Here we stay again
von am 1. November 2007 veröffentlicht in Lokalpolitik

Es kommt Bewegung in den Streit zwischen Studentenwerk und den Bewohner_innen der letzten selbstverwalteten Wohnheime der Stadt. Vor einigen Tagen erreichte uns ein offener Brief des Studentenwerkes an die Kampagne Here to Stay, dicht gefolgt von einer Antwort der Mieter_innen. Nun gab es ein Treffen der beiden Parteien unter unerwünschtem Polizeischutz mit beachtenswerten Ergebnissen. Wir fassen die Geschehnisse der vergangenen Tage zusammen.

Am Donnerstag trafen sich zum zweiten Mal Vertreter_innen von Here to Stay mit solchen vom Studentenwerk. Gegenstand der Verhandlung waren die vom Studentenwerk beabsichtigte Auflösung der Kollektivmietverträge und die bereits ergangene Kündigung des Vertrags im Wohnheim Goßlerstr. Das ursprüngliche Vorhaben, die Mietverträge in Einzelmietverträge umzuwandeln wurde aufgegeben, das Studentenwerk hat die Kündigung zurückgezogen. Diese Entwicklung wurden von Seiten der Bewohner_innen ausdrücklich begrüßt, wenngleich sie auch noch weiteren Verhandlungsbedarf sehen. So hält das Studentenwerk weiterhin am so genannten „Gerechtigkeitsprinzip“ fest. Dieses sieht eine Wohnzeitbegrenzung von sieben Semestern pro Studierenden vor, um jedem ein Wohnen unter vergünstigten Bedingungen zu ermöglichen. „Der Auftrag des Studentenwerks, die Studierenden kulturell, sozial und wirtschaftlich zu fördern, kann nicht durch die Politik einer Mangelverwaltung erfüllt werden“ kommentiert die Kampagne Here to Stay diese Forderung in einer Pressemitteilung.

Begleitet wurden die Gespräche von einem unerwartetem Aufgebot der Polizei. Ein Zusammenhang dieser Präsenz mit den Verhandlungen wurde zwar nach Angaben der Bewohner_innen des Kreuzbergrings von der Polizei abgestritten, wurde aber dennoch von beiden Gesprächsparteien als störend empfunden. Solche polizeilichen Einschüchterungsmaßnahmen seien inakzeptabel. In der Nacht zuvor wurden mehrere Gebäude am Wilhelmsplatz mit Parolen besprüht worden.

Den Gesprächen war ein Schlagabtausch zwischen den Parteien in Form von offenen Briefen voraus gegangen, den das Studentenwerk initiiert hatte. In dem Brief vom vergangenen Freitag bat das Studentenwerk die Bewohner_innen, im Rahmen der Kampagne bei der Wahrheit zu bleiben. Ziel des Studentenwerks sei es von Anfang an gewesen, eine für alle Seiten akzeptable Lösung zu finden. Es sei nicht die Absicht, selbstverwaltete Strukturen zu zerschlagen oder Leute aus den Häusern zu bekommen. Im Rahmen des Auftrages des Studentenwerks, Studierende wirtschaftlich, gesundheitlich und kulturell zu fördern, sei es allerdings notwendig, gleiches Recht für alle zu schaffen. Gerechtigkeit bedeute in diesem Fall „Einzelmietvertrag mit dem Studentenwerk, angemessen begrenzte Wohnzeit und die Immatrikulation an einer der Göttingen Hochschulen als Voraussetzung für einen Mietvertrag“. Von diesen Forderungen ist das Studentenwerk mittlerweile zum Teil abgerückt.

Die Antwort der Kampagne Here to Stay widerum war dem Studentenwerk ebenfalls vor, die Wirklichkeit nicht wahrheitsgemäß darzustellen. So behaupte dieses unter anderem wider besseren Wissens, es gäbe kaum eine Kontrolle über die Vergabe der Wohnplätze. Nach Angaben der Bewohner_innen legten sie jedoch regelmässig Rechenschaft über die Mietverhältnisse ab. Here to Stay nimmt die Geschichte der Häuser in die Pflicht: Die Häuser seien von den damaligen Bewohner_innen mit dem Anspruch, andere Wohnformen zu schaffen, erkämpft und eingerichtet worden. „Als aktuelle VertreterInnen der damals gegründeten Vereine und GbRs sehen wir es als unseren Auftrag an, diese Projekte und Ideen des solidarischen, kollektiven Zusammenlebens am Leben zu erhalten“ heisst es in dem Brief. Mit der Auflösung der Kollektivmietverträge sei die Selbstverwaltung entgegen der Behauptung des Studentenwerks nicht mehr gegeben. Zu dieser Auflösung wird es nach dem gestrigen Gespräch vorerst nicht mehr kommen.

