„Cherry Docs“ im Jungen Theater
von Rubyn am 26. Januar 2007 veröffentlicht in TheaterAm 11.1.07 hatte das Stück „Cherry Docs“ von David Gow, inszeniert von Jacob Jensen in der X-Box, der neu installierten Bühne vom Jungen Theater, Premiere. Danny, gespielt von Dirk Böther und Mike, gespielt von Martin Maecker treffen sich im Untersuchungsgefängnis, in dem Mike, der des Mordes angeklagt ist, einsitzt und auf seine Verhandlung wartet. Danny soll Mike als sein Pflichtverteidiger vertreten. Eine fast alltägliche Situation? Nein, denn Danny ist ein liberaler Anwalt, jüdischer Abstammung und Mike ein ideologisch verbohrter Neo-Nazi und rechter Skinhead, der weiterhin von seinen blutroten „Cherry Doc Martens“ mit Stahlkappe schwärmt. Dies ist die konfliktgeladene Ausgangssituation beider, in der Konfrontationen vorprogrammiert sind. Mike ist nicht bereit seine politischen Einstellungen zu überdenken oder sich mit seiner Tat auseinanderzusetzen, bis Danny einen Weg findet ihn dazu zu zwingen. Die beiden Männer geraten mehr als einmal aneinander, sie begenen sich auf unterschiedlichen Ebenen; sie sind Angeklagter und Verteidiger, die eine gemeinsame Strategie für Mikes Verteidigung finden müssen. Sie sind Nazi und Jude, die dem anderen keinen Zentimeter ihres Boden kampflos überlassen. Sie sind aber auch Privatpersonen, die sich aufgrund der Situation, auch persönlich ausseinander setzen müssen und auf gewisse Weise fasziniert voneinander sind. Für beide geht es um Sieg oder Niederlage. Allerdings kommen auch beide Männer nicht drum herum vom anderen zu lernen und sich mit den Ansichten des anderen auseinanderzusetzen. Danny glaubt an die Menschen und so auch an Mike und will, dass dieser lebt, aber vor allem will er, dass er anfängt zu denken. Der Glaube, Mike verändern zu können treibt ihn mehr an, als die Verachtung gegenüber seinen rassistischen Einstellung ihn abhalten könnte. Sein Plan gelingt und Mike beginnt nachzudenken…
Anfänglich beobachtet der Zuschauer das Geschehen auf der Bühne, bis es langsam beginnt einen zu fesseln und einzusaugen. Martin Maecker miemt den ideologisch indoktrinierten Nazi facettenreich. Anfänglich fliegen einem hohle rassistische Phrasen um die Ohren, die, wie auch in der Realität, fast wie auswendig gelernt klingen. Doch das Bild des plumpen Nazis wandelt sich, so dass er manchmal empfindlich gar interessiert wirkt und subtile Untertöne entwickelt. In Momenten, in denen Dannys Apelle Mike erreichen, reagiert Maecker sensibel und unsicher. Die Apelle kratzen sichtbar an seiner Überzeugung, fast so, als ob er sich im Kopf schon von ihnen gelöst hätte. Auch Dirk Böther spielt den Anwalt Danny überzeugend. Die meiste Zeit kraftvoll, mit viel Elan und wie immer, mit vollem Körpereinsatz. Doch auch Danny verändert sich über die Zeit, die Anstrengungen werden sichtbar und er zweifelt zunehmend an seinen Erfolgsaussichten, was Dirk Böther hervorragend ausdrückt. Das Spiel der beiden ist überzeugend und gut zu verfolgen, da der Wechsel von Dialog- und Monologszenen beiden Spielern Raum für die Entfaltung ihrer Person gibt.
Die Entscheidung des Jungen Theaters, ein Stück mit dieser Thematik zu zeigen und nicht nur den Mainstream Vorstellungen von Theater zu folgen, zeigt Mut und politischen Anspruch. Leider ist aber „Cherry Docs“ dadurch nicht davor gefeiht manchmal in Klischees und die Reproduktion von bekannten Bildern abzurutschen. Auch die Auflösung des Problems ist unwahrscheinlich und mäßig befriedigend, so dass die erwartet Explosion ausbleibt. Dieses Manko ist allerdings eher der Inszenierung zuzuschreiben, als den Schauspielern. Und empfehlenswert bleibt „Cherry Docs“ allemal.
Weiter Aufführungstermine am 7.2. / 15.2. / 17.2. / 20.2. / 21.2. / 28.2. / 2.3./ 3.3. jeweils um 20.00 Uhr.
Weitere Infos: Junges Theater
Das Junge Theater war wegen der Bezeichnung der aktuellen Spielzeit, „Heimatfront“, in die Kritik geraten. Auch inhaltliche Kritik an einem Statement des Intendanten Andreas Döring wurde von Seiten des [a:ka] geübt. Letzterer lud Döring zu einer öffentlichen Diskussionsveranstaltung ein, die aber noch nicht stattgefunden hat. Weitere Informationen zu dieser Debatte gibt es hier, den kompletten Artikel hier.