Hausdurchsuchung

Die Sache mit dem Hund
von am 3. Februar 2010 veröffentlicht in Antirassistische Politik & Verfolgung, Politik

Zunächst war es wohl so etwas wie der gesunde Menschenverstand, der daran zweifeln ließ, dass ein Hund fünf Tage nach dem Brand im Kreishaus, nach Frost und Tauwetter, eine Spur durch die Innenstadt bis in die Rote Straße finden konnte. Damit hatte die Polizei ihre Hausdurchsuchung in der Roten Straße 1 gerechtfertigt. Bei genauerer Betrachtung wird aber schnell klar: die Argumente der Polizei rechtfertigen gar nichts. Weder die Durchsuchung, noch die anschließenden Ermittlungsverfahren.

Die Zweifel an den Fähigkeiten der Spürhunde wurden sogleich in die Kommentarspalten des Göttinger Tageblatts getragen. Entgegnet wurde ihnen mit einem Zitat aus dem Wikipedia-Artikel über Haushunde. „Sehr gute Spürhunde können eine solche Spur noch nach Tagen eindeutig aufnehmen und verfolgen, sogar mitten durch eine Stadt, durch viele parallele und kreuzende Fremdspuren hindurch“, heißt es dort. Daraufhin berichtete auch goest, dass Spürhunde dazu in der Lage seien, „auch nach Tagen noch Spuren zu verfolgen.“ Das GT tat daraufhin das, was Journalisten eben machen, wenn sie keine Ahnung haben: eine Expertin fragen.

Rettungshundeführein Daniela Wollrath bestätigte dem GT im Interview, dass Spürhunde auch nach 21 Tagen noch Spuren aufnehmen könnten. Dass das GT mit Wollrath wohl die falsche Expertin befragt hatte, zeigte sich im letzten Satz des Interviews: „Die Polizeihunde haben hierfür eine gesonderte Ausbildung“, sagte sie. Eine Ausbildung, von der sie keine Sachkenntnis hat.

Das wurde auch sogleich in den Kommentaren zum Artikel angemerkt: „Sie können nicht eine Rettungshundeführerin in Ausbildung!, die ihren Hund für eine Personensuche in der Fläche ausbildet! (eine ganz andere Art der Hundearbeit!), zu der Ausbildung und Fähigkeiten von sog. „Mantrailern“ befragen, noch weniger zu der Ausbildung der Mantrailer, oder wie sie alles in einen großen Topf werfen, der Spürhunde bei der Polizei. Das sind Disziplinen, die sich in der Arbeit mit dem Hund stark voneinander abgrenzen!“

Wie die Polizei nämlich auf der Pressekonferenz am 31. Januar bekannt gab, habe es sich bei den eingesetzten Tieren um Man-Trailing-Hunde gehandelt. Diese wurden aus Nordrhein-Westfalen angefordert, weil das Land Niedersachsen solche nicht besitzt. Das Innenministerium NRW hatte diese Hunde im Jahr 2007 eingeführt.


Keine Man-Trailer: Polizeihunde auf der Demo gegen die Durchsuchung

Diese neue Ausbildungsmethode „unterscheidet sich deutlich von der bisherigen Fährtensuche“, heißt es in einer Pressemitteilung den Innenministeriums NRW. Die Hunde erspürten dabei den Geruch des Menschen anhand von Hautschuppen, erklärt das Ministerium „begeistert“. In sofern sind Angaben, die über andere Spürhundarten herangezogen wurden, offensichtlich tatsächlich für diesen Sachverhalt nicht relevant.

Wesentlich interessanter ist hingegen, was zur Haltbarkeit der von Man-Trailing-Hunden erschnüffelbaren Spuren gesagt wird. „Der Geruch an den Hautzellen ist der Polizei zufolge noch nach Stunden, unter günstigen Umständen sogar noch nach einem ganzen Tag für die Hunde wahrnehmbar“, heißt es in der Mitteilung. Zur Erinnerung: in Göttingen soll die Fährte fünf Tage alt gewesen sein! Somit ist die Frage, ob eine mit dem Brand in Zusammenhang stehende Spur in die Rote Straße führte, erneut zu stellen!

