Linke Brauerei geplant

„Es gibt kein richtiges Leben in Flaschen!“
von am 17. Mai 2013 veröffentlicht in Soziale Bewegungen, Titelstory

Werbung für die Soliparty

Kann Bier brauen Links sein? Ein Göttinger Kollektiv findet: Ja! Um den Traum einer linken Brauerei umzusetzen, sucht es jetzt Unterstützung. Wir haben mit den Bierbrauern gesprochen.

Einen endgültigen Namen haben sie noch nicht und trotzdem sind sie schon voll bei der Sache: Das Bierbraukollektiv, dass noch den Arbeitstitel „Soli-Bier“ trägt, braut seit September 2012 Portionen von 23 Liter pro Brauvorgang. Dafür braucht es vier Menschen, eine Göttinger Wohnung und ein paar Töpfe. Da die Behälter schon zu klein geworden sind, feiert das Kollektiv am Samstag eine Soliparty im Stilbrvch.

MoG: Wie seid ihr auf die Idee gekommen, ein Bierbraukollektiv zu gründen?

Soli-Bier: Gewissermaßen war ein Artikel bei Monsters of Göttingen der Auslöser. Irgendwann im Sommer 2011 wurde Astra aus dem T-Keller verbannt, da deren Werbung teilweise auf ziemlich üblen Sexismus zurückgreift (MoG berichtete). Und dann gab’s den Gedanken, dass ein Bier mit emanzipatorischem Anspruch ’ne gute Sache wäre. Mit der Zeit wurde die Idee dann auch weiterentwickelt, so ist der aktuelle Plan, dass das Bier nicht bloß von einem Kollektiv gebraut werden soll, sondern dass es linke Politik aktiv unterstützen kann: etwa durch eine Spende von zum Beispiel 10 Cent pro verkaufter Flasche an ein emanzipatorisches Projekt oder das Anbieten der Flaschenrückseiten als Werbeflläche, um beispielsweise für Demos zu werben.

Was habt ihr schon ausprobiert und welche Biere soll es wo zu kaufen geben?

Hauptsächlich haben wir mit Pale Ales herumprobiert. Das ist kurz gesagt ein helles Bier mit ausgeprägten Hopfenaromen und einer teils starken Bittere. Dazu kommen dann noch Versuche mit einem Weizenbier, einem Schwarzbier im Stil eines Irish Stouts, einem Maibock, und einem trockenen pilsähnlichen Bier im norddeutschen Stil. Es ist aber strenggenommen kein Pils, da wir aufgrund der örtlichen Gegebenheiten nicht die Möglichkeit haben, einer untergärige Hefe die niedrige Gärtemperatur zu geben, die sie braucht. Schmeckt aber trotzdem pilsig.

Welche Biere wir planen anzubieten, ist noch nicht abschließend diskutiert. Im Gespräch sind momentan folgende: Ein sehr intensives Pale Ale, ein eher leichtes Pale Ale, ein Weizen, ein Schwarzbier, ein Pils und eventuell je nach Laune mal einen einzelnen Sud einer weiteren Biersorte, auf die man so Lust hat.

Wo man das Bier dann bekommen soll, ist auch noch nicht geklärt. Vielleicht haben ja linke Läden Lust, das Bier auszuschenken, wenn es soweit ist, dass wir ein Gewerbe angemeldet haben und das auch verkaufen können. Verbindlich angesprochen haben wir noch niemanden. Es gab aber eine unverbindliche Anfrage. Es geisterte auch schon der Gedanke nach Verteilung des Bieres nach ähnlichen Prinzipien wie bei solidarischer Landwirtschaft herum, bei dem die Mitglieder regelmäßig zahlen was sie können und alle die gleiche Portion dessen bekommen, was produziert wird.

In Moringen im Landkreis Northeim gibt es ein ähnliches Projekt: Alexander Mollenhauer braut selbst und das Bier kann man in Göttingen kaufen. Ihr habt bei ihm „gelernt“. Wie sind die Einflüsse und wo sind die Unterschiede?

