Happy Birthday Zann. 10 Jahre? Da darf man mal nachfragen.
von am 7. September 2009 veröffentlicht in Gespräche, Musik

Nenn mir eine Band, die was Hardcore in Deutschland angeht so ziemlich alles erreicht hat, was es zu erreichen gibt? Die an jedem verfluchten Fleck der Hardcorelandkarte Spuren hinterlassen hat? Nun, zumindest mir würden auf jeden Fall Zann einfallen. Als ich die Band vor etwa 10 Jahren zum ersten Mal sah, hätte ich Leben nicht gedacht, dass ich genau diese 10 Jahre später obigen Satz verfassen würde. Damals bot sich mir eine rumpelige Show, der ich kaum etwas entnehmen konnte. Nehmt es mir nicht übel, dass war echt beschissen. Irgendwas muss dann passiert sein. Nicht wesentlich viel später sah ich Zann noch mal, ich selbst klebte einigermaßen überrannt an der Wand. Zann boten mir etwas, was ich in den Folgejahren wiederholt erleben durfte. Eine brutale Dampfwalze, manchmal recht kakophonisch, aber immer gezielt in die Magengrube. Eine der frühen deutschen Bands eines Genres, dass heute oft zurrecht als Screamo verschrien ist. Die nun eher Ex-Leipziger behielten dabei bis heute einen irgendwie schrulligen, konservativen Sound. Während Screamo den angedeuten Weg in die Langeweile marschierte, blieben Zann stehen. Das kann man werten wie man will, mir gefällt das in diesem Fall. Wie schafft man es, sich solch einen Namen zu machen? Eine Lektion für Anfänger: Man muss sich den Arsch abspielen. Und Zann haben sich ihre verdammten Ärsche abgespielt. Kein Milchrampen-Juz wurde ausgelassen. Zann ist eine der wenigen Bands, die im D.I.Y.-Bereich durchweg erfolgreich die halbe Welt bereisen konnte. Mehrere Touren in den USA, Japan, den üblichen europäischen Kandidaten und nun auch Russland können sicher Bücher mit Storys füllen. Das Ganze ohne irgendwelche Booker und Agenturen. Vor einigen Wochen konnte ich Zann auf dem Fluff sehen. Der Sound war schlecht, die Sonne schien und Zann hatten die Riesenbühne voll im Griff. Da kann man nun wirklich zum 10-jährigen Geburtstag gratulieren. Und auch mal nachfragen!

Monsters: Okay, also mir ist es ehrlich gesagt ein totales Rätsel wie ihr es tatsächlich geschafft habt, 10 Jahre ohne irgendwelche Personalwechsel diese Band zu bestreiten! Erzählt mal was diese Band für euch inzwischen bedeutet?

Uwe: Ich verstehe es auch nicht, hat aber wohl etwas mit Sturheit („Ihr kriegt uns nicht klein, ihr nicht!“) und dem Ignorieren jeglicher Realität („Ich hasse euch alle!“) zu tun ;). Und dann waren 10 Jahre schon fast wieder rum. Was es bedeutet? Sehr, sehr viel. Es ist nicht so sehr die Musik die wir machen oder die Platten die wir rausbringen, sondern eher dieses Zusammengehörigkeitsgefühl und das Wissen um all die Scheiße, die man zusammen durchgemacht hat, ohne dass sie uns das Genick gebrochen hätte. Auch dieses Wahnsinnsgefühl und das damit verbundene Dauergrinsen wenn wir am Beginn einer Tour das erste mal wieder zusammen im Bus sitzen und wie Kleinkinder aufgeregt durcheinander reden als hätten wir uns Jahre nicht gesehen. Der Adrenalinschub bei einer Show in einer Stadt, die wir noch nicht gespielt haben. Das tagelange Fahren durch unbekannte Gegenden und die Neugierde, was wohl am Ende der Fahrt auf uns wartet. All das macht süchtig; all das hält mich davon ab, aufzugeben.