Die Forderung des Studentenwerks, Gerechtigkeit durch Wohnzeitbeschrenkung herzustellen, bezeichnen die Bewohner_innen als zynisch. „Eine Maßnahme, die – genauso wie die Studiengebühren – aufgrund ökonomischer Zwänge noch mehr Menschen die Möglichkeit nimmt, ihr Studium (ohne Aufnahme eines Kredits) abzuschliessen, als „Gleiche Chancen für alle“ hinzustellen, ist unserer Ansicht nach mehr als zynisch.“ Wohnzeitbeschränkung erhöhe den ökonomischen Druck auf die Studierenden und widerspreche dem sozialen Auftrag des Studentenwerks. „Gerechtigkeit kann nur bedeutet, dass alle Studierenden während ihrer gesamten
Studienzeit über Wohnraum verfügen können, der ihren Bedürfnissen entspricht“ stellt die Kampagne in einer Pressemitteilung fest. Eine Forderung, die, so erstrebenswert sie auch klingt, an der Realität scheitern dürfte.

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7 Kommentare auf "Here we stay again"

  1. beifall sagt:

    Mit diesem Etappensieg dürfte die Kampagne gezeigt haben, dass sie nicht, wie gerne von anderen Gruppen aus Göttingen behauptet, aus politisch unerfahrenen und zögerlichen Nasen besteht und durchaus in der Lage ist ihre Interessen selbst durchzusetzen. Hut ab!

  2. mamabär sagt:

    @ rakete und die mog-crew:

    ist ja okay, wenn ihr versucht eure artikel irgendwie objektiv (was im journalismus nachweislich nicht geht) schreiben, aber das hier hättet ihr auch an gt und konsorten verkaufen können.
    nen bisschen mehr stellung dürft auch ihr mal beziehen, ihr seid ja schließlich nicht auf fördergelder oder werbekunden (zumindest wohl bisher nicht …) angewiesen.
    da ist ja goest politischer/kritischer … (und irgendwie scheint mir der anspruch ähnlich zu sein)

  3. Schmendi sagt:

    Also das GT hätten den Text wohl aus mehreren Gründen nicht abgedruckt. Dagegen sprechen

    # die gendergerechte Sprache
    # die kritische Erwähnung der Polizeipräsens
    # die Tatsache, das alle angeführten Argumente des Studiwerkes durch Kampagnen-Argumente widerlegt werden
    # die Bezeichnung der Kampagnenforderungen als „erstrebenswert“

  4. Das GT hätte den Text vor allem nicht abgedruckt weil ausreichend Platz für so wichtige Themen wie „Halloween in Rosdorf“ oder „Fußgängerampel auf der Gronerlandstr. ausgefallen“ bleiben muss.

  5. micha sagt:

    auch wenn es hier um studentische angelegenheiten geht, bleibt es dennoch ein genauso provinzielles thema wie halloween in rosdorf, das liegt aber an der aufmachung des textes, wäre die auseinandersetzung zwischen mietern und werk nicht ein guter anlass gewesen, um grundsätzlich die ausrichtung der studentenwerke dtl.-weit kritisch zu hinterfragen? zwischen sozialem autrag und kommerziellem erfolg….

  6. Rakete sagt:

    das wäre dann wohl eher ein thema für einen eigenen text. darum geht es diesem text tatsächlich nicht und das muss es ihm auch gar nicht. auf lokaler ebene hat das thema gerade im politischen bezug eine höhere relevanz als halloween in rosdorf. dass es dir provinziell erscheint könnte daran liegen, dass wir ein stadtmagazin sind 🙂

  7. Schmendi sagt:

    @micha

    aber schreib doch mal sowas, würde mich interessieren 🙂

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