Wir verdanken Alex Mollenhauer auf jeden Fall eine Menge: In einer Woche Kurzpraktikum hat er uns alles notwendige vermittelt um mal einen eigenen Brauversuch zu wagen, und uns Empfehlungen mitgegeben, was für Ausrüstung wir noch brauchen. Für den ersten Schritt hat er uns auch die Rohstoffe zur Verfügung gestellt. Außerdem hat ein guter Freund von ihm uns den ganzen ersten Brautag über begleitet. Das hat uns auch in sofern geprägt, dass wir mit einem ähnlichen Bier wie seinem begonnen haben, und dann, um die geschmacklichen Auswirkungen verschiedener Malz- und Hopfensorten kennenzulernen, herumexperimentiert haben. Mittlerweile unterscheidet sich unser Bier aber schon sehr von seinem.

Unterschiede kann man hauptsächlich in der politischen Dimension erkennen, die steht bei uns mehr im Vordergrund. Darüber hinaus haben wir uns auch viel Hilfe und Anregungen im Internet gesucht (http://hobbybrauer.de), und dabei wohl auch einige weitere Einflüsse bekommen.

Wir wollen aber keine Konkurrenz zu seiner Hausbrauerei werden. Auch deswegen finden wir den Gedanken ganz gut, das Bier vor allem in linken Strukturen auszugeben.

An welche Dimensionen des Brauens denkt ihr und wie ist eure Zukunftsvision, zum Beispiel auch im Vergleich zu Mollenhauer? Kann es sein, dass in Anbetracht des abzusehenden Aufwands jemand hauptberuflich „Bierkollektivist“ wird?

Wenn die Party am Samstag gut läuft, könnten wir schon bald eine 100-Liter-Brauanlage auf die Beine stellen. Um die benutzen zu können, brauchen wir allerdings noch unbedingt einen eigenen Raum, beziehungsweise Räume. Auf Dauer ist die WG-Küche einfach zu klein und auch nicht für ein Gewerbe geeignet.

Derzeit brauen wir ja nur rund 23 Liter pro Vorgang. Wenn also Menschen, die dieses Interview lesen, einen Raum haben, oder von einem wissen, den wir zur Verfügung gestellt bekommen könnten, meldet euch gerne bei uns! Wasseranschluss und Abfluss sind wichtig, wir müssten den Raum auch fliesen.

Mollenhauer braut die ganze Woche und verkauft soviel er kann – in der Regel alles. Wir würden einen anderen Ansatz verfolgen wollen: Wir hoffen auf Erwartungseinschätzungen der ausschenkenden Läden und brauen dann einige Wochen vorher die Menge, die gewünscht ist. Wir wollen also das ganze möglichst bedarfsorientiert aufziehen. Absehbar ist eine Hauptberuflichkeit für uns bisher nicht.

Eine Zukunftsvision wäre eine komplette Verabschiedung vom Markt. Ein solidarisches Netzwerk, das sich gegenseitig mit allem Benötigten versorgt, ohne auf Tauschverhältnisse zurückzugreifen. Im Konkreten für uns als brauendes Kollektiv wären dafür wohl die Betriebe wichtig, die man für’s Bier braucht: Landwirt*innen, die verschiedenes Getreide und Hopfen anbauen, und Mälzereien.

Ihr wollt mit dem Verkauf Geld sammeln und es linken Projekten zukommen lassen. Wer entscheidet über den Zweck? Können Gruppen dann Anträge auf Zuwendung stellen? Oder gibt es in Zukunft eine Art „Freundeskreis des Kollektivs“, der in solchen Sachen mitreden darf?

Darüber, wie das konkret ausgestaltet werden soll, haben wir noch nicht abschließend diskutiert. Eine Art „Freund*innenkreis des Kollektivs“ in Form eines Konsument*innen-Plenums war aber durchaus schon in der Diskussion.

Ihr vertretet einen emanzipatorischen Anspruch und sagt z.B. „Wir wollen aber nicht einfach auf die Revolution warten, sondern versuchen hier und jetzt etwas zu verändern, auch wenn es nur kleine Schritte sein mögen.“ Welche Ansprüche sind das genau? Definiert ihr euch als feministisch, ökologisch,…? Seht ihr euch als Träger_in von Inhalten oder eher als reine Geldbeschaffer_in?

