Frauenkampftag 2013

Für Gleichstellung und gegen Sexismus
von am 9. März 2013 veröffentlicht in Soziale Bewegungen

Feministisches Graffito an einem Brautmodengeschäft.

Aktionen am Nachmittag: Spielerisch über Sexismus informieren

Am Nachmittag gab es bereits in der Fußgängerzone Aktionen zum Internationalen Frauentag. „Nimm den Ball in die Hand und lass es einfach mal raus“, wird einer Frau zugerufen, die beim Dosenwerfen gegen Sexismus an der Reihe ist. Sie hat sich ihre Ziele genau ausgesucht, trifft sicher und mit Wucht: Auf den Dosen sind diverse männliche Prominente abgebildet, die sich durch sexistische Äußerungen oder gar sexuelle Übergriffe einen Namen gemacht haben.


Zum Abschießen: Sexismus in Werbung und Politik

Dabei ist natürlich Jörg Kachelmann, der freigesprochene, mutmaßliche Sexualstraftäter und Preisträger des Unworts des Jahres 2012 für seinen politischen Kampfbegriff „Opfer-Abo“. Dieser Begriff stelle „Frauen pauschal und in inakzeptabler Weise unter den Verdacht, sexuelle Gewalt zu erfinden und somit selbst Täterinnen zu sein“, so die Begründung der Jury zum Unwort des Jahres. Die Kachelmann-Dose fliegt, als der Ball sie trifft.

Ein aktueller Neuzugang bei den Zielscheiben aus Blech ist Bundespräsident Joachim Gauck, dessen Abbild sich eine Dose mit dem Foto des ehemaligen IWF-Chefs Dominique Strauss-Kahn teilt. Gauck hatte im Spiegel-Interview die Sexismus-Debatte als „Tugendfuror“ bezeichnet, der Ansicht folgend, es gehe in der Diskussion um „das Fehlverhalten eines Politikers abends an der Bar.“ Dafür wurde er von Blogger*innen aus dem Umfeld des #Aufschrei-Tags auf Twitter kritisiert. Treffsicher landet der Ball auf der Dose mit dem Bild des konservativen Pastors aus Rostock.

Sexismus hat gesellschaftliche Ursachen

Das Dosenwerfen gegen Sexismus ist ein echter Renner bei den Aktionsständen. Organisiert wurde es von der Grünen Jugend und Schöner Leben Göttingen. Beide Gruppe sind im Aktionsbündnis 8. März aktiv und zum Internationalen Frauenkampftag mit einem Stand in der Göttinger Fußgängerzone vertreten, zusammen mit den Frauenforum Göttingen, dem Anatolischen Kulturzentrum, der DGB-Jugend und dem Verdi-Ortsfrauenrat.

Das Bündnis fordert ein Ende der sexualisierten Gewalt an Frauen und Transpersonen sowie eine gleichberechtigte Teilhabe an Gesellschaft und Erwerbsarbeit für alle. Dem Mut der Frauen auf Twitter, sich öffentlich zu ihren Erfahrungen mit sexueller Gewalt oder sexueller Belästigung zu bekennen, zollt das Bündnis Respekt. Genau diese Diskussion ist es, die geführt werden solle, um die Ursachen von Sexismus offen zu legen. Deshalb ist ein bekannter Bundespolitiker der FDP, dessen Verhalten die Debatte auslöste, auf den Dosen ganz bewusst nicht mit seinem Bild vertreten.

Es gehe eben nicht um das „Fehlverhalten eines Politikers abends an der Bar“, wie Gauck suggeriert. Susanne Schultz von Schöner Leben betont, Sexismus habe „auch was mit gesellschaftlichen Strukturen zu tun, mit Ungleichheiten am Arbeitsmarkt, in der Verteilung von Erwerbsarbeit und Haus- und Sorgearbeit. Diese gesellschaftliche Ungleichheit spiegelt sich im Prinzip in diesen sexistischen Verhaltensweisen auch wieder und wird umgekehrt davon beeinflusst.“

OECD-Studie belegt: Gleichstellung in Deutschland unzureichend

Das Aktionsbündnis 8. März sieht Sexismus als Teil eines größeren Problems: Die herrschende Gesellschaftsordnung sei auf Ungleichheit angelegt. Die Reproduktion vermeintlicher Unterscheide zwischen Männern und Frauen und der damit einhergehende Heterosexismus seien genauso ein Teil dieser Ungleichheit, wie der Unterschied zwischen arm und reich. Auch hier ziehen Frauen in Deutschland den Kürzeren: Im Schnitt 23 Prozent weniger Lohn als Männer. Mehr Teilzeitarbeit als bei Männern, vor allem weil die Verantwortung für die Familie häufig einseitig bei Frauen liegt. Das bedeutet auch im Schnitt weniger Rente für Frauen. Schon heute sind mehr Frauen von Altersarmut betroffen als Männer.


„Sie sind weiblich, flexibel und ehrgeizig? Jetzt Bart aufkleben und 1/4 mehr verdienen.“

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat das Thema Gleichstellung umfassend analysiert und schlägt konkrete Handlungsoptionen vor. Was die Gleichstellung in Deutschland angeht, kommt die OECD zu einem vernichtenden Ergebnis: Im internationalen Vergleich rangiert die Bundesrepublik auf den hintersten Rängen. Missstände, auf die aufmerksam gemacht werden soll, wie die an den Aktionen beteiligte DGB-Jugendbildungsreferentin Agnieszka Zimowska mitteilt. Die bestehenden Diskriminierungen von Frauen könnten nur verändert werden, „in dem möglichst viele Menschen darauf aufmerksam gemacht werden und ihre Lage aktiv selbst gestalten. Warum nicht am 8. März den Anfang machen.“

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