die angedrohte Kündigung der WGs als Teil dieses Prozesses in der Innenstadt anzugehen und zum Beispiel uns an dem Protest von AnwohnerInnen gegen den Kauflandbau, also in direkter Nachbarschaft zu einigen Häusern, zu beteiligen.


Um das Projekt vorzustellen und Eure Fragen hinsichtlich einer solidarischen Geldanlage zu beantworten, laden wir Euch am Sonntag, den 9. Mai 2010 um 15 Uhr in die Gotmarstraße 10 ein. Bei Kaffee und Kuchen wollen wir mit Euch klären, warum es besser ist, vorhandenes Geld nicht irgendeiner Bank mit miesen Zinsen, sondern einem selbstverwalteten Hausprojekt mit politischer Vereinsarbeit und noch mieseren Zinsen zu leihen.

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