Hier wird abgekratzt!
von Fernseherin am 29. Januar 2007 veröffentlicht in städtischesDer Sticker ist ein beliebtes Medium. Das gilt nicht nur für schöne bunte Bildchen und Werbebotschaften, sondern auch für politische Statements. In dieser Stadt, in der es bekanntlich nicht nur Bildermacher_Innen und Werbeleute gibt, sondern auch politische Menschen, kann man daher eine beachtliche Vielfalt im Klebewesen beobachten. Die Ziele von Klebe-Attacken im öffentlichen Raum sind für gewöhnlich Ampeln, Zigarettenautomaten und was sonst noch so glatte Oberflächen hat.
Leider ist es im Bereich des neuen Rathauses seit einiger Zeit üblich, angebrachte Sticker, bevorzugt solche mit linkspolitischem Inhalt, zu entfernen. Aber nicht einmal pro Woche oder einmal pro Monat, sondern fast täglich. Besonders während der Zeit vor den letzten beiden Versuchen von Naziaufmärschen, in der der Output an klebender Propaganda recht hoch war, konnte man beim Spaziergang feststellen, wie konsequent und profesionell abgekratzt wird. Strahlten abends noch die blau-weißen „Nazis stoppen!“-Schriftzüge von jeder zweiten Laterne, waren am darauffolgenden Nachmittag nur noch Reste zu sehen. Das ist Schade, denn die Kreuzung und der Hiroshima-Platz sind sehr stark frequentierte Orte.
An dieser Stelle soll es keinen Exkurs über Kontrolle im öffentlichen Raum und die Frage:“Wem gehören die Flächen?“ geben, auch wenn es mal wieder an der Zeit wäre. So wurde erst kürzlich die große Plakatwand im Theologicum entfernt – ohnehin eine der wenigen Flächen, die die Universität noch zur freien Verfügung gestellt hat. Dazu vielleicht an anderer Stelle mehr…
Zurück zum Rathaus: Es stellt sich manchen die Frage, wer sich eine solche Mühe gibt, die Flächen nicht nur zu kontrollieren sondern auch zu „pflegen“. Sicher gibt es hier politische Interessen bei bestimmten Gruppen. Aber ein Abgeordneter im Stadtrat, etwa von der CDU, der täglich in den frühen Morgenstunden, bewaffnet mit einem Schabwerkzeug, alle möglichen Objekte nach verdächtigen Botschaften absucht, ist nur schwer vorstellbar.
Möglicherweise beschäftigt die Stadt Menschen, die die Umgebung des Rathauses „sauberhalten“. In manchen Städten werden speziell für solche Arbeiten 1€-Jobs geschaffen. Aufgrund der Hartnäckigkeit käme natürlich auch ein konservativ/rechts/gar nicht denkender Frührentner als Täter_In in Frage, getrieben von Langeweile und Hass auf die Unordnung. Vielleicht fühlen sich ja Klebende da draußen dazu berufen, mal eine Nacht durchzumachen und dieses Rätsel zu lösen.
Im Sinne eines politischen Zeichens wäre es für manche sicher wünschenswert, wenn beim neuen Rathaus und der gegenüberliegenden Volksbank zukünftig mehr klebekräftiges Engagement durch Unbekannte gezeigt würde.
(Dieser Text gibt aufgenommene Stimmungsbilder von Teilen der Bevölkerung wieder. Da das Anbringen von Aufklebern an Eigentum der Stadt in jedem Fall eine Ordnungswidrigkeit und ggf. eine Sachbeschädigung darstellt, rät die Autorin hiermit ausdrücklich davon ab!)
die pinnwände im theo wurden wieder aufgehangen hab ich heute gesehen