Protest gegen Thomas de Mazière

Besuch vom Minister
von am 7. Dezember 2010 veröffentlicht in Politik, Soziale Bewegungen, Titelstory

An einer Kundgebung gegen den Auftritt des Bundesinnenministers Thomas de Maizière (CDU) nahmen am Dienstag Abend etwa 100 Linke teil. Davon unbehelligt rechtfertigte der Minister in der Paulinerkirche Kriegseinsätze und Abschiebungen. Sie seien mit dem christlichen Gebot der Nächstenliebe vereinbar.

Zu der Kundgebung hatte die Antifagruppe redical M aufgerufen, zunächst direkt vor der Paulinerkirche. Dies untersagte jedoch das Ordnungsamt per Dekret, sodass sich die Antifa-Aktivist_innen um 17 Uhr auf der Leinekanalbrücke in der Goetheallee versammelten. Mit wenig Elan und kaum in Hörweite des Veranstaltungsortes gaben sie dort eine knappe Stunde Parolen und Redebeiträge von sich.

Stein des Anstoßes war nicht die Person de Mazière, sondern der „Gewaltapparat“, für den der Minister als „Charaktermaske“ stehe, so ein Redner auf der Kundgebung. Der Protest richtete sich gegen die deutsche Abschiebepolitik sowie die stetig verschärften „Sicherheitsgesetze“ und den damit verbundenen Grundrechteabbau. So fand es ein weiterer Redner dann auch „lächerlich, dass Linksradikale hier die bürgerliche Freiheit verteidigen“, die das Bürgertum in der französischen Revolution erkämpft hätte.

Im Anschluß an die Kundgebung zogen die Aktivist_innen mit einer Demonstration durch die Innenstadt. In der Nähe des Weihnachtsmarkts kam es zu kleinen Rangeleien mit den 15 demonstrationsbegleitenden PolizistInnen, die den Demozug nicht auf den Markt lassen wollten. Mit einer deutlich hörbaren Zwischenkundgebung konnten die Inhalte aber auch über die Polizeikette hinweg an die Besucher_innen gebracht werden.


Die Demo in der Weender Straße

Der Protest gab sich betont bürger_innennah. „Liebe Bürgerinnen und Bürger, sie fragen sich bestimmt, was junge Menschen in dieser Kälte hier draußen machen“ – so beginnt ein neben der Demonstration verteiltes Flugblatt, das auch mehrmals über eine Lautsprecheranlage verlesen wurde. „Sind wir Extremisten? Chaoten? Unpolitische Spinner und nur auf Randale aus?“, fragte die Redical M und lieferte die Antwort gleich mit. „Würden solche Gruppen und Zusammenhänge sich so viel Zeit nehmen um zu versuchen, Ihnen etwas zu vermitteln oder zum Nachdenken zu bringen?“ Das Elend – gemeint waren Abschiebungen – fände „hier vor Ort statt“ und hier könnte man sich auch dagegen engagieren. „Vielleicht auch gerade in der Weihnachtszeit“, kommentierte ein Sprecher der Gruppe.

Bundesinnenminister de Maizière traf gegen 17.30 Uhr an der Paulinerkirche ein und hielt im Kirchenschiff einen zweistündigen Vortrag zu religionsjuristischen Fragen. Über 200 Zuhörer_innen lauschten dem Juristen, während das Gebiet um die Kirche weiträumig von der Polizei abgesperrt wurde. In der Kirche selbst sorgten Polizei und BKA für Sicherheit.


Der Bundesinnenminister (links) bei seiner Rede in der Paulinerkirche

De Maizière ging nach seinem Vortrag auch auf die kritische Frage eines Christen ein. Der Mann hatte gesagt, staatliches Handeln stünde oft seinen religiösen Überzeugungen entgegen. Als Beispiel nannte er Kriegseinsätze und auch Abschiebungen. De Maizière, selbst überzeugter Christ, sah keinen Widerspruch. „Aus dem Gebot der Nächstenliebe folgt nicht das Gebot der Unterwerfung und der Verzicht auf Landesverteidigung“, sagte der Minister. Staatliche Gewalt sei fundamental dafür, dass in Deutschland kein Bürgerkrieg ausbreche.

„Abschiebungen gehören zum Prinzip von Zuwanderung“, so der Minister weiter. Wenn es Regeln zur Zuwanderung gäbe, müsse es auch Abschiebungen geben. „Sonst können wir die Tore auf machen.“ Es könne keine Offenherzigkeit gegenüber Flüchtlingen geben, „wenn wir nicht zwischen Flüchtlingen und Illegalen unterscheiden.“ Auch stellte sich de Mazière gegen das Prinzip des Kirchenasyls. Dass die Kirchen sich in diesen Fällen über das Gesetz stellen, findet der Politiker „rechtsstaatlich empörend.“

Um 20 Uhr endete der Vortrag in der Paulinerkirche. Als der Präsident der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), Tilmann Zülch, den Innenminister nach der Veranstaltung energisch auf seine Abschiebepolitik ansprach, wurde er von Sicherheitskräften zur Seite gedrängt. Der Protest auf der Straße hat de Maizières Publikum und ihn selbst nicht erreicht.

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2 Kommentare auf "Besuch vom Minister"

  1. Rakete sagt:

    Nachtrag: Als der Präsident der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) Tilmann Zülch den Innenminister nach der Veranstaltung energisch auf seine Abschiebepolitik ansprach, wurde er von Sicherheitskräften zur Seite gedrängt.

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