Robert: Ich denke es gibt/ gab Tage wo ich mich das auch gefragt habe, warum ich diesen Kram soviel Zeit widme und wie ich es mit denen im Van für so lange aushalte, gebeutelt von Fragen, schlechten Gerüchen und dem ganzen Kram. Aber dann trifft man sich im Proberaum oder geht auf die Bühne und es fühlt sich so gut an wie am ersten Tag. Ich weiß nicht, es macht Klick und es ist all das wieder wert, was man manchmal nicht mag. Ich denke, inzwischen ist es wie eine Beziehung, man muss auch daran arbeiten. Die Band ist irgendwie Bestandteil von unserem Leben geworden und wir haben schon soviel Zeit miteinander verbracht, uns gestritten, diskutiert und auch eingesehen das wir alle sehr spezielle Persönlichkeiten haben, die aber doch alle auf einer gewissen Basis immer wieder zusammen finden. Und wenn ich dann manchmal mit anderen Bands unterwegs bin, sehe ich das wir es doch ganz gut haben. hahaha.

Monsters: Gab es eigentlich mal einen Punkt an dem irgendeiner von euch gesagt hat „So, Schluss jetzt. Ich hasse diesen ganzen Scheiß, die miesen Schlafplätze, die vegane Pampe – und überhaupt erschieß ich die Scheißband!“ – kurz, gab es mal so einen Punkt die Band zu beenden?

Uwe: Die gab es bestimmt. Die hatten jedoch nie etwas mit miesem Essen oder dreckigen Schlafplätzen zu tun. Es sind eher die zwischenmenschlichen Spannungen, die manchmal an einem zehren. Für mich persönlich kann ich mich nur an ein Ereignis in den ersten Jahren erinnern, wo ich jemanden in der Band richtiggehend gehasst habe und mich fragte, wie ich das noch drei weitere Wochen Tour durchhalten soll. Aber nach zwei Tagen war auch das wieder gegessen. Banddasein und insbesondere Touren ist Beziehungsarbeit. Ähnlich wie bei Partner/in macht man Kompromisse und lernt Sachen zu akzeptieren, auch wenn man es gerade mal nicht so mag. Inzwischen bin ich an einem Punkt, wo nur noch externe Sachen wie musikalisches Auseinanderleben oder Wegzug aus persönlichen Gründen die Band für mich beenden können. Ich frage mich schon seit einigen Jahren, wie das Ende aussehen wird; welches Ereignis die Macht haben könnte dies alles zu beenden. Wir werden sehen; ich bin gespannt.

Robert: Ich denke, da kann ich Uwe nur zustimmen (auch wenn mich jetzt interessieren würde, wenn er gehasst hat?! haha). Ich denke, es funktioniert gut durch all die Zeit. Natürlich gibt es immer wieder Tage, wo man sich Fragen stellt usw., aber auch das wird manchmal heißer gekocht als gegessen. Wie man so sagt … Es hört sich doof an, aber inzwischen spielen wir ja auch nicht mehr jede „scheiß“-Show – womit ich meine, das wir nicht mehr 700 km für eine Show fahren, was nur an den nerven zehrt und wir 200 Euro verlieren. Ich meine, wir planen mehr und überdachter, zumal wir aufgrund von Jobs usw. auch nicht mehr soviel spielen können, wie wir vielleicht wollen. Wir wollen immer noch viel sehen und es gibt viele Orte die wir spielen wollen und das auch immer wieder, aber manchmal ist es dann traurig, wenn man 8 Stunden im Auto saß, man ankommt und es gibt Nudelkuchen, keine Flyer und 60 Euro … Ich meine, ich gehe nie davon aus, dass diese scheiß Band jemand sehen will, aber es ist doch nett ein paar Leute durch Flyer zu informieren und das auch nicht nur in seinem Myspace Freundeskreis. Aber das ist jetzt schon off topic 🙂 Also im Großen und Ganzen fällt mir gerade kein weiterer Grund ein, außer den von Uwe genannten, warum wir uns demnächst auflösen sollten (Sorry Rocco*).

Monsters: Ich kenne nur ganz wenige Bands, die derartig weit unterwegs gewesen sind. Man kann sicher sagen, dass ihr (fast) alle Regionen besucht habt, in denen irgendwas mit d.i.y. zu machen ist. Ihr wart nun mehrfach in den USA, in Japan und nun auch in Russland. Da ich gleich zu Russland komme – was ist das bemerkenswerteste an den Möglichkeiten die euch überall geboten waren?

