The Now-Denial: Gott und Chopper
von am 14. September 2007 veröffentlicht in Musik, Platten, Rezensionen, Texte

„Wenn es Gott nicht gäbe, müsste man ihn erfinden.“ – dieser schöne Satz fällt im Film „Easy Rider“ von 1969. Und wie oft habe ich schon über ihn sinniert, wenn ich mich mal wieder im Plattenladen vergriffen hatte. Gibt es einen Musikgott? Wenn ja, dann bin ich mir ziemlich sicher in welchen musikalischen Momenten er gerade Zehnägel schneiden war. Dann hat sich irgendein Praktikant versucht – und oft kam Blasmusik dabei heraus. Bei dem, worüber ich zu irgendeinem Zeitpunkt im folgenden hoffentlich noch zu sprechen gedenke, hatte der Musikgott ein gutes Händchen, während die Praktikanten Gottes Wagen waschen mussten. Wahrscheinlich ein 71’er Cadillac Coupè DeVille.

In „Easy Rider“ geht es um ein weißes Pulver; um Wyatt und Billy, die es schmuggeln und verkaufen, und vor allem um Motorräder. Nein, ich rede hier nicht von beliebigen Motorrädern. Nicht von diesen japanischen Plastikschachteln, deren Fahrer aussehen wie verdammte Powerranger. Es geht um Harleys – umgebaut als Chopper! Wyatts Chopper, lackiert in den Farben eines Winkelements, welches heute vielfältige Benutzung auf linken Demos findet: Die Flagge der U.S.A. Stil hatte und hat das zwar nicht, aber irgendwie ist das doch cool gewesen, zumindest am Motorrad. Und während Wyatt und Billy Richtung New Orleans zur Mardi Gras pilgern, sehen wir reichlich Chopper, Subkultur in filmischer Aufbereitung und nicht nur einen Anflug von Rock’n’Roll. Motorräder, das ist das Stichwort zu einer Platte, die mir seit Monaten immer mal wieder begegnet. The Now-Denial haben ein neues Album aufgenommen.

Bereits vor einigen Wochen raunte mir von zuverlässiger Hand aus dem Studio entgegen, dass etwas größeres auf uns zugerollt kommt. Soso! Zwischendurch ein Konzert der Band und tatsächlich, die neuen Songs ballerten potent alles weg. Wer The Now-Denial live kennt, der wird mir beipflichten, dass an der Tatsache jetzt erstmal nichts besonderes ist. Jetzt ist die Platte fertig, erschienen auf Sounds of Subterrania und Sabotage Records und vor nicht ganz einem Tag drohte mir der SoS Labelchef, mir würde das Ei scheibchenweise aus der Hose fallen bei dieser Platte. Welch eine Androhung. Nun, ich kann wirklich nicht von mir behaupten ein großer Kämpfer gegen das Patriarchat gewesen zu sein, aber soll die Strafe dafür so hart sein, einen Teil der physischen Männlichkeit durch das Hören eines Tonträgers zu verlieren? War das die Strafe dafür, dass ich meine Mitschülerin und unglückliche Liebe Dörte Pawlowski lauthals dafür auslachte, als sie mich in der 8. Klasse über die „Ezamipation der Frau“ aufklären wollte? Ich bin das Risiko trotzdem eingegangen und so bin ich übrigens auf den Film „Easy Rider“ gekommen. Motorräder und Rock’n’Roll.