Weiterhin gab die Polizei bekannt, dass die Hunde bei der Hausdurchsuchung nur in den Räumen angeschlagen hätten, nicht aber an den konkreten Bewohner*innen. In sofern wäre dieses ein Indiz dafür, dass die Bewohner*innen eben nicht der angeblichen Spur zuzurechnen sind. Dennoch hat die Polizei gegen die konkreten Menschen Ermittlungsverfahren begonnen.

Eine weitere Ungereimtheit ergibt sich aus der Tatsache, dass niemand gesehen hat, wie die Hunde in den Räumen angeschlagen haben. Außer eben der Polizei, die hier ganz offensichtlich nicht als objektiver Akteur bezeichnet werden kann. Die Bewohner*innen durften bei der Begehung der Zimmer mit den Hunden nicht als Zeug*innen dabei sein. In einem Raum war ein Rechtsanwalt bei einer zweiten Begehung dabei, der nun sagt, der Hund habe nach seiner Auffassung auf nichts reagiert. „Bis jetzt hat mich der Hund jedenfalls von gar nichts überzeugt“, so Anwalt Sven Adam. Das vermeintliche Indiz, mit dem die Polizei die Ermittlungsverfahren begründet, ist somit weder überprüfbar noch überzeugend.

Weiterhin war die Polizei nicht bereit zu konkretisieren, woran man die Hunde eigentlich schnüffeln ließ, bevor sie angeblich in die Rote Straße liefen. Von einem ominösen „Spurenträger“ war die Rede, am Abend der Durchsuchung sprach die Polizei von einem Stück Pappe. Ob es sich dabei um das Flugblatt handelte, das die Polizei „in der Nähe des Tatortes“ gefunden hatte, bleibt offen. Das hatte die Polizei als Indiz für eine politische Motivation der vermeintlichen Brandstiftung gewertet. Womöglich steht es aber auch gar nicht mit dem Brand in Verbindung.

Bei genauerer Betrachtung fällt also die gesamte Argumentation, mit der die Polizei die Hausdurchsuchung und die Ermittlungsverfahren rechtfertigt, in sich zusammen.

Artikel teilen


Themen

, , ,

16 Kommentare auf "Die Sache mit dem Hund"

  1. kumpel von björn borg sagt:

    sehr guter artikel, raketenjunge! als das gt sich schon loange wieder 100sten geburtstagen zugewandt hat, bleibt monsters am ball und entfalrvt sowohl hunde als auch bullen. glückwunsch.

  2. Harry Roberts sagt:

    Wenn Hautschuppen verfolgt werden, warum dann nur in einem Zimmer anschlagen?
    Dann müsste der Weg genauso gut in Nachbars Zimmer, in das Bett des Freundes und zum Kiosk führen, oder?

  3. bloggoe sagt:

    Sehr gut, dass ihr da nach gehakt habt! Bin mal gespannt, wie das GT und ähnliche Blätter darüber berichten, wenn sie damit konfrontiert werden. Vlt ja sogar in der Printausgabe…

  4. cyberpunk sagt:

    Harry Roberts hat ja wohl mal vollkommen recht.

    Dran bleiben und allen auf die Füße treten kann ich nur sagen. Die Verbrecherbande in Grün wird noch ihr blaues Wunder erleben.

    Farbige Grüße,
    cyberpunk

  5. Björn sagt:

    „In den Mainstream bloggen“ hat beim Polizeiübergriff auf die Freiheit statt Angst-Demo in Berlin im Herbst auch funktioniert. Nutzt die Kommentarfunktion von GT und HNA!

  6. dorfdisco sagt:

    Guetr Artikel, bringt die ganze Absurdität auf den Punkt.

  7. Rakete sagt:

    Danke fürs Lob. Die Kommentarschlacht kann jetzt auch auf fortgeführt werden.

  8. The V sagt:

    Jep,
    guter Artikel und wichtiger denn je, wenn mensch sich den Rotz vom GT anschaut.
    Es ist unglaublich, dass sich die Presse weiterhin in diesem belanglosen Detail fest beißt wie zuverlässig die Hunde sind und krampfhaft versucht, ihre Arbeit als Beweis zu verwenden.
    Wenn überhaupt kann sie als Indiz herangezogen werden, aber unter den Umständen und der Informationspolitik der Polizei erzwingt es den Eindruck, dass das alles konstruiert ist:

    z.B. „die Hunde haben angezeigt“(vor den Zimmern): es ist ein Kinderspiel für einen Hundeführer vom Hund die Anzeige zu erzwingen/ bzw. den Hund das Kommando ausführen zu lassen, was er als seine Anzeige antrainiert bekommen hat!

