Mi. 09.06.: Bildungsstreikdemonstrationen in Göttingen
von Kokain am 3. Juni 2010 veröffentlicht in Demonstration, TermineLetztes Jahr gab es in Göttingen eine Menge Aktionen unter dem Label „Bildungsstreik“. Zahlreiche Vollversammlungen an der Universität, eine großes Veranstaltungsprogramm in der bundesweiten Bildungsstreikwoche und eine der größten Bildungsdemonstration von SchülerInnen und StudentInnen der letzten Jahre.
Im Wintersemester folgte die Besetzung des Verfügungsgebäudes an der Göttinger Universität und die Anliegen der StudentInnen waren bundesweit Themen in den Medien. In den medialen Hintergrund gerieten die Interessen der SchülerInnen, die in den Jahren davor die Bildungssproteste vorangetrieben hatten.
Auch dieses Jahr wurde wieder ein bundesweiter Bildungsstreik ausgerufen und auch in Göttingen wurde in erster Linie aus dem Schülerspektrum eine Großdemonstration organisiert. Das Schüler*innenbündnis Göttingen kritisiert „Lehrkräftemangel, Konkurrenzkampf, Leistungsdruck, ein Ökonomisieren der Schule, Bildungsgebühren, mangelnde Selbstbestimmung, veraltetes Inventar und fehlende Freizeit“ als einige Kritikpunkte an den Schulen, die es zu verändern gelte. Ergänzend dazu ruft die Jugendantifa Göttingen (J.A.G.) zu einem „Antikapitalistischen Jugendblock“ auf der Großdemonstration auf.
Den Aufruf des Schüler*innenbündnis Göttingen hier
Den Aufruf zum Antikapitalistischen Jugendblock hier
Demonstrationen am 9.Juni
Sternmärsche von der KGS, der IGS sowie einer Fahrraddemo vom Nordcampus(Treffpunkt Goldschmidtstraße Ecke Tammannstraße) ab 10 Uhr sowie ab 10.30 Uhr vom Zentralcampus
10:45 Uhr Treffpunkt des Antikapitalistischen Jugendblocks am Wilhelmsplatz
11:00 Uhr Gemeinsamer Treffpunkt der Sterndemos am Gänseliesel und anschließende Demo durch die Innenstadt
Hintergrund:
Interview mit Oliver Nachtwey zum „Bildungsstreik“ als soziale Bewegung
Da ham die Schülis den Studis aber mal gezeigt, wie man ordentlich Leute mobilisiert. Die Polizei hat mal wieder gezeigt, dass sie den §12a des Versammlungsgesetzes nicht verstehen kann oder will. Richtig gemacht hat’s nur der Staatsschutz: der hat sich die Demo von einer schattigen Parkbank auf dem Wall aus angesehen.
Nach Polizeiangaben haben gestern Abend rund zwanzig Personen in der Weender Straße gegen die Bildungspolitik protestiert. Demnach seien die Protestierer vermummt gewesen und Richtung Weender Tor gezogen. Sie hätten zudem Sylversterknaller und ein so gennantes Bengalische Feuer gezündet. Die Polizei versuchte die Vermummten am Weender Tor zu stoppen. Dies gelang nicht, da die Teilnehmer die flucht ergriffen. Laut des stellvertretenden Sprechers der Polizeiinspektion Göttingen, Joachim Lüther sind die Personalien von 11 Personen aufgenommen worden. Lediglich bei 2 Personen sei aber klar, dass diese auch an dem Protest beteilig waren. Lüther sieht einen Zusammenhag zu dem zur Stunde stattfindenden Sternmarsch im Rahmen des Bildungsstreiks. Hierauf deuteten die Parolen sowie Plakate, die mitgeführt worden sein sollen, so Lüther.
Redebeitrag des Basisdemokratischen Bündnis‘ auf der Bildungsstreikdemo am 9. Juni in Göttingen:
Liebe Freundinnen und Freunde, Liebe Genossinnen und Genossen
Heute demonstrieren wir erneut gegen das hiesige Bildungssystem. Wie 2008 geht auch dieses Jahr die wesentliche Initiative von den Schüler_Innen aus. Sie kämpfen mit viel Engagement und Energie gegen die Unzumutbarkeiten in ihrem Alltag. Die Schulen sind zentraler Ort der sozialen Auslese und der Elitenförderung. Für kritische Lernformen und –inhalte ist hier kein Platz.
Ob, wie und wer an die Universitäten kommt, wird fast ausschließlich durch die Schule entschieden. Die Hochschulen, unser Kampffeld, sind erst in letzter Instanz Teil dieser gesellschaftlichen Auslese. Das Bildungssystem funktioniert als Filter für die gesellschaftliche Arbeitsteilung und trägt damit wesentlich zur Aufrechterhaltung der Herrschaftsformen Klasse, „Race“ und Geschlecht bei.
Das zeigt sich zum Einen an dem desolaten politischen Zustand der bundesrepublikanischen Hochschulen. Ganz besonders deutlich werden die Konsequenzen des Bildungssystems am politischen Klima an der Universität Göttingen. Hier studieren überwiegend jene, die bereits zur gesellschaftlichen Elite gehören.
So wird die studentische Selbstverwaltung von einer Hochschulgruppe, der ADF, dominiert, die standortchauvinistische Politik macht und für eine elitäre Ideologie steht. Die Zusammenarbeit mit Verbindern und rechtskonservativen Gruppen wie dem RCDS wird nicht gescheut, sondern dient dem Machterhalt.
Diesen Zustand gilt es zu verändern und die Lebensbedingungen von Studierenden, Lehrenden und Angestellten an der Universität zu verbessern. Das Basisdemokratische Bündnis, als emanzipatorische Gruppe an der Universität Göttingen, teilt die Kritik der Schüler_Innen an den vorgesehenen Reformen und derzeitigen Lernbedingungen.
Wir streben eine politische Emanzipation an und die Überwindung autoritärer Strukturen in allen Lebensbereichen. Als emanzipatorische Gruppe sind wir solidarisch mit jenen, die sich gegen die bestehenden Verhältnisse kritisch auflehnen. Wir wollen nicht nur eine Verbesserung der Lebensbedingungen derer, die an den Universitäten sind, wir wollen dies für alle Menschen weltweit.
Diesem Anliegen stehen die gesellschaftlichen Verhältnisse entgegen. Deswegen kämpfen wir gegen alle, die den derzeitigen Verhältnissen in liberaler oder in konservativer Form anhängen.
Wir zielen auch auf die öffentliche Debatte und setzen auf Aufklärung. Systemstabilisierende Rechtfertigungen und ideologische Denkmuster finden sich jedoch auch in den Protestbewegungen selbst. Diese gilt es zu enttarnen. Das heißt Grundlagen und Strukturen, Vertreter_Innen und ideologische Urheber_Innen benennen und ihnen öffentliche Räume nehmen. Diese Räume wollen wir gemeinsam füllen mit Selbstorganisation, Solidarität und kritischer Auseinandersetzung!
Mein Lob an die gestrigen Redner! Das wenige, was mensch trotz der eher suboptimalen Akkustik verstehen konnte, hat mir außerordentlich gut gefallen. Insbesondere fiel mir positiv auf, dass die Redebeiträge dieses Jahr weniger studentenlastig waren, sondern der sehr starken Präsenz der Schülerinnen und Schüler gerecht wurden.