„Geldbeschaffer_in“ finden wir keinen so geeigneten Begriff. Es geht uns nicht darum, nur Geld zu erwirtschaften, dann könnten wir auch Autos verkaufen. Es geht darum, ein funktionierendes Soli-Konzept zu etablieren, dass linke Projekte unterstützen soll – sei es Antirepressionsarbeit, Unterstützung für Flüchtlinge oder Busse zu Demos. Da sind wir ganz offen.

Wir definieren uns einerseits sogesehen darüber, dass wir emanzipatorische Politik stärken wollen. Das geht in einer kapitalistischen Gesellschaft leider meist nicht ohne Geld. Natürlich haben wir andererseits auch eigene Inhalte. Wir haben uns vor einiger Zeit beispielsweise mit dem „Positionspapier Kollektivbetriebe“ der FAU Hamburg auseinandergesetzt und unterstützen es größtenteils. Das heißt, wir verstehen das Kollektiv auch als „Keim einer neuen Gesellschaft“, indem wir mithelfen wollen, alternative Ökonomien aufzubauen und auszuprobieren: Wir zeigen auch gerne Anderen, wie das mit dem Brauen funktioniert. Außerdem sehen wir uns als Teil eines „Aufbaus von Gegenmacht“, indem wir linke Politik finanziell unterstützen wollen. Dabei zieht sich durch unser Handeln der grundsätzliche Wunsch nach einer herrschaftsfreien Gesellschaft.

Ein feministischer Anspruch ist uns generell wichtig, beispielsweise unsere Soli-Party würden wir ohne eine Antisexistische Ansprechgruppe nicht feiern wollen. Genauso wird es auch einen Schutzraum geben. Wir haben bei uns grundsätzlich einen politischen Konsens, der Rassismus, Sexismus, Nationalismus und anderen menschenverachtenden Scheiß ausschließt.

Ökologie lässt sich, unserer Meinung nach, nicht von Ökonomie trennen. Wir haben den Anspruch, ökologisch nachhaltig zu produzieren. Wir wollen also bevorzugt regional erzeugte Rohstoffe verwenden, was aber auch schwierig werden kann, da es aktuell extrem schwierig ist an einige Hopfen- und Malzsorten zu kommen, wenn diese zumindest Bio-Standards genügen, geschweige denn aus der Gegend um Göttingen herum kommen sollen.

„Alkohol als Beruhigungs- und Verdummungsmittel sabotiert den Kampf gegen Ausbeutung und Unterdrückung”, sagte der Deutsche Arbeiter-Abstinenten-Bund (DAAB). Was sagt ihr zu Stimmen wie diesen, die Alkohol kritisch sehen und ihm eine „revolutionshemmende Wirkung“ unterstellen? Erwägt ihr euer Sortiment um etwas unalkoholisches zu erweitern?

Wir können nachvollziehen, dass die politische Dimension von Alkohol nicht unumstritten ist, auch weil er als Betäubungsmittel dazu beitragen kann, bestimmte Zustände eher auszuhalten, anstatt sich gegen sie zur Wehr zu setzen. Auf der anderen Seite sehen wir Bier aber auch als ein Genussmittel, das, in Maßen und auch mal in Massen getrunken, Lebensqualität erhöhen kann. Die Verantwortung für das eigene Konsumverhalten überlassen wir den Konsumierenden. Grundsätzlich ist uns aber klar: Es gibt kein richtiges Leben in Flaschen!

Der Wunsch nach unalkoholischen Getränken wie alkoholfreiem Bier wurde schon öfter an uns herangetragen. Das Problem damit ist, dass die Herstellung alkoholfreien Bieres, insbesondere wenn es wirklich komplett alkoholfrei sein soll, mit einem enormen technischen Aufwand verbunden ist, den wir noch nicht einmal im Ansatz erfüllen können. Über andere unalkoholische Getränke haben wir noch nicht gesprochen. Wenn das mit dem alkoholhaltigen Bier klappen soll, haben wir damit aber auch erstmal alle Hände voll zu tun.

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2 Kommentare auf "„Es gibt kein richtiges Leben in Flaschen!“"

  1. […] kann also sogar Frühschoppen politisch sein. Naja, warum auch nicht, wenn in Göttingen schon Bierbrauen links sein […]

  2. peppi sagt:

    Hier nochmal der Link zur Hausbrauerei Mollenhauer Seite:

    http://www.hausbrauerei-mollenhauer.de/

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