Das Motzbrocken

Nach der Schlandschlacht ist vor der Schlandschlacht
von am 15. Juli 2014 veröffentlicht in Kolumne
Gestatten: Motzbrocken!
Gestatten: Motzbrocken!

Warum die FIFA Fußballweltmeisterschaft der Männer an niemandem spurlos vorbeigeht und weshalb sich mensch schon jetzt auf die nächste WM vorbereiten sollte.

Ja, ich weiß: Dafür, dass mir Fußball generell am Allerwertesten vorbeigeht und mein maximaler Bezug zu diesem Spiel irgendwann mal auf einem Grundschulhof hergestellt wurde, befasse ich mich ganz schön viel mit diesem Spiel – oder besser: dem Hype, der darum gemacht wird. Und dabei schwöre ich, ich hab’s wirklich versucht, die WM zu ignorieren. Proaktiv hängte ich den Ignorierspielplan ins Treppenhaus, um mit der freundlichen Mithilfe meiner Mitbewohner*Innen genau zu wissen, wann ich besser zu nachtschlafender Zeit zu lauter Musik die Wohnung putze. Oder zufällig mal zwei Stunden früher ins Bett gehen sollte. Besser gleich am Wochenende zum Campingausflug blase. Es nützte alles nix.

Meine ansonsten antinationalistisch geimpften Kinder wurden im Kindergarten mit Schlandfarben beschmiert. Im Vorraum der Kinderaufbewahrungsanstalt hingen von den Halslosen selbst gemalte Flaggen der Elternnationalität – allein darüber könnte ich mich stundenlang echauffieren, aber egal… Der große Kurze nötigte mich regelmäßig zum Einkauf in einem bestimmten Supermarkt, weil es da die tollen Sammelkarten mit diesen heillos überbezahlten männlichen Spielern gibt. Auf dem Schulhof wurde geprügelt, weil einer den Özil in Glitzer zweimal hatte und trotzdem nicht tauschen will.

Noch vor zwei Wochen ranzte ich eine Bäckereifachverkäuferin an, sie solle mich gefälligst fragen, bevor sie meinen Kindern je einen schlandfarbenen Phallus (nein wie passend! Ich ärgere mich im Nachhinein, dass ich nicht gefragt hab ob sie auch schlandfarbene Vaginas für die WM der Frauen auf Vorrat haben…) schenkt. Nach kurzer Diskussion mit dem Nachwuchs steckten die Kurzen die Dinger dann freiwillig kurzerhand in den nächsten Mülleimer. Ich war im siebten Himmel, glaubte ich doch die endlose Diskussion über Schlandjubelartikel damit überwunden und mein kleines gallisches Dorf a.k.a. Wohnung als sicheren Hafen des Widerstands, ja als Oase des Ignorierens gesichert.

Alles für den Arsch!

Da überlässt mensch den Nachwuchs ein Wochenende den Großeltern, und schon fällt dir der Himmel auf den Kopf: Die Kinderfahrräder sind mit Jubelfahnen dekoriert, unsere Gummibärchen gibt es nur noch in schlandfarbener Sortierung und selbst unser Brotaufstrich trägt Nationalfarben. Sieht eigentlich gar nicht so schlecht aus, zu dem braun.

Also habe ich beschlossen, meine Strategie für die nächste WM zu ändern – wenn schon ignorieren nicht funktioniert, sollte ich vielleicht zu aktivem demontieren übergehen: Statt die Beflaggung diverser Vehikel einfach so abzureißen, habe ich jetzt zwei Jahre Zeit, die gesammelten Schlandartikel hübsch umzudekorieren. Wie wohl so eine Flagge erst was hermacht, wenn in blutrot „Schon mein Uropa rief ‚Deutschland’“ druffsteht? Oder wie gut sich wohl so ein schlandfarbener Phallus mit Betonfüllung macht, um den vorbeiziehenden Autokorso zu bejubeln?

Auf jeden Fall brauche ich noch schnell so eine Schlandklobürste (Endlich mal ein Symbol in dieser ganzen Schlandschlacht, mit dem ich mich auch identifizieren kann!). Nach zwei Jahren Benutzung ist die sicher top geeignet, um sich farblich unauffällig aber sehr effizient einen Weg durch die Jubelmassen zu bahnen.
Gleich morgen schreibe ich einen Brief an die diverse Pharmafirmen. Ich möchte zur nächsten WM bitteschön schwarz-rot-gelbe Fieberzäpfchen. Danach mache ich mich daran, die Drogeriemarktketten proaktiv in meine „Schland für den Arsch“- Kampagne einzubeziehen. Zur nächsten WM will ich unbedingt schlandfarbenes Klopapier. Dann kommen die omnipotenten Farben endlich dahin, wo sie von mir aus hingehören!

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