Namensschilder für Polizisten? Debatte um niedersächsisches Versammlungsgesetz eröffnet
von am 2. Oktober 2008 veröffentlicht in Politik

Einen Tag, nachdem in Bayern das viel kritisierte neue Versammlungsgesetz in Kraft trat, legen die Grünen im niedersächsischen Landtag einen Vorschlag für ein norddeutsches Pendant vor. Sie sprechen von einer versammlungsfreundlichen Reform, die CDU von einem wirklichkeitsfremden Entwurf.

Grundlegend orientiert sich der Gesetzesentwurf am Versammlungsgesetz des Bundes. Dieses habe sich in Teilen bewährt, heisst es in einer Begründung. „Ein Niedersächsisches Versammlungsfreiheitsgesetz muss einen umfassenderen Schutz der Versammlungsfreiheit gewährleisten“, heisst es weiter. Zudem gebe es aus rechtswissenschaftlicher und bürgerrechtlicher Sicht Forderungen für eine Modernisierung des geltenden Versammlungsgesetzes. Die Grünen hätten diese nun aufgegriffen.

Die geplante Kennzeichnugspflicht für PolizistInnen auf Demonstrationen ist der herausragendste Vorschlag der Grünen. Der Gesetzentwurf sieht hier auch die Möglichkeit von Namensschildern vor. „Polizei und TeilnehmerInnen sollen so weit wie möglich vertrauensvoll kooperieren. Dafür ist es eine gegenseitige Identifikation nötig. Im Streitfall müssen sowohl Polizei als auch TeilnehmerInnen identifizierbar sein“, sagte der innenpolitische Sprecher der Grünen, Ralf Briese. Die Polizeipräsenz dürfe auf Versammlungen keine einschüchternde Wirkung haben.

Neu geregelt werden soll ebenfalls das Recht der Polizei, Demonstrationen abzufilmen. Nach dem Entwurf wäre dies nur noch erlaubt, „wenn Tatsachen vorliegen, dass von ihnen erhebliche gegenwärtige Gefahren für die öffentliche Sicherheit ausgehen .“ Das Versammlungsgesetz auf bundesebene ist hier deutlich schwammiger formuliert. „Die gegenwärtig häufig praktizierten umfänglichen Datenerhebungen bei Versammlungen sind auf das verfassungsrechtlich gebotene Maß einzuschränken“ heisst es in der Begründung der Grünen. Das Anfertigen von Bild- und Tonaufnahmen sei ein faktischer Grundrechteingriff.

Die Grünen wollen auch die Bannmeile um den Landtag in Hannover, in der nicht demonstriert werden darf, abschaffen. Als wirklichkeitsfremd bezeichnete dies der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Hans-Christian Biallas. „Da ein Versammlungsgesetz allgemein gültig ist, dürften dann auch links- und rechtsextremistische Gruppierungen den Landtag als Kulisse für ihre Kundgebungen missbrauchen“, sagte er. Er glaube nicht, dass die Grünen das wollten und warf ihnen deswegen vor, den Vorschlag nicht richtig durchdacht zu haben.

Seit der Föderalismusreform im Jahr 2006 fällt das Versammlungsrecht in den Kompetenzbereich der Bundesländer. Diese können nun eigene Versammlungsgesetze erlassen. Das CSU regierte Bayern nutzte diese Möglichkeit als erstes für eine deutliche Verschärfung des Gesetzes, die am 1. Oktober in Kraft trat. Aus verschiedenen Spektren regte sich daraufhin Protest. Mitlerweile haben zahlreiche Oppositionsparteien, Gewerkschaften und Verbände Klage vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gegen das bayerische Gesetz eingelegt.

Als zweites Bundesland zog das CDU regierte Baden Württemberg nach, welches ebenfalls eine Verschärfung nach bayerischem Vorbild ankündigte. In Niedersachsen erarbeitet nach Auskunft der CDU-Landtagsfraktion gerade das Innenministerium einen Gesetzesentwurf im Auftrag der Landesregierung. Dass der Vorschlag der Grünen darin Beachtung findet, darf bezweifelt werden.