    Das Interview vom GT (3 lächerliche Frage in eine Richtung) zeigt einmal mehr wie ungeniert hier die Presse der Polizei zuarbeitet und deren Handeln zu legitimieren versucht – dem kleinen Bürger verständlich zu machen versucht.
    Der weiß zum Beispiel nicht, dass die Expertin Fr. Wollrath, die angeblich Rettungshunde „ausbildet“, erstens eine ganz andere Art von Hunden ausbildet(nämlich Flächensuchhunde), paradoxerweise gar keine offizielle Befähigung dafür hat, diese Hunde auszubilden, eine Fährte nicht von Spur unterscheiden kann usw. die Liste ist lang…
    @rakete: is nur ne Kleinigkeit: aber Fr. Expertin ist keine Rettungshundeführerin, das wäre sie wenn sie mit ihrem Hund ne Prüfung hat (hat sie aber nicht). So ist sie nur Rettungshundeführerin in Ausbildung. Aber das konnte das GT (wenn es überhaupt danach gefragt hat) natürlich nicht drucken… eine „Expertin in Ausbildung“?
    Auf die vermehrte Kritik zu dem Interview hat das GT gar nicht oder mit Verunglimpfungen reagiert. Das GT ist wohl das schmutzigste was in dieser Stadt auf Papier gedruckt wird.
    Es bleibt dabei: solange die Polizei keine Informationen herausgibt (vor allem über den Geruchsträger z.b.), kann sich der noch so erfahrenste Experte kein realistisches Urteil erlauben!
    Die Arbeit bzw. der reale Einsatz (gerade mit Mantrailer in der Stadt) mit Hunden ist viel zu vielen Faktoren unterworfen, die transparent sein müssten, um eine Einschätzung vornehmen zu können!

  9. sledder sagt:

    Nur mal ne Nachfrage: Wurde dieses Flugbaltt „in der Ausländerbehörde“ gefunden oder „in der Nähe der Ausländerbehörde“? Nicht, dass es wirklich einen Unterschied macht, denn ich vermute, antirassistische Flyer (so hab ich den bisher zumindest wahrgenommen) landen recht schnell an diesem Ort, aber wenn hier schon das GT für irreführende Berichtrstattung kritisiert wird, dann sollten Monsters das wenigstens ganz richtig machen.

  10. Frankie sagt:

    laut Polizei in Tatortnähe, daraus würde ich interpretieren, in der Ausländerbehörde. Was für einen direkten Zusammenhang mit der „Tat“ (falls kein Unfall war) nicht ausreichend ist, schließlich kann so ein Flugblatt sonst wie dorthin gelangt sein, noch von der Besetzung oder irgendjemand hat es dort wann auch immer, in welchem Zusammenhang auch immer liegen lassen.
    Alles ziemlich vage, falls das der Geruchsträger gewesen sein soll, reicht das wohl kaum für einen unmittelbaren Tatzusammenhang aus.

  11. Rakete sagt:

    richtig ist: wir wissen es nicht. „in tatortnähe“ laut polizei, alles weitere sind mutmaßungen, die es zu vermeiden gilt. danke für den hinweis, wird korrigiert.

  12. ale sagt:

    wird schon ein grund haben, weswegen ein richter die hausdurchsuchung genehmigt hat…

  13. Harvey sagt:

    Na klar, das war bestimmt ein gerichtsbekannt zuverlässiger, gutbürgerlicher Hund. So einem kann man einfach keinem Wunsch abschlagen. Und wenn der da rein will, dann will der Hund halt da rein. Auch wenn er vielleicht nur etwas am Klebstoff schnüffeln — ach naja, ich will dem Hund ja nichts nachsagen.

Schreibe einen Kommentar

Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar zu schreiben. Anmelden | Registrieren

Bitte lese dazu unsere Regeln und Hinweise zum Kommentieren.