Protest gegen Wohnungsnot
Nach Demo Wohnheim „wiedereröffnet“
von monsteradmin am 17. Januar 2013 veröffentlicht in Soziale Bewegungen, TitelstoryBei winterlichem Schnee und niedrigen Temperaturen sammelten sich gegen 18 Uhr ca. 300 Leute um den Lautsprecherwagen auf dem Zentralcampus. Der Anlass war eine Rave-Demo zu den Missständen in der aktuellen Bildungspolitik und der Göttinger Wohnraumsituation. Doch zu Beginn ahnten wohl noch nicht alle Teilnehmer_innen, dass außer kreativen Aktionen wie Feuerwerk und Luftballons auch eine Besetzung geplant war.
Kameras auf Luftballons
Stark präsent war auch der schon gewohnte Geleitschutz – die Polizei. Das Thema Wohnraum ist den Beamt_innen wohl nicht entgangen, so dass vor jeden der einschlägigen Göttinger Wohnprojekten bereits ein polizeiliches Kamerateam bereit stand. Gefilmt wurde dabei ohne Gnade, sogar harmlose Luftballons, die aus dem Fenster des „Here To Stay“-Wohnhauses in der Gotmarstraße purzelten, wurden gewissenhaft aufgezeichnet.
Die Teilnehmer_innen hatten gute Laune, tanzten durch die Stadt und feierten friedlich zur Musik vom AK Tanzpädagogik. Aus verschiedenen studentischen Wohnhäusern, die auf der Route lagen, wurde Feuerwerk abgeschossen. So war die Polizei schwer beschäftigt eine Ordnungswidrigkeit nach der anderen auf ihren Videokameras zu dokumentieren. „Ich hoffe ihr stellt das auf Youtube!“, pöbelte eine Teilnehmer_in.
Bis zum Ende der Veranstaltung waren keinerlei Anzeichen einer geplanten Besetzung zu vernehmen. Aufgelöst wurde die Demo auf dem Wilhelmsplatz mit der Ankündigung einer After-Show-Party in der Geiststraße 10. Wer sich ein wenig in der Wohnheimsgeschichte der Stadt auskennt, erinnerte sich wohl schnell, dass dieses Haus seit längerem leer steht. Da dürfte dann nach einigen Sekunden überlegen klar gewesen sein, dass diese Party der Auftakt einer Besetzung sein könnte. Und so machten sich zügig kleinere Gruppen Menschen auf in die Geiststraße.
Party und Plenum in der Geiststraße
Unmittelbar nach dem Aufruf waren bereits zahlreiche Einsatzkräfte vor Ort. Die Geiststraße 10 wurde von einer Gruppe Aktivist_innen im Vorfeld besetzt. Etwa 70 bis 100 Menschen folgten dem Aufruf. Das Aufgebot der Polizei nahm relativ schnell ab. Vorher ließen es sich die Beamt_innen nicht nehmen, im Innenstadtbereich vermeintlich verdächtige Personen zu kontrollieren. Bis Mitternacht hielt ein Einsatzwagen an der Ecke Goetheallee noch Wache. In die Besetzung eingegriffen hat die Polizei nicht.
Das ehemals studentische Wohnheim wurde im Februar 2010 vom Göttinger Studentenwerk geschlossen. Als Grund wurde angegeben, dass das Gebäude langfristig umgestalten werden soll.
Letzte Zeugnisse des Wohnheimlebens
„Dieses Haus steht seit drei Jahren leer, ohne dass die angekündigte Umgestaltung umgesetzt wurde. Dutzenden Studierenden wurde gekündigt, die hier bis dahin lebten“, so eine Sprecher_in der Aktivist_innen. In der Geiststraße 10 wäre Platz für rund 65 Personen.