Uwe: Das Bemerkenswerteste am Touren in anderen Kulturkreisen ist sicherlich die Möglichkeit, Land und Leute auf nicht-touristischem Wege kennenzulernen. Man bekommt Einblicke in Lebens- und kulturelle Verhältnisse, die normalen Reisenden verschlossen bleiben würden. Gute Beispiele sind hier die Übernachtung in einem japanischen Kloster inkl. Audienz beim Klostervorsteher, der Aufenthalt bei den Großeltern des Perkussionisten von Birushanah in Japan die uns sehr freundlich aufnahmen, sowie z. B. unsere Show in der Salt River Pima-Maricopa Indian Community in Arizona/USA. Man erhält auf diese Weise fantastische Einblicke in unbekannte soziale und kulturelle Strukturen.

Robert: Dem kann ich nur beipflichten. Wir haben so viele Plätze gesehen, welche wahrscheinlich keiner von uns ohne die Band je gesehen hätte und ich bin echt dankbar dafür. Da haben sich Leute weltweit den Arsch aufgerissen, um unsere Band spielen zu lassen und das zeigt mal wieder, dass dieses ganze DIY Netzwerk soviel mehr bewegen kann als jede beschissene semiprofessionelle Booking-Agentur. Die ganzen Bands, die nichts mehr selbst in Hand nehmen wollen, haben es aber auch nicht besser verdient, als in ihrem Kaff zu spielen. Ich denke mit eigener Energie, Idee und Leidenschaft hat fast jede band die Chance, Sachen wie diese auf die Beine zu stellen.

Monsters: Da ich schon Russland angesprochen hatte – also Robert erzählte mir ja schon mal so ein wenig davon. Es soll ja ganz fantastisch gewesen sein. Erzählt mal wie es dort so zugeht, ich habe ja viel gehört von den Möglichkeiten aber auch den Unmöglichkeiten dort.

Uwe: Ich kann nur positive Sachen berichten. Für uns lief alles sehr smooth und unproblematisch ab, außer dass man uns nicht ins Lenin-Mausoleum lassen wollte weil der Herr gerade beim Facelifting war. Die Tour war gut vorbereitet und hat sich auch finanziell voll selbst getragen, was ja bei DIY-Touren eher selten ist. Wir konnten vor Ort immer Eqipment und Instrumente von den Bands leihen, brauchten daher keinen Van und fuhren stattdessen mit dem Zug, was eine sehr angenehme Erfahrung war. Auch war ich beeindruckt vom Enthusiasmus der russischen/ukrainischen Kids, der sich in Unmengen Bands und großartigen Shows ausdrückte. Davon abgesehen war ich sehr schnell dem leicht maroden Charme der osteuropäischem Städte, vor allem von Kiew, erlegen. Es gab so viele Dinge, die ich aus der eigenen DDR-Jugend kannte (Ikarus-Schlenkerbusse, Magasins, Neubauwohnungen, etc.), so daß man sich teilweise wie auf Zeitreise in die eigene Vergangenheit fühlte. Und dann natürlich einer der Höhepunkte der Bandgeschichte: der Rote Platz in Moskau. Der birgt so viele Bedeutungen und Erinnerungen, daß ich wirklich einen Moment innehalten mußte um zu begreifen, daß ich wirklich dort bin… Nach diesem Teaser hoffen wir, bald dorthin zurückkehren und alles etwas länger genießen zu können.

Robert: Ich glaube es war eine der besten touren die wir je hatten (gut sie war auch sehr kurz). Aber diese ganze positive, euphorische Grundstimmung hat sofort auf uns übergegriffen und es hört sich vielleicht doof an, aber es kam mir ein bisschen vor wie bei uns im Osten kurz nach der Wende, als all die Bands kamen und man überall hingerannt ist und alles war so neu und frisch. Ich kann nur sagen, dass ich schon lange nicht mehr soviel positive Energie auf einem Konzert hatte!! Man kann all die Eindrücke gar nicht in Worte fassen.

Zann sind aktuell mit aktuell mit Mouthbreather (USA) auf Tour: www.myspace.com/zann

* Schlagzeuger von Glasses.

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2 Kommentare auf "Happy Birthday Zann. 10 Jahre? Da darf man mal nachfragen."

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