Musik

Wenig Schall, kaum Wahn: Tocotronic Nummer Neun
6. Februar 2010

Carsten Klook und Jan Kühnemund haben unlängst in der Online-Ausgabe der Zeit Musikschreiberei aus zwei Blinkwinkeln betrachtet. Während Klook sich dem Gewäsch der Verkäufer widmete, ging es in Kühnemunds hochinteressanter Replik um den Musikjournalisten an sich. Abgekürzt: beide können nichts. Und eines der Beispiele liegt auf der Hand. Kaum ein Titelblatt der aktuellen Musikjournaille kommt derzeit ohne Tocotronic aus. Das reicht vom Hochglanz-Klopapier á la Piranha bis in die zahlreichen Feuilletons der Bildungsbürger. Der mediale Kniefall vor der Band könnte einhelliger nicht sein. Warum ist das so? Möglicherweise weil Deutschpop um Gegensatz zu Britpop eigentlich nichts weiter, als ein ziemlich keimiger, langweiliger Trog ist, aus dem wirklich nichts glänzen kann. Die Protagonisten allesamt gesichtslose Gestalten, denen man nicht zuhören mag. Es gibt keine Gallaghers und schon keinen Jarvis Cocker. Deutschpop kennt keinen ehrlichen Schmutz, wir freuen uns über eine Band, die wenigstens intellektuell ein Zeichen setzen kann. Und die Mitstreiter Blumfeld haben bereits aufgegeben. Wir pflegen was wir haben.


Von Vinyl, Prüfungen und einem Plattenladen
19. Januar 2010

Musikschaffenden und Musikliebenden wird es in Göttingen nicht gerade einfach gemacht. Der Schaffende muss sehen, wo er gutes Equipment herbekommt und wer gute Platten kaufen will, der schaut auch in die Röhre. Aber fangen wir mal ganz von vorne an. Früher war ja bekanntlich alles besser. Zumindest einen Plattenladen gab es in Göttingen immer. Und Equipment à la Amps oder ein simples Verstärkerkabel bekam man auch immer irgendwo. Nur waren und sind die Konsumerlebnisse immer sehr verschieden. Wer Equipment sucht, der landet meistens unter größten Anstrengungen in einem großen Laden jenseits des Stadtzentrums. Und wer nun nicht gerade zur äußerst zweifelhaften Muckerelite der Stadt gehört, findet sich in der Rolle eines bescheidenen Bittstellers wieder. Die Machtverhältnisse benötigen hier keinerlei Klärung. Auf dem kalten Boden der Tatsachen, nämlich vor allem der, dass wenn das Altstadtfest nicht deine Bühne ist, du eben auch ein nichts bist, verlässt man das Geschäft. Dann lieber alles in die Ecke knallen und nur noch konsumieren, sprich: Platten kaufen.


Eigentlich große Schweden – Meine Kleine Deutsche im Theaterkeller
10. Januar 2010

Die Matinee im Theaterkeller geht am Sonntag, dem 17.01. in die zweite Runde. Diesmal haben sich die Veranstalter Meine Kleine Deutsche aus Stockholm angelacht, die auf ihrer Deutschland-Tour zwischen Köln und München hier halt machen. Damit serviert uns der Theaterkeller das erste musikalische Highlight des Jahres in dieser Stadt. Auch wenn wahrscheinlich 99 Prozent unserer regelmäßigen Besucher_innen ein starkes Bedürfnis verspüren den Namen dieser Combo zu besprechen, lasse ich es an dieser Stelle sein, einfach nur deshalb weil ich es kann. Stattdessen beantworte ich im folgenden einige relevante Fragen:


Probier’s mal mit Gemütlichkeit: die Göttinger Wohnzimmerkonzerte
7. Januar 2010

Ziemlich eng ist es immer bei den Wohnzimmerkonzerten der Living Room Society. Man könnte auch euphemistisch sagen: gemütlich. „Wohnzimmer“, das steht im Übrigen auch für „gemütliche, ruhige Indie-musik mit Wohnzimmerromantik, die auch gern unverstärkt sein darf“, klärt Inga von der Society auf. „Musikalisch bewegen wir uns im Bereich folk-indie-pop-country“, sagt Inga v „Eigentlich alles was sich musikalisch relativ leicht auf die Bühne bringen oder akustisch darbeiten lässt.“ Seit dem vergangenem Jahr organisiert Inga die Konzerte, bislang sechs an der Zahl. Als Wohnzimmer dienten bislang das cafe schroeder, das Café Kabale und der Innenhof sowie der Keller des pools.


