Interview zu den geplanten Protesten von "Ende Gelände"

„Die zerstörerische Infrastruktur stoppen“
von am 15. Juli 2015 veröffentlicht in Gespräche, Politik, Titelstory
Tagebau Garzweiler by Bert Kaufmann | flickr.com | CC BY 2.0
Tagebau Garzweiler by Bert Kaufmann | flickr.com | CC BY 2.0

Kein Tagebau weit und breit und auch das nächste Großkraftwerk verheizt „nur“ Uran. Trotzdem beteiligen sich aus Göttingen einige an den geplanten Großprotesten gegen Kohleenergie im Rheinland. Monsters hat mit einer Aktivistin gesprochen, die in Göttingen für den Protest gegen „die Kohleenergielobby“ trommelt.

Der Atomausstieg ist beschlossen, das Klima ist damit nicht gerettet. Denn deutsche Stromkonzerne fördern und verbrennen Unmengen an Braunkohle. Sie erzeugen damit CO2, dass angesichts des Klimawandels besser vermieden werden sollte. Zuletzt ist das Wirtschaftsministerium beim Versuch gescheitert, Kohleenergie stärker zu belasten. Deshalb rufen überregionale Bündnisse wie die Interventionistische Linke oder Campact zum Protest im Rheinland auf. Vom 14. bis 16. August planen sie Protestaktionen, unter dem Motto „Ende Gelände“ wollen sie die „Kohlebagger stoppen“.

Monsters hat mit der Rheinländischen Aktivistin Roda* gesprochen, die mittlerweile in Göttingen lebt und hier für den Protest gegen den Kohlebergbau mobilisiert. Am Mittwoch, 15.07., findet dazu auch eine Info-Veranstaltung in der Gotmarstraße 10 statt.

Hallo Roda. Rund um Göttingen gibt es ja bekanntlich keine Tagebau-Reviere – warum sollte man trotzdem ins Rheinland fahren?

Es ist halt so, dass dieses Jahr wieder ein UN-Klimagipfel stattfindet, dieses Jahr in Paris, also in Europa. Und naja, die Politik zeigt immer wieder, dass sie nicht wirklich etwas an den Zuständen ändern will – gerade, was die Klimapolitik weltweit anbelangt. Das wird sie auch dieses Jahr beweisen. Und deshalb halten wir es für wichtig, eine große Massenaktion zu machen und zu zeigen, dass Klimaschutz Handarbeit ist. Gerade hier in Deutschland sind die beiden Tagebauten und die vier Großkraftwerke im Rheinland halt die Hotspots.

Warum habt ihr denn besonders das Rheinland im Visier?

Es gibt da die zwei Tagebauten, Hambach und Garzweiler sowie vier Großkraftwerke. Eins davon emittiert so viel CO2 wie der Staat Slowenien. Zusammen bilden die Kraftwerke die größte CO2 Quelle Europas. Und wenn wir dem menschengemachten Klimawandel in die Quere kommen wollen, dann müssen wir die größten CO2-Quellen angehen.

Nun gab es ja vor einigen Wochen die Diskussion um die sogenannte Kohleabgabe. Die hätte Kohlekraft so verteuert, dass mittelfristig ein paar Kraftwerke hätten abgeschaltet werden müssen. Der Plan ist bekanntlich gescheitert – warum ist das mit dem Ausstieg aus der Kohlekraft so schwer?

Es wurde ja teilweise mit dem vermeintlichen Atomausstieg gegeneinander ausgespielt. Dass wir jetzt, nachdem wir die Atomkraftwerke abschalten, nochmal mehr die fossilen Brennstoffe wie Kohle bräuchten, damit nicht bei uns allen die Lichter ausgehen. Meiner Meinung nach steckt da aber eine Riesenlobby hinter, also Großenergie-Konzerne, die sich daran einfach ne goldene Nase verdienen. Deren Strukturen sind eben da und es rentiert sich für die immer noch, die Kohle aus hunderten Meter Tiefe rauszuholen. Und etwas anderes wird gerade die SPD – glaube ich – nicht durchsetzen, zumal sie auf Landesebene in NRW auch eine fatale Klimapolitik mit den Grünen betreibt.

Nun wollt Ihr eure Aktionen ja vor Ort machen– erwartet ihr denn überhaupt lokalen Rückhalt oder wie wird das funktionieren?

Was die Klimacamps und Aktionen der letzten Jahre anging, war das immer gemischt. Es gab Gegenwind, denn RWE passt es natürlich nicht, dass wir da Aktionen machen und auf das Thema aufmerksam machen. In der Lokalpresse war das super-oft Thema, gerade durch die Hambacher Forst-Besetzung, die ja auch da vor Ort ist. 2013 haben wir es erste Mal so richtig am eigenen Leib erfahren, was es heisst, wenn ein politisches Camp und freie Meinungsäusserung unterbunden werden – von einem Zusammenschluss aus Kommunalpolitik, Polizei und RWE. Da wurde uns nicht gewährt, ein Camp aufzubauen. Aber es war schön, dass in dem Dorf, wo das Camp geplant war, Leute angeboten haben die Zelte in den Gärten aufzuschlagen. Das war ein schönes Zeichen von Solidarität vor Ort. Aber es ist schwierig, weil es in den Dörfern viele gibt, die bei RWE arbeiten und die sind von RWE abhängig. Viele haben auch einfach die Hoffnung aufgegeben. Viele Dörfer wissen schon lange, dass sie in zehn Jahren abgebaggert werden. Für die ist unser Protest deshalb naiv.

Ihr wollt da ja reingehen und Druck aufbauen – wie soll das denn aussehen?

Als beispielsweise die erste Hambacher Forst-Besetzung geräumt wurde, war das eine unheimlich teure Räumung, wo sie sehr sehr empfindlich getroffen wurden. Wenn einfach viele Menschen in den Tagebau reingehen und die Bagger und die gesamte zerstörerische Infrastruktur vor Ort stoppen, zeigt man, dass es so nicht geht. Und wenn ihr das nicht aufhaltet, müssen wir es selber tun – und dazu legale Grenzen überschreiten. Eine solche Überschreitung ist legitim, um zu zeigen: Wir sind nicht einverstanden.

Danke für das Gespräch!

* Name auf Wunsch geändert.

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