„Der große Wurf? Dass es uns noch gibt!“ – Clint im Interview
von Rakete am 7. September 2009 veröffentlicht in Gespräche10, eigentlich sogar 11 Jahre Clint. Nach jahrelanger Bühnenabstinenz kommt die teil- und zeitweise aus Göttingen stammende Band, die sich musikalisch irgendwo zwischen Rise Against und Boy Sets Fire bewegt, wieder auf hiesige Bretter zurück. Im Gepäck das neue Album „Wings Not Included“, was daran erinnern soll, dass wir nicht auf großen Schwingen durchs Leben gleiten, sondern meistens eher kriechen und stolpern müssen. Donnerstag kommt die Scheibe aus dem Presswerk, am Freitag steigt die Release-Party im einsB. Genügend Gründe, um die Band zum Interview zu bitten. Wir sprachen mit dem Bassisten Sebastian über das, was Clint gerade bewegt.
Zwei Drittel von euch haben über Jahre in Göttingen gelebt, du bist immer noch hier. Seit oder wart ihr eine Göttinger Band? Habt ihr etwas mit einer wie auch immer gearteten lokalen Musikszene zu tun?
Durch unsere Zeit in Göttingen haben wir natürlich viele Leute irgendwann irgendwie kennengelernt und da waren bestimmt auch ein oder zwei Gitarristen dabei. Aber einer Szene in irgendeiner Form habe ich mich nie zugehörig gefühlt. Außerhalb von Göttingen wurden wir ne Weile als Göttinger Band wahrgenommen, weil Jan (Gitarre) und ich das Booking von hier aus gemacht haben. Um aber auch unsern Drummer nicht zu exkludieren, haben wir uns irgendwann entschieden: Wir sind CLINT aus Stolzenau. Woher? Ja, genau.
In den vergangenen Jahren habt ihr weit voneinander entfernt gewohnt, euer Gitarrist sogar in England. Wie hält man über eine solche Distanz eine Band lebendig?
Ja, wir leben leider sehr verteilt in Deutschland. Da müssen die Probenwochenenden schon gut geplant werden. Und vor allem müssen sie dann effektiv genutzt werden. Wie genau wir die Band am Leben gehalten haben, weiß ich nicht. Ich persönlich brauche immer irgendein Bandvorhaben, das mich „am Ball“ hält: Neue Platte, neue Poster, neue Tour… Wir halten die Band am Leben, so lange sie uns in Gang hält, schätze ich.
Die obligatorische Frage für ein Magazin wie unseres: Wie haltet ihr es denn mit der Politik? Ihr habt ja schon auch politische Texte und spielt auf Antifa-Soli-Shows. Ist Clint also ein politisches Projekt?
Ich sehe uns immer als drei denkende Individuen, die zusammen in einer Band spielen. Da gibt es klare Grundhaltungen (zB Antifaschismus) – und jede Menge Unterschiede im Detail. Daher sehe ich CLINT auch nicht als politisches Projekt. An vielen Bands, die sich als solches begreifen, stört mich oft eine gewisse Überschätzung der eigenen Kräfte gepaart mit einem Mangel an Selbstironie. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir drei die Welt nicht retten werden. Wenn wir dann unsern Teil dazu beitragen können, dass zB der Club88-Geburtstag in Neumünster lauten Widerstand erfährt, dann ist das schön. Aber das ist doch ein sehr kleiner Beitrag. Da reißen sich viele Menschen sehr viel mehr den Arsch auf für ein besseres Leben. Denen kann ich nur Respekt zollen und viel Kraft wünschen.
Was habt ihr in letzter Zeit getrieben? Oder anders gefragt: was hat sich seit eurer letzten Platte alles geändert?
Die Zeit unserer letzten Platte ist ja nun schon so ne halbe Dekade her. Was hat sich da NICHT verändert? Also, damals konnten wir so ziemlich jedes angebotene Konzert spielen, häufiger proben und insgesamt mehr Zeit investieren. Heute arbeiten 2/3 der Band und 1/3 hat sich etwas spät noch für ein Medizinstudium entschieden. Die Band hat sicher an Priorität eingebüßt. Aber das ist nicht schlimm. Es bleibt ja trotzdem schön, wenn wir uns dann im Proberaum treffen oder endlich wieder ne Platte fertig haben.
