Kein kritischer Dialog mit Rainer Langhans
von am 21. September 2008 veröffentlicht in Literarisches Zentrum, Politik, Popkultur

Am 21. September war neben anderen Zeitzeugen der 68’er Rainer Langhans im Literarischen Zentrum zu Gast, um über 1968 und die Folgen zu diskutieren. Die Einladung Langhans hatte im Vorfeld für Wirbel gesorgt, mehrere politische Gruppen forderten die Ausladung des Kommune-1-Bewohners oder die Absage der Veranstaltung. Sie werfen Langhans NS-Relativierung und Frauenfeindlichkeit vor. Der von den Veranstaltern versprochene kritische Dialog blieb aus, Protest beschränkte sich auf das Verteilen von Flyern.

Bereits Anfang der Woche wurden das Literarische Zentrum, die Podiumsgäste und die anderen mitveranstaltenden Organisationen in einem offenen Brief aufgefordert, keine Diskussion mit Rainer Langhans zu führen. Seinen frauenverachtenden und den Nationalsozialismus verharmlosenden Positionen solle kein Raum geboten werden, hiess es in dem Brief. Die Vorwürfe wurden mit Pressezitaten aus der taz und der Süddeutschen Zeitung untermauert. „Die Dritte Welt ist in uns, und sie ist zuallererst in dem Teil unterentwickelt, den wir Frauen nennen“ hatte Langhans zum Beispiel am 22.01.2007 in der SZ gesagt. Ferner wird ein taz-Interview aus dem Jahr 1989 zitiert, in dem er den Nationalsozialismus „in nicht zu tolerierender Weise“ relativierte. „So etwas wie ein „kritischer Dialog“ ist nur dann angebracht, wenn die Kommunizierenden auch an Erkenntnisgewinn und Emanzipation interessiert sind.“ Dies sei Langhans nicht, hiess es weiter in dem Brief.

Martina Fragge von der VGH Stiftung, die das rahmengebende Literaturfest Niedersachsen mit organisierte, hatte am Freitag gegenüber dem StadtRadio die Forderungen nach einer Ausladung Langhans zurückgewiesen. Egal wie man zu den Thesen von Langhans stehe, man könne nur im Dialog voneinander lernen. Besonders das Literarische Zentrum stehe für das Gespräch und den Austausch. Hier knüpfte Sabine Schormann, Geschäftsführerin der VGH Stiftung, am Sonntag im Literarischen Zentrum an. Sie freute sich über die ausverkaufte Veranstaltung und kündigte mit Bezug auf den offenen Brief einen kritischen Dialog an.

Langhans erhielt während der zweistündigen Diskussion zwar regelmässig Contra von Podiumsteilnehmer Johanno Strasser, insbesondere wenn er der RAF einen spielerischen Charakter andichtete oder das „Phänomen ’68“ als nicht historisierbares, quasi mythologisches Ereignes erklärte. Die im Vorfeld der Veranstaltung erhobenen Vorwürfe der NS-Verherrlichung und Frauenfeindlichkeit Langhans wurden allerdings auf dem Podium nicht thematisiert und auch das Publikum meldete sich nicht zu Wort. Einige wenige lasen das vor dem Literarischen Zentrum verteilten Flugblatt, viele schien es nicht zu interessieren.

Da hatte es schon eine gewisse Ironie, als Barbara Sichtermann von einem „Fest der Kritik“ sprach und konstatierte, laute und theoretische Kritik sei auch heute jeden Tag nötig. Im Literarischen Zentrum war an diesem Sonntag jeden Falls nicht viel davon zu hören. Rainer Langhans verharmloste allerdings auch nicht den Nationalsozialismus und äußerte keine frauenverachtenden Ansichten – dafür aber eine Menge wirres Zeug, so er denn überhaupt einmal zu Wort kam. Dass Langhans als Ex-Partner Uschi Obermeyers vorgestellt wurde, war nur die erste Peinlichkeit von vielen. „Wir haben auf der ganzen Linie gewonnen, wissen das aber noch nicht“, sagte Langhans und meinte damit, dass sich der Kapitalismus gerade selber abschaffe. Wirklich gewonnen hat im Literarischen Zentrum jedoch niemand, weder der mehr belächelte als ernst genommene Langhans, noch seine politischen Gegner, noch das Publikum, dass Zeuge einer mehr langweiligen denn kontroversen Diskussion wurde.

Die Diskussionsrunde ist am 5. Oktober ab 20 Uhr auf NDR Kultur zu hören.

Artikel teilen

Schreibe einen Kommentar

Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar zu schreiben. Anmelden | Registrieren

Bitte lese dazu unsere Regeln und Hinweise zum Kommentieren.