Schmendi: emancipate yourself!
von am 25. September 2009 veröffentlicht in goeNOT?vote, Politik

In linken Kreisen wird oft auf den klugen Anarchisten verwiesen, der einst gesagt haben soll, das wählen wäre längst verboten, würde es etwas ändern. Und tatsächlich: egal welche Partei wir uns ansehen, so richtig Spaß macht es nie. Die einen wollen weitermachen wie bisher und die anderen wollen das alles wieder so wird wie vor 30 Jahren. Und auch wenn etwa die Grünen darauf verweisen, dass sie heute in Bezug auf die soziale Frage oder die Kriegseinsätze eine völlig andere innerparteiliche Beschlusslage vorzuweisen hätten als noch vor 4 Jahren – wir sollten uns davon nicht täuschen lassen. Denn wer etwas genauer hinsieht, der wird bemerken, das die Konjunktur von sozialer Gerechtigkeit, Antimilitarismus und sozialer Ökologie sich ziemlich passgenau negativ zu der grüner Regierungsbeteiligungen verhält. Immer, wenn sie mitmachen dürfen, dann machen sie auch mit. Komme was da wolle. Die LINKEN halten es in der Frage übrigens genauso. Dürften sie im Saarland machen wie sie wollten, diverse Migrant*Innen müssten um ihren Aufenthaltsstatus fürchten. Denn Lafontaine versteht da keinen Spaß und hat nicht nicht zufällig eine Verstärkung der Polizeipräsenz in den Straßen gefordert.

Und doch unterschlägt der Hinweis auf den klugen Anarchisten geflissentlich einen wesentlichen Teil der Wahrheit. Denn ebenso klar ist auch, dass nicht wählen eben auch keine Lösung ist. Würde es etwas helfen, es wäre ebenfalls verboten. Ist es aber nicht. Was also tun?

Vielleicht wäre es als ein erster Schritt ganz gut, die Frage nach der Bedeutung von Wahlen von ihrem hohen Podest herunter zu hohlen. Vielleicht ist das Wählen ebenso wenig unabdingbarer Schritt auf dem Weg zu einem angenehmeren Leben wie das Nichtwählen. Aber vielleicht gibt es auch im Kleinen Vorteile, den die Wahl eines bestimmten Abgeordneten ins Parlament oder ein überraschend gutes Abschneiden einer Partei mit sich bringen. Davon müssen wir uns nicht sonderlich viel erhoffen. Aber warum ein abstrakter „Wahlboykott“ oder ein Aufruf für „den Kommunismus“ (was auch immer das sein soll) da mehr bringen soll – es will mir einfach nicht ins Hirn.

Statt sich also mit der elendigen Debatte zu quälen, ob nun das Wählen oder das Nichtwählen schneller zu einer Befreiung der Menschen vom Kapitalismus führt, sollten wir uns lieber den Dingen zuwenden, die hier zielführender erscheinen. Denn Veränderungen kamen noch nie aus den Parlamenten und sie werden auch nie aus den Parlamenten kommen. Sie kommen von unten. Weil Menschen sich zusammenschließen in sozialen Bewegungen und vom System etwas fordern, was dieses ihnen nicht geben will. Hier finden Veränderungen in den Köpfen der Menschen statt, sowohl in den Köpfen derer die mitmachen als auch in den Köpfen derer, die mit den Bewegungen konfrontiert werden.

Und last but not least gibt es da noch das Problem des Überlebens: wären die parlamentarische Demokratie, der Kapitalismus und der ganze andere Kram morgen weg, wir wüssten nicht, wo wir unser Essen herkriegen sollten. Und wer es ernst meint mit der Überwindung des falschen Ganzen, der oder die sollte sich schleunigst aufmachen, für diese banalen Alltagsprobleme Lösungen zu finden. Solange es die nicht gibt, hilft nämlich keine noch so schöne Parole. In diesem Sinne: Emancipate yourself together – together.

In unserer Diskussionsreihe GoeNOT?vote debattierten Göttinger Politgruppen über den Sinn und Unsinn von (Bundestags-)wahlen und der Teilnahme daran. Es diskutierten die Grüne Jugend Göttingen, Linksjugend [’solid] Northeim-Göttingen und die Antifagruppe Redical [M]. Du willst auch einen Beitrag verfassen, der den Rahmen eines üblichen Blogkommentars überschreitet? Dann melde dich bei uns.

Artikel teilen

5 Kommentare auf "Schmendi: emancipate yourself!"

  1. auaboese sagt:

    nunja nette überlegungen leider klingt es etwas nach sozialistischer FDP atitüde … du schreibst … veränderung kommt von unter … verbirgt sich dahinter verklärte sozialromantik oder ist für dich alles emanzipatorische perse mal „unten“ …und was ist dann oben? …. zum letzten absatz kann ich dich nur bedauern. Da du bis jetzt anscheinend nur akademisch gearbeitet hast und verhungern wirst wenn du keinen wahlzettel mehr ausfüllen darfst und dein geld nichts mehr bedeutet tut mir persönlich sehr leid, aber zum glück haben wir ja noch genug andere menschen die dann nicht aufhören zu atmen … zum schluß noch was zu deinem IKEA werbeslogen emanzipate yourself in bezug auf oben geschriebenes : trag bitte dein bücherregal mit samt ein paar gleichgesinnten unter einen apfelbaum (nicht der erkenntnis wegen), damit ich in meiner utopisch befreiten gesellschaft sicher gehen kann das deine existensängste unberechtigt sind und der humor nie ausstirbt ….

  2. Gustav sagt:

    Wer nicht wählen geht, wählt schwarz-gelb und NPD – vielen Dank Euch tollen Radicals!

  3. soft_brain sagt:

    … und anderen Denkern!

Schreibe einen Kommentar

Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar zu schreiben. Anmelden | Registrieren

Bitte lese dazu unsere Regeln und Hinweise zum Kommentieren.