Zudem ist das ehemalige HNO-Klinikgebäude barrierefrei. „Ich kenne eine der Personen, die hier mal gewohnt hat und auf barrierefreie Wohnplätze angewiesen ist. Davon gibt es in Göttingen leider nicht wirklich viel, was das prekäre an der Schließung genau dieses Wohnheims aufzeigt“, so die Sprecher_in weiter. Trotz der drei Jahre Leerstand ist die Bausubstanz auf den ersten Blick immer noch gut erhalten. Hier und da kommt der Putz von den Wänden und es gibt leichte Mängel am Fundament. Die sanitären Einrichtungen sind fast komplett entfernt.
Das Klingelschild zeigt: Hier wohnten viele Studierende
Es dauerte nicht lange, bis sich ein Plenum in dem besetzten Haus stattfand, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Eine Plenumsteilnehmer_in erklärte anschließend: „Die Besetzung steht in erster Linie symbolisch dafür, dass wir uns die Politik des Studentenwerks in Bezug auf den studentischen Wohnraum nicht länger gefallen lassen wollen. Wie es hier in der Geiststraße genau weiter geht werden wir dann sehen.“ Die Aktivist_innen haben die Uni bereits über die Besetzung informiert. Im Laufe des Abend gab es noch keine Reaktion.
Text: Feemina & Hank Scorpio, Fotos: Harvey
ENDLICH!
Vielen Dank an die Besetzer*Innen möge der Widerstand noch einige Zeit halten. Ich hoffe die Unterstützung wird dementsprechend groß ausfallen, denn falls das Studentenwerk bzw. die Uni räumen lassen will, sollte das ein würdigen „Empfang“ geben!
Solidarische Grüße aus dem Ausland!
Bericht: Spontandemo am Abend der Räumung der gestern besetzten Geiststraße 10:
Heute Abend fand anlässlich der Räumung der Geiststraße eine spontane Demonstration statt. Um 18 Uhr versammelten sich etwa 70 Menschen auf dem Unicampus, die sich zu einer Demonstration formierten und schliesslich – nachdem ein erster Versuch, vom Campus zu kommen (Nikolausberger Weg/Goßlerstraße) am rabiaten Einsatz der Bullen nebst Göttinger BFE scheiterte – auf die Weender Landstraße in Höhe des Conny-Denkmales liefen. Daraufhin wurden sie von den Bullen zurückgedrängt.
Das den Bullen das Feingespür fehlt, merkten einige TeilnehmerInnen an Sprüchen wie „Ihr müsst von der Straße, damit euch sowas wie eurer Kollegin 1989 nicht passiert“ Zu dem Zeitpunkt dieser Sprüche war die Straße schon seit 10 Min für den Verkehr gesperrt worden.
Später wurden die TeilnehmerInnen – wiederum mit rabiaten Körpereinsatz – von der Straße auf den Gehweg gedränkt, mit der Begründung, den Verkehr wieder fließen zu lassen. Das geschah – nicht. Die Polizei blockierte weiterhin die Straße. die Menge an Menschen, die sich mit den TeilnehmerInnen der Demonstration solidarisierten, wuchs dabei stetig an.
Nach etwa 20 Minuten konnte ein herbeigerufener Anwalt die Situation entschärfen und mit den Bullen eine Spontandemo ohne Anmeldung in die Innenstadt aushandeln. Es ging, nun mit geschätzen 100 TeilnehmerInnen und zu 3/4 vermummt, mit ein paar spontanen Routenänderungen über die Weender Straße zum Gänseliesel und zum Wilhelmsplatz, dem Präsidiumssitz der Göttinger Universität, der das ehemalige Studentenwohnheim in der Geiststraße gehört Solidaritätsbekundungen gab es, wie auch gestern, in Form von Parolen und Pyrotechnik aus der Roten Straße. Rangeleien und Eingriffe in die Demo seitens der Bullen, konnten in den meisten Fällen rechtzeitig unterbunden.
Für Göttinger (Polizei) Verhältnisse seit langem mal wieder eine gelungene Spontandemonstration!