„Chemikalien der Anderen“ – Prozeß geht in die zweite Runde
von Rakete am 25. September 2009 veröffentlicht in PolitikDie BewohnerInnen eines von der Polizei durchsuchten Hauses wehren sich gerichtlich gegen die Durchsuchung im vergangenen Herbst. Am kommenden Montag findet um 10:30 Uhr in Sitzungssaal I des Verwaltungsgerichts Göttingen der zweite Verhandlungstag in dem Klageverfahren über die Rechtmäßigkeit der Durchsuchung statt. An diesem Verhandlungstag wird es zu einer umfangreichen Beweisaufnahme durch das Verwaltungsgericht kommen. Hierzu werden neben klägerseitigen ZeugInnen auch viele ZeugInnen von Seiten der Polizei zu hören sein.
Die Polizei durchsuchte am 07.09.2008 mit einem Großaufgebot und Unterstützung der Feuerwehr sowie einem Kampfmittelbeseitigungsteam aus Hannover die Wohnungen des gesamten vierstöckigen Hauses. Grund hierfür war der Fund von Chemikalien, in einem abgetrennten Kellerraum, zugehörig zur Wohnung des 1. Stockwerks, die von Feuerwehr und Polizei als vermeintlich explosiv eingestuft wurden. Am 25.09.2008 erhob Rechtsanwalt Sven Adam für den Hauptmieter der Wohnung im Erdgeschoss des Hauses Klage vor dem Verwaltungsgericht Göttingen mit dem Ziel, die Rechtswidrigkeit der Durchsuchung feststellen zu lassen.
Am ersten Verhandlungstag (26.08.09) war die Polizeidirektion Göttingen, trotz mehrmaliger Aufforderung durch das Verwaltungsgericht nicht bereit anzuerkennen, dass sie offensichtlich die falschen Wohnungen durchsucht habe. Auch konnten sie bisher keine ausreichende Begründung für eine Durchsuchung diesen Ausmasses liefern. Festgestellt wurde aber, dass die Chemikalien weitaus weniger gefährlich sind, als am Tage der Durchsuchung von der Polizei behauptet. Aus diesem Grunde kommt es nun zu einer umfangreichen Beweisaufnahme, in der etliche weitere ZeugInnen beider Seiten gehört werden. Unter anderem zu der Fragestellung, ob die irrtümliche Durchsuchung des Erdgeschosses vermeidbar gewesen wäre.
Ein Einsatzbericht des Einsatzleiters konnte erst mit Drohung der Klageerhebung erwirkt werden. „Dieser Einsatzbericht wirkt an entscheidenden Stellen konstruiert und entspricht nicht den Ereignissen.“ kommentierte der Kläger. Eine ausreichende Begründung der Durchsuchung geht aus diesem nicht hervor.
Im Laufe des Verfahrens wurde die Fotodokumentation von der Polizei vernichtet, die als wichtiges Beweismittel von Klägerseite angeführt wird. Auch das weitere Vorbringen der Polizei ist von Widersprüchlichkeiten geprägt.
Gleichzeitig werden am zweiten Verhandlungstag die Durchsuchungen der anderen Wohngemeinschaften des Hauses verhandelt werden. Diese hatten nach dem ersten Verhandlungstag die Klage erhoben. Hier dürfte die Irrtums-Argumentation der Polizei des ersten Verhandlungstages schwierig werden. Des weiteren wird auch die Rechtmäßigkeit der Foto- und Videodokumentationen verhandelt.
Hintergrund
Die BewohnerInnen des Hauses in der Geismar Landstraße mussten das Gebäude während des vierstündigen Einsatzes im vergangenen Herbst verlassen und wurden von der Polizei aktiv am Zutritt gehindert. Die Durchsuchungsmaßnahmen umfassten hierbei u.a. das gewaltsame Aufbrechen von Türen und das Eindringen durch Fenster. Außerdem die Durchsuchung von Schubladen, Schränken und Schreibtischen sowie das Durchwühlen von privaten Unterlagen. Während der Durchsuchung wurden die Maßnahmen per Fotographie und Videographie dokumentiert. Hierbei wurden auch die Wände der Zimmer, an denen Plakate hingen, abfotografiert. Ob Gegenstände im Zuge der Durchsuchung beschlagnahmt oder sichergestellt wurden, ist den BewohnerInnen des Hauses bis heute nicht bekannt. Ein Durchsuchungs- und Beschlagnahmeprotokoll wurde nie ausgehändigt.
Wenn ich das richtig verstehe, dürfte es sich in der Sache also um § 24 Absatz 2 Nr. 3 des Niedersächsischen Gesetztes zur Sicherheit und Ordnung (NSOG) handeln:
„Die Verwaltungsbehörden und die Polizei können eine Wohnung ohne Einwilligung der Inhaberin oder des Inhabers betreten und durchsuchen, wenndies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für Sachen von bedeutendem Wert erforderlich ist.“
Für das Filmen und Fotografieren von Privatwohnungen und den persönlichen Gegenständen und Aufzeichnungen darin ohne eine Straftat als konkreten Anlass finde ich gerade keine Rechtsgrundlage. So ensteht die Vermutung, dass staatliche Gewalt (Eindringen ind die Privatsphäre) ohne gesetzliche Legitimation ausgeübt wurde. Aufgrund der bisherigen Informationslage beim GT, goest und Monsters erschließt sich mir nicht, weshalb die Polizei als Beklagte nicht längst die Klage anerkannt hat und stattdessen weitere, für sie mit hoher Wahrscheinlichkeit sehr kostspieliege Klagen riskiert. Da sehen wir eine weitere Methode der Verschwendung von auch Geldern aus staatlichen Kassen.
Das Verwaltungsgericht hat die Durchsuchung für rechtswidrig erklärt und die Polizei für ihr Vorgehen scharf kritisiert. Mehr demnächst…
Einen Tag nach dem Urteil gab es gleich eine vom Verwaltungsgericht