Schwarzer Schmuseblock: Amtsgericht will hart durchgreifen
von am 27. Juli 2007 veröffentlicht in Lokalpolitik

Am 17. Juli wurde vor dem Göttinger Amtsgericht ein 26jähriger Student zu drei Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Ihm wird vorgeworfen, auf einer Demonstration „gegen Polizeigewalt und Repression“ eine versuchte und eine vollendete Körperverletzung gegenüber PolizeibeamtInnen begangen zu haben. Das Amtsgericht kündigte einen harten Kurs gegenüber linken Demonstrierenden an. Der Verurteilte legte nun Rechtsmittel ein.

Die Zahlenverhältnisse im Gerichtssaal waren klar: drei PolizeibeamtInnen, die über den Ablauf der Geschehnisse im letzten Oktober noch ganz genau bescheid wussten und ein Angeklagter, der sich entschied, lieber nichts zu sagen. Nicht selten ziehen Aussagen gegen PolizistInnen, die durch Aussagen mehrerer BeamtInnen juristisch wiederlegt werden, weitere Strafverfahren zum Nachteil der Angeklagten nach sich.

Die ZeugInnen aus dem Staatsdienst waren sich einig. Dieser Angeklagte habe einmal versucht, eine Beamtin zu schlagen und in einem zweiten Fall einen weiteren Beamten mit Erfolg ins Gesicht geschlagen. Dieser trug eine gerötete Wange davon und hatte am nächsten Tag noch Schmerzen. Zum Arzt ging er mit seiner Verletzung nicht, weswegen keine Atteste vorlagen. „Ganz sicher“ waren sich die Befragen auch bezüglich der Bekleidung des Angeklaten: er habe definitiv eine Sonnenbrille getragen. Bei der Betrachtung von Fotos der Demonstration stellte sich jedoch heraus, dass er einer der wenigen war, der keine trug. Für den Richter sollte später feststehen, dass man so ein Detail nach so langer Zeit schonmal vergessen könne. Auch wenn die ZeugInnen sich sonst so detailgetreu an das Geschehene erinnern konnten.

„Sie sind kein Demonstrant, sie sind ein Gewalttäter“

Polizisten seien immer wieder Opfer von Gewalttaten, wenn sie das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit gewährleisten wollten, behauptete der Staatsanwalt in seinem Schlussplädoyer. Diesem Umstand müsse ein Riegel vorgeschoben werden. Folglich forderte er eine dreimonatige Haftstrafe für den Angeklagten Studierenden. Der Richter ging in seinem Urteil noch einen Schritt weiter. Er sprach dem Angeklagten sein Grundrecht ab: „Sie sind kein Demonstrant, sie sind ein Gewalttäter“ behauptete er in der Urteilsverkündung. Ebenso wie der Staatsanwalt sah er es als erwiesen an, dass der Student die Straftaten begangen hat und schloss sich dem vorgeschlagenen Strafmaß des Staatsanwalts an. Auch die Begründung adaptierte er: „Der Schmusekurs mit dem so genannten schwarzen Block in Göttingen ist vorbei“. Straftaten, die aus diesem Block begangen werden, würden in Zukunft hart bestraft. Unter den ProzessbesucherInnen wurde anschließend über mögliche Absprachen zwischen Staatsanwaltschaft und Gericht sowie deren gemeinsamen politischen Willen spekuliert.

Der verteidigende Rechtsanwalt Johannes Hentschel geht davon aus, dass an seinem Mandanten ein Exempel statuiert werden sollte. „In einem derartigen Fall eine Freiheitsstrafe zu verhängen, ist grotesk“ berichtet er im Gespräch mit den Monsters of Göttingen. Hentschel hatte im Prozess auf Freispruch für die versuchte Körperverletzung und eine geringere Strafe für die vollendete plädiert. Zusammen mit seinem Mandanten will er nun Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen.

“Wenn Herr Rammert von einem Ende des Schmusekurses mit dem Schwarzen Block spricht, macht er keinen Hehl daraus, dass er eine harte Gangart gegen die politische Linke in Göttingen durchsetzen will. Als Richter am Amtsgericht ist es aber gerade nicht seine Aufgabe, Politik zu machen”, kommentierte eine Sprecherin der Roten Hilfe Göttingen den Prozeß. Die Gruppe meint eine „Praxis der Gesinnungsprozesse“ zu erkennen und fordert das Amtsgericht auf, diese einzustellen. Das Gericht war den Monsters of Göttingen gegenüber zu keiner Stellungnahme bereit.

Bei der Demonstration im letzten Herbst war die Situation ZeugInnenberichten zu Folge mehrfach durch Gewalt seitens der Polizei eskaliert. „Zwei Mal war der Demonstrationszug ohne ersichtlichen Grund von PolizeibeamtInnen gestoppt worden, die auch in die vorderen Reihen geprügelt hatten“ behauptet die Rote Hilfe in einer Pressemitteilung. Erst kürzlich gab es in diesem Zusammenhang einen Freispruch im so genannten „Weihnachtsmannprozess“. Ein Demonstrant hatte sich als Weihnachtsmann verkleidet und wurde wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz, namentlich wegen Vermummung, angeklagt. Das Gericht sah es hier als erwiesen an, dass ein falscher Bart nicht eine Identitätsfeststellung verhindere.

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Ein Kommentar auf "Schwarzer Schmuseblock: Amtsgericht will hart durchgreifen"

  1. Rogue sagt:

    Ob sich wiederum die nächste Instanz dann vielleicht zu einem Schmusekurs mit dem Schwarzen Block hinreißen lässt? 😉

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