Das letzte Album habt ihr auf eurem eigenen Label „Callahan Records“ herausgebracht, bislang die einzige Veröffentlichung dort. War das die Liebe zum D.I.Y. oder mangelte es einfach an Interesse von anderen Labels?
Der Gedanke war damals, dass wir alles, was ein kleines Label für uns tun könnte, auch selber erledigen könnten. Warum also irgendwelche Bindungen eingehen, wenn wir die Platte auch selber rausbringen können? Zumal wir damit auch Preise niedriger halten können. Damals haben wir schon gedacht, wir nehmen bald noch andere Bands mit auf, aber ohne Geld und mit immer weniger werdender Zeit sind wir wohl nicht die erste Wahl an Labels… Das wirklich Gute an DIY ist, dass die Freude und der Stolz über ein Projekt proportional mit dem eigenen Aufwand korrelieren.
Eure nächste Scheibe erscheint auch wieder bei Callahan?
Yup. Zweite CLINT-Scheibe und zweite Callahan-Scheibe in Einem. Diesmal haben wir sogar die Aufnahmen selber im Proberaum gemacht. So verdient diese Platte einen dicken „Selbsgemacht“-Stempel.
Erzähl mal was zu eurem neuen Album. Was gibt’s da auf die Ohren? Bist du zufrieden?
Unserem Vorgänger-Album treu bleibend haben wir die Länge von 26 Minuten auch diesmal nicht überschritten. Es soll ja ein Punk/Rock-Album bleiben. Dafür gibt es auf der CD auch keinen Song, den ich persönlich für mittelmäßig halte. Ich habe das Gefühl, wir haben dieses Mal die Bandbreite zwischen hartem und sehr balladeskem Stil ETWAS weiter ausgenutzt. Im Schnitt ist es aber bei einer Mischung aus Melodie und Aggressivität geblieben.
Zufriedenheit mit den eigenen Stücken ist ja so ne Sache. Die erste Antwort ist ein klares Ja: ich bin wirklich sehr zufrieden! Aber ich werde wohl nie eine Aufnahme von uns hören, an der mir ALLES zu 100% gefällt.
Es ist einige Jahre her, dass ihr in Göttingen aufgetreten seid. Damals noch im Cafe Kreuzberg oder dem JuzI. Mit welchen Gefühlen seht ihr dem Auftritt im einsB entgegen?
Wir haben tatsächlich lange nicht mehr in Göttingen gespielt. Wenn ich mich recht erinnere, war das 2005 im JuzI. Was das kommende Konzert im einsB angeht, bin ich ambivalent: Ich freue mich riesig, endlich wieder zu spielen und auch auf ein „Heimspiel“ freue ich mich, weil einfach viele Menschen da sein werden, die mir was bedeuten. Andererseits bin ich auch ziemlich nervös aus denselben Gründen: Wir haben eben schon sehr lange nicht mehr live gespielt und bei nem Heimspiel steht man ja immer etwas unter dem Druck, seine Sache
besonders gut zu machen.
Was sind eure Pläne für die Zukunft? Kommt der große Wurf noch?
Wenn man so will, wäre der große Wurf 2009, dass wir einen Song zu einer Anti-Flag-7″ beisteuern durften, die als Benefiz-Aktion auf Anti-Flag-Konzerten verkauft wird. Aber ansonsten…Wir sehen mal zu, dass wir wieder etwas regelmäßiger Konzerte spielen, als uns das in letzter Zeit möglich war. Ansonsten sind wir sehr froh, dass wir uns noch treffen und einfach weitermachen. Demnächst werden sicher neue Songs geschrieben. „Der große Wurf“ ist schon lange nicht mehr unser Ziel. Wir halten es für ganz groß, dass es uns noch gibt.