„Mundane Lullaby“ ist das dritte Album der Band. Interessant ist die Labelwahl. Mit Sabotage Records setzt die Band auf ein vertrautes Pferd im Stall, Sounds of Subterrania ist hingegen eine oftmals verkannte Größe. SoS ist eines der interessantesten deutschen Labels. Auf Genres legt man sich hier nicht fest, der Stil ist weniger entscheidend als die Qualität. Labelchef Gregor ist einer der größten Pedanten, die ich kenne, so es sich um Schallplatten handelt. Eine perfekte Kombination, wenn es um den Betrieb eines Labels geht. Pedanterie hat für sich stehende Releases zur Folge. Und ganz diesem Stil ist „Mundane Lullaby“ verpflichtet. Das Layout hatte vorab manchen Fan verschreckt. In einem etwas sterilen Photoshop-Stil trommelt ein Häschen in der Mitte des Bildes, umgeben von allerelei Beiwerk, dass mich wieder auf das weiße Pulver bringt, welches Wyatt und Billy zu ihrem Motorradtrip veranlasst. So richtig hat sich mir das Konzept noch nicht erschlossen, aber es sieht geil aus – das muss einfach manchmal reichen. Wem es gar nicht gefällt, der kann sich mit der Platte selbst erschlagen, dank 180 Gramm schwerem Vinyl dürfte das kein größeres Problem darstellen. Übrigens, „Mundane Lullaby“ ist das bisher beste The Now-Denial Album. Die letzte Platte der Band, „Viva Viva Threatening“, hatte bei mir eine doch recht kurze Halbwertzeit, nachdem die erste, „The Truth is on Fire“, eine Art Dauerbrenner auf meinem Plattenteller war. Meine persönlichen Lieblingssongs von Album Nummer 3 verschießt die Band direkt auf der A-Seite. „Shades of Gold and Shit“ geht erbarmungslos nach vorne, unterbrochen von einem massiven Stampfpart der den Nacken animiert. Danach „Osmosis“, und bei diesem Song, dem zweiten, konnte ich schon die Motorräder von dieser Platte nicht mehr wegdenken. Vor meinem geistigen Auge sah ich nur noch Wyatt und Billy. The Now-Denial haben ganz massiv an Kante zugelegt, ohne alte Pfade zu verlassen. Nein, keine neue Band, aber man hört eine Entwicklung. Vielleicht liegt es an der zweiten Gitarre, denn die ist neu. Keine Studiospielerei mehr, eine richtige, echte, zweite Gitarre. Das zahlt sich aus, dass hört man auf der ganzen Platte. Besonders der Stampffaktor von „Mundane Lullaby“ ist gewaltig und macht gewaltig Spaß. Dazwischen mal eine Solo, das viel mehr Hardrock sein will als Metal. Ein Rezept, dass sich in Reinform, addiert mit reichlich Melodie in „The Fat Cat“, völlig entlädt. The Now-Denial halten dieses Niveau 12 Songs lang konsequent durch und mir fällt es wirklich schwer weitere Höhepunkte zu nennen. Die Texte bleiben wütend und angepisst ohne platt zu werden, eine von ganz wenigen Bands, die über Rock’n’Roll hinaus auch noch was zu sagen hat. The Now-Denial bleiben alten Verpflichtungen treu, es riecht weiterhin nach Tragedy und Konsorten, und es stinkt deutlich nach Motörhead und Benzin. Eine Platte mehr, die man wirklich braucht!
„Mundane Lullaby“ erscheint am 5. Oktober.

The Now-Denial auf Tour:

21.09.2007 Osnabrück, Alex Skatehall
22.09.2007 Düsseldorf, AK47
23.09.2007 Liège, The Carlo Levi
24.09.2007 Mainz, Haus Mainusch
25.09.2007 Esslingen, Komma
26.09.2007 Offenburg, Kessel
27.09.2007 Zürich, Kalkbreite
28.09.2007 München, Café Kult
29.09.2007 Dresden, Meschwitzstr. 16a + 4 Sivits
30.09.2007 Berlin, Subversiv + Schneller Autos Org., Culm
01.10.2007 Hamburg, Rote Flora (tbc)
02.10.2007 Bremen, @ Wehrschloss Festival
03.10.2007 tba
***
19.10.2007 Lüdenscheid, AZ
20.10.2007 Recklinghausen, @ Glück Auf Fest
27.10.2007 Mühlheim, AZ @ 100th Birthday Party

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4 Kommentare auf "The Now-Denial: Gott und Chopper"

  1. fabbal sagt:

    cool
    meine eltern wohnen in mainz
    im mainusch war ich seit jahren nicht mehr…
    bin aber wohl nicht da …

  2. Fernseherin sagt:

    Das cover erinnert mich an dieses, über das Ich im Netz stolperte:

  3. oli sagt:

    Die Platte ist in der Tat göttlich.

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