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10 Kommentare auf "Namensschilder für Polizisten? Debatte um niedersächsisches Versammlungsgesetz eröffnet"

  1. frage: sagt:

    Was ihr hier schreibt bleibt natürlich euch überlassen, aber eine kurze frage dazu: was soll uns dieser artikel sagen? ist ja spannend was sich irgendjemand grünes da überlegt hat, aber was hat das bitte für eine relevanz? vor allem hat so eine fixe idee doch keine realpolitische perspektive! solche artikel bin ist mensch sonst eher von indymedia und taz gewöhnt… und eben eigentlich zu faul und zu schlau sowas zu lesen.

  2. justice sagt:

    zur relevanz: das versammlungsrecht ist ein wichtiger bestandteil des demokratischen staates.
    debatten im zusammenhang mit dem grundrecht sind ein indikator für die verfassung der brd.

  3. Rogue sagt:

    @ frage

    Ich finde es durchaus legitim und auch relevant, mal über den Göttinger Dunstkreis hinaus einen Blick auf die aktuelle Debatte ums Versammlungsrecht zu werfen. Da passiert ja momentan einiges, siehe Beitrag oben: in Bayern ist seit vorgestern(!) eben ein verschärftes VersG in Kraft (Klage dagegen ist vor dem BVerfG bereits erhoben), in Baden-Württemberg ist ähnliches geplant und auch Niedersachsens Regierung wird da nicht anders verfahren wollen. Und da in Göttingen ja ab und zu auch die eine oder andere linke Demo stattfindet, ist es nicht uninteressant, eine solche Debatte zu verfolgen. Zumal die hier bei Monsters angekündigten linken Demos/Kundgebungen/Aktionen ja auch nicht im luftleeren Raum stattfinden.

  4. Rakete sagt:

    Also ich kann die Kritik in sofern nachvollziehen, dass der Artikel keinen Magazincharakter hat sondern eher für ein tagesaktuelles Medium geeignet wäre. Für ein Magazin (wie dieses) hätte man das mehr kontextualisieren können/sollen. Ansonsten tuts mir leid wenn ich deinen Intellekt unterfordert habe.

  5. GöttingerIn sagt:

    dazu: Mittwoch, den 3. Dezember ab 10 Uhr im StadtRadio Göttingen

    Hier die Ankündigung:

    Stadtradio: Diskussion zum neuen Versammlungsgesetz für Niedersachsen
    Ort: Stadtradio Göttingen, 107,1 MHz oder im Stream

    In Bayern wurde es bereits erlassen, in Baden-Württemberg ist es geplant, ebenso in Niedersachsen: ein Versammlungsgesetz auf Länderebene. In Niedersachsen wurde die Diskussion von den Grünen angestoßen, die einen versammlungsfreundlicheren Entwurf im Landtag zur Debatte stellten. Innenminister Schünemann (CDU) kündigte jedoch an, sich in seinem Gesetzesentwurf an der Vorgabe aus Bayern orientieren zu wollen, was eine Verschärfung des Versammlungsrechts zur Folge hätte. Über Inhalte und mögliche Folgen dieser beiden Gesetzesentwürfe diskutieren am kommenden Mittwoch Vertreter der Polizei, der Landtagsfraktion der Grünen und ein Rechtsanwalt im StadtRadio Göttingen.

    Es diskutieren:

    Sven Adam (Rechtsanwalt)

    Stefan Wenzel (Fraktionsvorsitzender Die Grünen im niedersächsischen
    Landtag)

    Dieter Riekmann (Einsatzkoordination Polizeiinspektion Göttingen)

  6. GöttingerIn sagt:

    jep hab gehört das wird aufgenommen und dann gibts das später auf der Stadtradio-Seite zum download

  7. Rogue sagt:

    Interessante Diskussion. Bemerkenswert u.a. die Einschätzung des Vertreters der Polizeiinspektion Göttingen, dass das derzeitige Versammlungsgesetz die Polizei geradezu verpflichte (!), Demos abzufilmen (O-Ton „videografieren“).

  8. Rakete sagt:

    Die Sendung kann jetzt gestreamt und heruntergeladen werden.

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