Mew’s Platte mit dem langen Namen
19. Oktober 2009

Ein dänischer Freund sagte mal zu mir “Wir haben es gut, wir haben unsere eigenen Radiohead!“ Starke Worte. Nebenbei, Radiohead konnte ich noch nie wirklich was abgewinnen. Kompositorisch durchaus interessant, wenn ich mich aber zwischen total toll und eher total scheiße entscheiden müsste, würden die Briten letzen Kommentar kassieren (mit Einschränkungen). So mancher Indie-Slacker wird sich jetzt ins Höschen machen. Bei Mew sieht alles völlig anders aus. In meiner kleinen Hierarchie genialer Bands stehen sie ziemlich weit oben. Die Band mit dem manchmal fragil gewagten Falsett-Gesang hat sich noch nicht einen dokumentierten Ausrutscher erlaubt.


Björn Kleinhenz – B.U.R.M.A.
25. September 2009

Be undressed and ready my angel. Eine sehr amerikanische Art, romantisch zu sein. Björn Kleinhenz betitelt sein neues Album nach einer Akürzung, die amerikanische Soldaten im 2. Weltkrieg in Briefen an ihre Liebsten verwendeten. In einem Interview sagt er dazu, er wollte diese Floskel (oder die Abkürzung) schon immer mal verwenden. Verstehen muss man das wahrscheinlich nicht.


Happy Birthday Zann. 10 Jahre? Da darf man mal nachfragen.
7. September 2009

Nenn mir eine Band, die was Hardcore in Deutschland angeht so ziemlich alles erreicht hat, was es zu erreichen gibt? Die an jedem verfluchten Fleck der Hardcorelandkarte Spuren hinterlassen hat? Nun, zumindest mir würden auf jeden Fall Zann einfallen. Als ich die Band vor etwa 10 Jahren zum ersten Mal sah, hätte ich Leben nicht gedacht, dass ich genau diese 10 Jahre später obigen Satz verfassen würde. Damals bot sich mir eine rumpelige Show, der ich kaum etwas entnehmen konnte. Nehmt es mir nicht übel, dass war echt beschissen. Irgendwas muss dann passiert sein.


Zurück! Und was jetzt? Fragen an: Antitainment.
25. August 2009

Antitainment! Die Band ist für mich ein langes Thema. Diese ganze halbgare Punkrotze mit deutschen Texten geht mir vor allem mal kräftig auf den Geist. Diese tausend ewig gleichen Bands, mit immer denselben langweiligen Texten. Deutschland Scheiße – ja, schön und gut, aber das kann man doch auch mal anders verpacken und sagen. Oder vielleicht doch mal ein ganz anderes Thema, denn das eben genannte habe selbst ich unbrechbarer Patriot begriffen. Außerdem: Die thematisch ablösenden Elektrobands haben sich längst in dieselbe langweilige Falle begeben. Als mir Antitainment das erste Mal begegneten, wurde ähnliches an mein Ohr getragen.


Zwei Wochen Proberaum – und dann? Ein Interview mit Celan.
23. August 2009

Was passiert wenn Ari Benjamin Meyer (Einstürzenden Neubauten, Redux Orchestra), Unsane-Sänger Chris Spencer in einer Bar trifft? Klar, es wird das eine oder andere getrunken und sogleich mit Personalien von so unbedeutenden anderen Bands wie flu.ID (Phillip Röder, Franz Xaver) und Oxbow (Niko Werner) eine Band gegründet. Logisch! Bands wie Celan haben aber auch immer ein Problem. Große Namen schön und gut, blöderweise muss man sich an genau diesen messen lassen. Sowas kann mitunter nerven. Das markante Aufkommen eben solcher Namen unter der neuen Marke Celan ist von besonderem Kaliber.


Indie ganz nah – das Fest van Cleef in Northeim
9. Juli 2009

An diesem Freitag steigt in Northeim das Fest van Cleef, quasi der Familienausflug des Plattenlabels Grand Hotel van Cleef, das Indieherzen höher schlagen lässt, haben sie doch Bands wie Tomte, Kettcar, Olli Schulz und der Hund Marie, Death Cab for Cutie oder Maritime unter Vertrag. Beim alljährlichen Fest van Cleef, das zum ersten Mal in die Nähe von Göttingen kommt, sind in diesem Jahr Gisbert zu Knyphausen, Muff Potter, The Kilians, Why?, Tomte und Element of Crime mit dabei. Ort dieses kleinen, aber feinen Festivals ist die Waldbühne in Northeim, die man bisher vor allem mit alternden Rockern und Volksmusik in Verbindung brachte, also nicht weiter auf dem Schirm hatte. Doch nun: Das Fest van Cleef.